Das Volk hat im Frühling 2021 gesprochen und das E-ID-Gesetz mit 64,4 Prozent deutlich bachab geschickt. Es war ein Mammutprojekt der Schweizer Digitalisierungsoffensive, an der Bund, Kantone und private Unternehmen mitwirken hätten sollen. Die Zweifel bezüglich Datenschutz und Umsetzung waren jedoch zu gross.
An der Notwendigkeit einer solchen digitalen Identifikation zweifelten jedoch die wenigsten. In der Woche nach dem wuchtigen «Nein» wurden gleich sechs Vorstösse im Parlament eingereicht, die eine staatlichere und weniger privat-wirtschaftliche E-ID forderten. Das zuständige Justizministerium unter Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) nahm sich der Sache an und führte in den vergangenen Wochen Gespräche mit Organisationen aus der Zivilgesellschaft durch.
Heute fiel der erste Entscheid. Der Bundesrat wird im National- und Ständerat die Vorstösse zur Annahme empfehlen mit dem erklärten Ziel, rasch eine neue E-ID-Lösung präsentieren zu können. Die Regierung kündigt an, im Mai nächsten Jahres einen neuen Gesetzesentwurf der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Die interne Auslegeordnung in den letzten Wochen drehte sich watson-Informationen zufolge primär um die Zeitplanung: Wie lange soll gewartet werden, bis Gras über das Volks-«Nein» gewachsen ist? Fragen zur konkreten technischen Umsetzung waren bislang zweitrangig, weil diese Diskussionen bereits vor dem letzten E-ID-Anlauf geführt worden seien. Für die vertiefte Diskussion will nun das Departement von Bundesrätin Keller-Sutter mit dem Finanzministerium und der Bundeskanzlei ein Grobkonzept erarbeiten.
Dabei sollen auch die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich (ETH) und Lausanne (EPF) sowie die Kantone mitwirken, um jene wissenschaftlich-kritischen Stimmen zu berücksichtigen, die sich im vergangenen Abstimmungskampf skeptisch zeigten. Vom Bundesamt für Justiz heisst es deshalb auch, dass das Grobkonzept ergebnisoffen nun erarbeitet werde.
Im Fokus dürften aber die dezentralen und staatlichen Lösungen stehen, wie sie im Parlament nun gefordert werden. Eine solche wäre das Gegenteil von dem, über das die Bevölkerung im vergangenen Frühling abstimmte. Und sie ginge in dieselbe Richtung, wie es derzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird. Die Rede ist hier von der sogenannten «Self-Sovereign Identity», kurz SSI, auf Deutsch «Selbstbestimmte Identität».
Diese Technologie bietet den Vorteil, dass sie dezentral von allen Bürgerinnen und Bürgern selbst – etwa auf dem Handy in einer App oder per «Mobile ID» oder auf einer Chipkarte – gespeichert wird. Der Kryptographie-Experte Christopher Allen bezeichnet «die Unabhängigkeit des Nutzers von einem zentralen ID-Provider als das ‹Herzstück›» dieser Technologie.
Sie kommt auch der Technik nahe, die nun beim Covid-Zertifikat umgesetzt werden soll. Wegen fehlenden staatlichen Impfregistern und dem Gebot der dezentralen Datenspeicherung werden ab dem Sommer Geimpfte, Genesene und Getestete digital – vermutlich in Form eines QR-Codes – bestätigen können, dass sie der Pandemie weniger ausgesetzt sind als andere, um von Lockerungen profitieren zu können.
"Im Fokus dürften aber die dezentralen und staatlichen Lösungen stehen, wie sie im Parlament nun gefordert werden. Eine solche wäre das Gegenteil von dem, über das die Bevölkerung im vergangenen Frühling abstimmte"
Das hört sich fürs erste mal nicht so schlecht an. Mal sehen ob es unsere Räte und Kommissionen es diesmal schaffen