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CO2-Gesetz: Die nächsten Klimavorlagen kommen bald

Bundesraetin Simonetta Sommaruga gibt ein Interview vor einem Elektro-LKW in Winterthur am Freitag, 26. Februar 2021. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
Im Februar besichtigte Simonetta Sommaruga einen Elektro-Lastwagen in Winterthur. Genützt hat es nichts.Bild: keystone

Solarstrom und Gletscher-Initiative: Bald geht es wieder um Klimapolitik

Nach dem Nein zum CO2-Gesetz ist es fraglich, wie die Schweiz die Pariser Klimaziele erreichen will. Die nächsten Vorlagen kommen bald ins Parlament, aber einfacher wird es nicht.
15.06.2021, 08:38
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Simonetta Sommaruga ist eine Meisterin der Selbstkontrolle. Weniger nett formuliert könnte man sie als Kontrollfreak bezeichnen. Entsprechend gefasst kommentierte die SP-Bundesrätin am Sonntag die bitterste Niederlage ihrer politischen Karriere. Das Scheitern des CO2-Gesetzes in der Volksabstimmung stellt die gesamte Schweizer Klimapolitik in Frage.

Mit der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens hatte sich die Schweiz verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Dafür sei das revidierte CO2-Gesetz «von zentraler Bedeutung», hatte der Bundesrat noch im Januar bei der Vorstellung seiner Klimastrategie betont. Jetzt steht er vor einem Scherbenhaufen.

Die Schweiz müsste es nun eigentlich wie Donald Trump machen und aus dem Pariser Abkommen aussteigen. Das kommt für Sommaruga nicht in Frage, wie sie am Sonntag auf Nachfrage von watson betonte. Sie räumte aber ein, dass es «schwierig» werden dürfte, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Vor allem wenn das Volk nicht bereit ist, dafür zu bezahlen.

Eine Atempause wird es kaum geben, denn es gibt unmittelbaren Handlungsbedarf. Ausserdem kommen neue Vorlagen ins Parlament mit einem Bezug zur Klimapolitik. Einfacher wird es nach dem Fiasko vom Sonntag nicht. Ein Überblick:

CO2-Gesetz

Das bestehende CO2-Gesetz enthält Massnahmen, die bis Ende 2021 befristet sind. So können sich Unternehmen mit einem hohen CO2-Ausstoss von der heutigen Abgabe befreien, wenn sie die Emissionen von sich aus vermindern. Importeure von Benzin und Diesel sind verpflichtet, in Klimaprojekte wie Biogasanlagen zu investieren.

Simonetta Sommaruga will diese Massnahmen verlängern. Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen – ein Gegner der nun gescheiterten Vorlage – schlägt gemäss der NZZ als weitere Sofortmassnahme vor, den CO2-Zielwert für Neuwagen (heute 95 Gramm pro Kilometer) im Gleichschritt mit der EU stufenweise zu verschärfen.

Das macht an sich Sinn, da die Hersteller sich ohnehin an den EU-Vorgaben orientieren. Bei den Autoimporteuren aber dürfte sich die Begeisterung in Grenzen halten. Sie zahlen schon heute hohe Bussen (2019 waren es fast 80 Millionen Franken), weil die Schweizer Kundschaft mit Vorliebe SUVs und andere spritschluckende Fahrzeuge anschafft.

Energie

ZUR EIDGENOESSISCHEN ABSTIMMUNG VOM 21. MAI 2017 UEBER DAS ENERGIEGESETZ STELLEN WIR IHNEN ZUM THEMA SOLARENERGIE FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG – Solar modules are installed on a roof, picture ...
Der schleppende Ausbau der Photovoltaik soll beschleunigt werden.Bild: KEYSTONE

Noch vor den Sommerferien – also sehr bald – will UVEK-Chefin Sommaruga die Revision des Energiegesetzes zuhanden des Parlaments verabschieden, wahrscheinlich gekoppelt mit dem revidierten Stromversorgungsgesetz. Mehrere Teilnehmer der Vernehmlassung hatten dies gefordert, weil beide Vorlagen eng miteinander verknüpft sind.

Während bei letzterem die Öffnung des Strommarktes für alle Teilnehmer im Zentrum steht (heute dürfen nur Grossverbraucher ihren Anbieter frei wählen), geht es beim Energiegesetz um die Umsetzung der 2017 angenommenen Energiestrategie 2050. Vordringlich ist dabei eine massive Beschleunigung des bislang schleppenden Ausbaus der Photovoltaik.

Dieser Punkt ist im Grundsatz unbestritten. Schwieriger werden dürfte der Ausbau der Wasserkraft, er stösst auf Widerstand bei Landschaftsschützern. Die AKW-Lobby könnte versuchen, den Atomausstieg zu revidieren. Und selbst Gaskraftwerke dürften zum Thema werden, obwohl sie klimapolitisch reichlich quer in der Landschaft stehen.

Gletscher-Initiative

Balthasar Glaettli, GP-ZH, und Aline Trede, GP-BE, Mitte, posieren mit Mitgliedern der Gruenen und jungen Gruenen bei der Einrichung der Gletscherinitiative, am Mittwoch, 27. November 2019 auf dem Bun ...
Einreichung der Gletscher-Initiative im November 2019.Bild: KEYSTONE

Die 2019 eingereichte Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» verfolgt das gleiche Ziel wie der Bundesrat: Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2050 auf Netto Null sinken. Das geforderte Verbot fossiler Energieträger aber geht dem Bundesrat zu weit. Er will der Initiative einen direkten Gegenvorschlag gegenüberstellen.

Der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser, der die Gletscher-Initiative unterstützt, forderte am Sonntag eine rasche Behandlung im Parlament. Doch selbst wenn die Initiative oder der Gegenvorschlag in der Volksabstimmung durchkommt, liegt höchstens ein symbolischer Erfolg vor. Entscheidend wäre die Umsetzung des Verfassungsartikels.

Damit käme unweigerlich eine Neuauflage des gescheiterten CO2-Gesetzes ins Spiel. Im Gespräch ist nun eine Aufspaltung der laut Sommaruga «überladenen» Vorlage. Eine Flugticketabgabe wird jedoch kaum mehrheitsfähiger, wenn separat darüber abgestimmt wird. Was sich auf das Portemonnaie auswirkt, wird es auch in Zukunft schwer haben.

Die Konferenz der kantonalen Energiedirektoren propagiert eine Art Befreiungsschlag: ein umfassendes Lenkungssystem für sämtliche nichterneuerbaren Energieträger. Lenkungsabgaben «leiden» allerdings unter einem grundsätzlichen Problem: Selbst wenn sie zu 100 Prozent zurückerstattet werden, sehen viele nur die unmittelbaren Kosten.

Der Klimawandel sei «das existenzielle Problem der Menschheit», sagte US-Präsident Joe Biden am gleichen Tag, an dem die Schweiz von einem griffigen CO2-Gesetz nichts wissen wollte. Bei vielen Menschen, nicht nur bei uns, ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen.

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Jürg Grossen zum CO2-Nein
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249 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
15.06.2021 08:59registriert April 2016
Werde wiederum ein glasklares Ja einlegen.

Allerdings wird dies nichts bringen, wenn man sich die Nachwählerbefragungen vom Sonntag anschaut.

Meist genannte Antwort warum man das C02-Gesetz abgelehnt hat:
Fliegen und Benzin tanken würde etwas teurer.... (!)
Leider gerade auch von jungen Menschen.

Ähm ja... habt ihr gedacht, der Planet rettet sich von selbst, gratis und jegliche zusätzliche Anstrengung oder Änderung der Gewohnheiten?

Ich habs aufgegeben.
Wer nicht bereit ist für einen Langstreckenflug 120.- mehr zu bezahlen, der hats einfach nicht anders verdient.
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MarGo
15.06.2021 08:50registriert Juni 2015
Find ich gut, dass es gleich weitergeht. Bei mir ist die Resignation leider noch ziemlich stark, dass egal, was man bringt, die Mehrheit der Stimmbürger einzig und allein aufs eigene Portemonnaie schauen...
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Wandervogel
15.06.2021 08:56registriert Juni 2019
Mit der besseren Förderung von Solarenergie könnten wir schon so viel erreichen. Wir haben in der Schweiz den innovativsten und am weitesten entwickelten Photovoltaikmarkt der Welt! Und das Gute ist, eine PV-Anlage rentiert erst noch. Wenn praktisch auf jedem Dach eine solche Anlage steht, könnte man den ganzen CH-Verkehr auf Elektroautos umstellen und wir hätten schon ganz viele Emissionen weniger.
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