SVP-Nationalrat Andreas Glarner versucht sich als Energiepolitiker: Auf Twitter rechnete er am Sonntag vor, dass ein einziger Tesla auf 100 Kilometer «fünfmal mehr Energie als die Weihnachtsbeleuchtung ‹Lucy› an der Bahnhofstrasse während den ganzen 6 Wochen!» verbrauche.
Schluss mit der Symbolpolitik: Ein einziger @Tesla verbraucht auf 100 km 5x mehr Energie als die Weihnachtsbeleuchtung „Lucy“ an der Bahnhofstrasse während den ganzen 6 Wochen!
— Andreas Glarner (@andreas_glarner) September 4, 2022
Glarners Vergleich ist natürlich Unfug, wie zahlreiche Twitter-User umgehend bemerkten.
Die gut ein Kilometer lange Weihnachtsbeleuchtung Lucy an der Zürcher Bahnhofstrasse verbraucht laut Hersteller pro Saison, respektive in sechs Wochen, rund 1260 Kilowattstunden (kWh). Zum Vergleich: Angenommen ein Tesla verbraucht rund 18,5 kWh auf 100 Kilometer (abhängig vom Modell und Fahrprofil), käme das Elektroauto rund 7000 Kilometer weit.
Anders gesagt:
Glarner bezieht sich bei seiner Rechnung auf die Webseite der Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse. Dort steht zu Lucy: «3000 Watt durchschnittlicher Verbrauch elektrischer Leistung im Normalbetrieb pro Stunde».
Das Problem: Der Politiker hat anscheinend den Unterschied zwischen Leistung (Watt) und Energie (Kilowattstunde) nicht verstanden. Die Kilowattstunde ist eine Einheit für Energie. Sie ist abhängig von der Leistung (Watt) und der Zeit. Glücklicherweise springt die Twitter-Community ein und klärt umgehend auf:
Mal ohne Hetze erklärt, extra für Sie, @andreas_glarner:
— Tʀᴜᴇ Αıʀᴍᴀɴ (@mrcockpit) September 5, 2022
Die 3.000 Watt sind eine Leistungsangabe, die benötigt die Beleuchtung *zu jeder Zeit*. Erst multipliziert mit der Beleuchtungsdauer wird eine Energiemenge draus.
(el.) Energie = (el.) Leistung × Zeit
Gern geschehen 😁
Glarner hat seinen Tweet trotz der falschen Behauptung bislang nicht gelöscht.
Übrigens: Die 1260 kWh Strom für 42 Tage Weihnachtsbeleuchtung an der Bahnhofstrasse oder 7000 Kilometer mit dem Elektroauto verbraucht die Flutlichtanlage im Stadion Letzigrund während eines Fussballspiels. Zumindest mit der Aussage, dass das Abschalten von Lucy Symbolpolitik wäre, liegt Glarner also nicht komplett daneben (zur Einordnung: In der Schweiz hat ein typischer Zweipersonenhaushalt einen Stromverbrauch von 2000 bis 3000 kWh/Jahr.)
Eine Weihnachtsbeleuchtung fällt also nicht ins Gewicht, aber bekanntlich gibt es zig Tausende davon.
4) vielleicht braucht es eben diese Symbole um zu zeigen, das wir alle im selben Boot sitzen. Eine Weihnachtsbeleuchtung macht nicht viel aus, zig tauswende davon schon. Das gilt für alle Verbraucher pic.twitter.com/cbHCamTsAR
— Hans Fischer (@technikblog_ch) September 5, 2022
(oli)
Aber der Inhalt spielt bei Glarners Fans keine Rolle, Hauptsache herumpoltern.