Der Volksentscheid im Frühling 2021 war eine grosse Schlappe für Parlament, Bundesrat und die digitale Branche: Die Stimmbevölkerung lehnte damals mit deutlichen 64,4 Prozent das E-ID-Gesetz ab. Es war ein Mammutprojekt der Schweizer Digitalisierungsoffensive, an der der Bund, die Kantone und private Unternehmen mitwirken hätten sollen. Die Zweifel bezüglich Datenschutz und Umsetzung waren jedoch zu gross.
Wenige Wochen nach dem Scheitern berichtete watson, dass der Bundesrat zusammen mit dem Parlament nochmals über die Bücher will. Die Ankündigung klang vielversprechend: Schon 2022 wolle die Politik die elektronische Identität neu aufgleisen. Und tatsächlich: Die Vorzeichen stehen gut, dass es dieses Jahr zu einem neuen Versuch kommt. Der Ständerat entscheidet heute definitiv über das weitere Vorgehen.
Wir erklären in den folgenden drei Punkten, was genau bei der E-ID zur Debatte steht.
Der Ständerat entscheidet heute über gleich sechs Vorstösse, die eine «vertrauenswürdige staatliche E-ID» fordern. Die Anträge sind allesamt gleichlautend und stammen von Politikerinnen und Politiker aller Fraktionen – mit Ausnahme der Mitte-Partei.
Darin steht im Grund genommen eines: Der Bundesrat solle einen neuen Anlauf für eine elektronische Identität nehmen und dabei aus den Fehlern des gescheiterten Projekts lernen. Konkret wird gefordert, dass die E-ID staatlich angeboten wird und verschiedene Datenschutz-Aspekte berücksichtigt.
Bei den sechs Vorstössen handelt es sich um sogenannte Motionen: Sie sind Anträge an den Bundesrat, die er nach der Annahme durch National- und Ständerat umsetzen muss. In der Regel erarbeitet der Bundesrat nach dem «Ja» ein neues Gesetz oder eine Gesetzesänderung, über die dann nochmals im Parlament diskutiert werden muss.
Die Vorzeichen stehen gut, dass es mit der E-ID rasch vorwärtsgeht, sofern der Ständerat den Motionen heute zustimmt. Der Nationalrat gab bereits im Herbst 2021 grünes Licht dafür.
Für die Vorstösse spricht, dass sie auch vom Bundesrat unterstützt werden. Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) gab letztes Jahr bekannt, dass die Landesregierung unabhängig von den Motionen bereits an einem neuen E-ID-Gesetz arbeitet. So kam es 2021 bereits zu verschiedenen Treffen und Aussprachen mit der Wissenschaft, der Wirtschaft sowie den Kantonen.
Keller-Sutter sagte damals: «Im Vordergrund steht die Frage, welchen Nutzen und Mehrwert eine staatliche E-ID bringen soll und welche Anforderungen sie erfüllen muss. Dabei können und sollen sich auch kritische Stimmen und die Gegnerinnen und Gegner einer staatlichen E-ID-Lösung einbringen.»
Diese Stimmen wurden mittlerweile angehört. Ende 2021 traf der Bundesrat einen Richtungsentscheid, in dem er sich ziemlich genau für das aussprach, was die Motionen heute im Ständerat fordern:
Die Details werden bereits im kommenden Herbst kommen: Der Bundesrat kündigte an, für Mitte 2022 ein neues E-ID-Gesetz in die Vernehmlassung schicken zu wollen. Sprich: Sollte der Ständerat heute «Ja» sagen, dürfte die Umsetzung bereits in wenigen Wochen folgen.
Unter der E-ID wird ein elektronischer Identitätsnachweis verstanden. Vereinfacht gesagt geht es darum, das Konzept einer «Identitätskarte» oder eines «Reiseausweis» ins Internet zu kopieren. Dadurch soll es Bürgerinnen und Bürgern vereinfacht werden, sich im Internet eindeutig auszuweisen.
Die offensichtlichsten Vorteile betreffen den Umgang mit staatlichen Dienstleistungen: Mit einem E-ID-Log-in kann ein Betreibungs- oder Strafregisterausweis von zu Hause aus bestellt werden, ohne dass analoge Formen der Kommunikation (Postversand, Pass zeigen vor Ort) nötig werden.
Möglich werden aber auch private Anwendungen: So werden Banken und andere Firmen einfacher Verträge mit Kundinnen und Kunden unterschreiben können. Das ist teilweise mit Webcam-Lösungen heute schon möglich: So können heute bereits Bankkonten digital eröffnet werden, in dem Neukunden ihre Identitätskarte in einer Art «Videocall» zeigen müssen. Mit der E-ID soll dies aber vereinfacht und sicherer gemacht und von kleineren Firmen günstiger umgesetzt werden können: Denkbar ist etwa ein sicherer E-Mail-Dienst, bei dem eindeutig bestätigt werden kann, wem welche Adresse gehört.
Die Vorteile waren bislang in der politischen Debatte grösstenteils unbestritten. Streitpunkt war zuletzt jedoch die konkrete Umsetzung: 2021 lehnte die Stimmbevölkerung einen ersten Vorschlag für ein E-ID-Gesetz ab. Die Kritik richtete sich vorwiegend gegen die «Public-Private Partnership» für die digitale Identifizierung: Es sah eine Mischlösung von staatlichen und privaten Verantwortlichkeiten vor. Die Neuaufgleisung kommt einer Abkehr von dieser Lösung gleich: Künftig soll die E-ID nur vom Staat angeboten werden.
Ansonsten würde das Vertrauen in die E-ID untergraben, was mindestens so fatal ist wie ein Missbrauch derselben.
dafür braucht es jedoch keine mauscheleien und schon gar keine privatwirtschaftlichen gewinnler, wie banken oder versicherungen.