Es bleibt dabei. Die Mitte verzichtet auf einen Angriff auf den FDP-Bundesratssitz. Für Parteipräsident Gerhard Pfister sind die Wahlergebnisse zwar ein klarer Auftrag, mittelfristig mit einem zweiten Sitz wieder mehr Regierungsverantwortung zu übernehmen. Am 13. Dezember werde die Mitte aber alle wieder antretenden Bundesräte wählen, versicherte Pfister am Freitagabend nach der Fraktionssitzung.
Spätestens seit dem Triumph am letzten Sonntag ist die Mitte im Hoch. Im Ständerat konnte die Partei ihre Macht stärken und liegt nun mit 15 Sitzen deutlich vor der FDP (11 Sitze). Und im Nationalrat hat sie sich an der FDP vorbeigeschoben und ist neu die drittstärkste Kraft.
Das beflügelt auch Mitte-Chef Pfister. In einem Interview mit der «NZZ» verkündet er zu Wochenbeginn das Ende des bürgerlichen Blocks. Schuld daran sei Christoph Blocher. Er habe diese «gesprengt», so Pfister. Aus der damals pragmatischen SVP, «der damaligen CVP nicht unähnlich», habe Blocher «eine der ersten rechten Protestbewegungen Europas» gemacht.
Anders sieht das freilich Blocher selber. In der «Weltwoche» kritisiert er diese Woche, die frühere Partei von «soliden Bürgerlichen» sei «nicht mehr zu erkennen». «Die Mitte distanziert sich zwanghaft vom Christentum, weil das nicht mehr ‹zeitgemäss› sei.»
In der Tat hat die Partei ihr C aus dem Namen gekippt. Im Rückblick erstaunt, wie geräuschlos die Neuerfindung über die Bühne ging. Pfisters Absicht: Die Politik der Mitte attraktiver machen für Neuwähler, junge Menschen und Frauen, die sich vom konfessionellen Anstrich abschrecken liessen. Der Wahlerfolg diesen Herbst gibt ihm recht.
Für seine Partei hat Pfister grosse Pläne. Die passive Rolle als Mehrheitsbeschafferin im Parlament genügt ihm nicht mehr. Die Mitte soll ihre Positionen selbst definieren und dafür Mehrheiten gewinnen. Pfister sieht einen fundamentalen Wandel in der Parteienlandschaft mit drei Polen: «Rechts die SVP und die FDP, links die SP und die Grünen, dazwischen ein Zentrum um die Mitte-Partei herum.»
In dieser Lesart ist der rechte Pol im Bundesrat übervertreten. Im Nationalrat kommen FDP und SVP gemeinsam noch auf 90 von 200 Sitzen. Im Ständerat sind es 17 von 46 Sitzen. In der «NZZ» rief Pfister genüsslich die Worte von FDP-Präsident Thierry Burkart in Erinnerung. Am Wahlsonntag hatte er die Zahl der Sitze in beiden Kammern als «die harte Währung für die Politik in diesem Land» bezeichnet.
In der Partei kommen Pfisters Aussagen nicht überall gut an. Für Bauernpräsident Markus Ritter stellt sich die Frage der Sitzverteilung unter den bürgerlichen Parteien im Bundesrat momentan nicht. «Wir Bürgerlichen brauchen einen guten Draht zueinander», sagt der St.Galler Nationalrat. Als Bauernpräsident habe er eine andere Aufgabe als Parteipräsident Pfister. «Mir geht es um die Zusammenarbeit und das Finden von Mehrheiten.»
Und da wäre auch noch die mächtige Mitte-Delegation im Ständerat. In der Vergangenheit verweigerte sie sich öfters Pfisters Gefolgschaft. Die eher konservativen Mitte-Ständeräte verstehen sich in erster Linie als Standesvertreter und denken weniger parteipolitisch.
Unterstützung erhält Pfister von der anderen Partei im Zentrum. GLP- Präsident Jürg Grossen sagt: «Das politische Zentrum ist klar untervertreten.» Es sei legitim, die neue Ausgangslage nun offen zu diskutieren. «Wahlen müssen Konsequenzen haben.»
Es ist das gleiche Mantra, das der Mitte-Chef seit dem Wahlsonntag herunterbetet. Doch anders als Pfister schliesst Grossen eine Abwahl amtierender Magistraten nicht aus.
In der Logik der drei Pole müssten sich die beiden Parteien ohnehin zusammenschliessen. Diese Idee bringt zumindest der frühere SP-Präsident Peter Bodenmann ins Spiel. In seiner Kolumne in der Weltwoche regt er diese Woche eine Fusion an. «Die CVP muss die Grünliberalen schlucken. Lieber morgen als übermorgen.» (aargauerzeitung.ch)