Seit Anfang letzter Woche machen sich die Medien mit den grossen Schlagzeilen plötzlich für Flüchtlinge stark. Nachdem in Deutschland Asylbewerber-Unterkünfte in Flammen aufgingen, schwenkte die Bild-Zeitung auf einen ungewöhnlichen Kuschelkurs und heisst die Flüchtlinge herzlich Willikommen. Und in der Schweiz dreht die Blick-Gruppe ihre bisherige Asylbewerber-Berichterstattung um 180 Grad. In einem Aufruf kündigt die Gruppe ein «grosses Engagement» und eine Spende von 20'000 Franken spenden. Die Chefredaktoren von Blick, Blick am Abend und Blick.ch rufen alle Nachdrücklich zu Solidarität auf. Das kann man nur begrüssen.
Hilfs-Aktion für Flüchtlinge @Blickch hilft mit! Gute Idee von @BILD #refugeeswelcome #solidaritätmitflüchtlingen pic.twitter.com/4VyEsje53T
— Wolfgang Buechner (@wbuechner) August 31, 2015
Es ist eine schöne Aktion, keine Frage – und bitter nötig. Mit der neu entdeckten Nächstenliebe gegenüber Migranten darf man sich aber auch die Frage stellen, ob die «Blick»-Gruppe in der jüngsten Vergangenheit nicht etwas sensibler hätte mit dem Thema umgehen können.
Eine junge Aargauerin ist von einem Asylbewerber überfallen und verprügelt worden. Üble Geschichte. Die Art und Weise, wie dieser Einzelfall jedoch ausgeschlachtet wurde, wirft in erster Linie ein verzerrtes Bild auf die Eritreer als Volk.
Asylbewerber im solothurnischen Kestenholz fordern bessere Lebensbedingungen. Der «Blick» schreibt von einem Aufstand. Gut, sie haben schlechte Luft und kein Tageslicht in ihrem Zivilschutzbunker. Aber hey, sie haben einen Töggelikasten! Und einen Fernseher. Mit HD!
So titelte der «Blick am Abend» am 30. November 2012 und vermittelte so das Bild einer hochansteckenden Menschengruppe. Wie aus dem Text hervorgeht, ist die Schlagzeile kreuzfalsch. Richtig wäre: 60 Prozent der HIV-positiven Asylbewerber aus der Subsahara-Region stecken sich in ihrem Herkunftsland mit dem Virus an. Der «Blick am Abend» entschuldigte sich darauf für den Fehler.
Diese Schlagzeile lässt keine Fragen offen, oder? Es geht um vorläufig aufgenommene Asylbewerber, die offenbar in ihr Heimatland gereist sind – obwohl sie von dort geflüchtet seien.
Vor der «Blick»-Gruppe hatte die deutsche «Bild»-Zeitung einen Solidaritätsaufruf mit dem selben Namen («wir helfen») gestartet.
— Kai Diekmann (@KaiDiekmann) August 28, 2015
Die grösste Boulevardzeitung Deutschlands musste sich in letzter Zeit wiederholt den Vorwurf anhören, Hass gegen Flüchtlinge zu schüren. Der Bildblog hat Mitte August ein paar Schlagzeilen zusammengetragen.
«Bild» stellt die Situation so dar, als müssten sich die Sanitäter vor Asylbewerbern einer Unterbringung in Sachsen schützen. Wie sich herausstellte, hat das Rote Kreuz die Schutzwesten besorgt, damit die Sanitäter «bei Einsätzen mit alkoholisierten, drogenabhängigen oder geistig verwirrten Personen» besser geschützt sind – ganz unabhängig vom Einsatzort.
Ganz zu seinem Unmut musste der «Bild»-Leser erfahren, dass Flüchtlinge in Hamburg gratis Busfahren dürfen. Aus «Angst vor schlechter Presse», wie die Boulevard-Zeitung aus einem internen Dokument erfahren haben will.
Eine verzerrte Darstellung. Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) drückt bei allen Leuten, die wegen Sprachproblemen oder aus anderen guten Gründen versehentlich kein Ticket dabeihaben, ein Auge zu. «Egal ob Hamburger oder Flüchtling oder Tourist», sagt ein Sprecher zum Bildblog.
Ein Deutsch-Afghane wurde in Wiesbaden zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, weil er seine schwangere Ex-Freundin erstochen hatte. Nach 15 Jahren besteht eine Chance auf Haftentlassung, weil das Gericht keine «besonders schwere Schuld» sah. Der Täter habe sich «aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage» befunden. Das drehte die Bild-Zeitung zu einem «Islam-Strafrabatt». (rey)
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