Der Atomstrom macht nur knapp 40 Prozent der gesamten Stromproduktion aus, der Rest wird aus Speichersee-, Laufwasserkrafterken und thermischen Kraftwerken (Verbrennungsanlagen) gespeist. Ein Stromengpass ist aber nicht zu befürchten. Im Sommer ist der Stromverbrauch tiefer als im Winter. Die Stauseen haben genügend Wasser gespeichert, um den Strombedarf zu decken. Auch ohne Atomkraftwerke weist die Schweiz einen Überschuss aus. Damit besteht kein Bedarf an zusätzlichem Importstrom.
Die Kernkraftwerke Leibstadt und Mühleberg sind planmässig abgeschaltet: In beiden AKWs ist die Jahresresvision im Gang. Das AKW Gösgen wurde in der Nacht auf Sonntag ausserplanmässig abgeschaltet, Beznau 1 ist seit März wegen Unregelmässigkeiten im Material des Reaktordruckbehälters abgeschaltet und Beznau 2 befindet sich seit Freitag in einer viermonatigen Revision.
Dass alle fünf Kernkraftwerke gleichzeitig vom Netz sind, war nicht geplant. Zwar werden die Jahresrevisionen von Leibstadt und Mühleberg mit Absicht auf die Sommermonate gelegt, da in dieser Zeit die Stromproduktion ihren Höchstwert erreicht, wie Andreas Schwander von der nationalen Netzgesellschaft swissgrid erklärt. Allerdings wird darauf geachtet, dass nie mehr als drei Kernkraftwerke gleichzeitig in Revision sind.
Schweiz probt #Atomausstieg: Infolge Störfällen und Revisionen ist derzeit kein #AKW am Netz. http://t.co/FMlWUK9qV1 pic.twitter.com/R8cda8ywTc
— Dom Dada (@domdada) 16. August 2015
"Beznau 1 darf nicht mehr ans Netz. Niemand kennt die wahren Risiken des ältesten #AKWs der Welt." sagt @bastiengirod pic.twitter.com/cERV9JnPJk
— Balthasar Glättli (@bglaettli) 17. August 2015
Am Sonntag machte der Tages-Anzeiger publik , dass die europäische Atomaufsichtsbehörde Wenra den Informationsbestand über den Reaktordruckbehälter bemängelt. Die Schweizer Aufsichtsbehörde Ensi beschwichtigt: Das Atomgesetz von 1959 sehe im konkreten Fall keine Pflicht zur Dokumentation vor.
Dennoch sind sich Atomstrom-Kritiker einig: Beznau 1, der Methusalem unter den Atomreaktoren, stellt wegen seines hohen Alters ein Sicherheitsrisiko dar. Als Beznau 1 ans Netz ging, lief in den USA gerade «Easy Rider» an, vier Tage später startete Apollo 11 zum ersten bemannten Flug auf den Mond. Die Hippie-Ära ist seit geraumer Zeit vorbei, Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, ist 2012 gestorben. Sebastian Hueber, Mediensprecher bei der Atomaufsichtsbehörde Ensi stellt klar: «Der Gesetzgeber hat klare Vorgaben geschaffen: Sobald ein Kernkraftwerk die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen nicht mehr erfüllt, wird es vom Netz genommen.»
Im vergangenen Jahr kam es insgesamt zu 38 meldepflichtigen Vorkommnissen, 37 davon werden von der Aufsichtsbehörde Ensi, die den Bericht erstellt, als Ereignisse ohne Bedeutung für Sicherheit eingestuft, ein Vorkommnis – eine Bohrung im Kernkraftwerk Leibstadt – wurde auf der Stufe 1 – Anomalie – klassiert.
2013 wurden 34 Vorkommnisse gemeldet, 2012 kein einziges und 2011 27. Frage an Herrn Hueber: Sind die Atomkraftwerke in der Schweiz unsicherer geworden? «Im Gegenteil: Durch laufend getätigte Nachrüstungen sind die Sicherheitsmargen seit der Inbetriebnahme der Kernkraftwerke vergrössert worden
Nach der Katastrophe von Fukushima war der Tenor von links bis rechts klar: Es ist höchste Zeit für eine Energiewende. Weg vom Atomstrom hin zu sauberer, nachhaltiger Energieproduktion. Mittlerweile ist Fukushima mehr als vier Jahre her, die anfängliche Euphorie scheint etwas verflogen. Der schrittweise Ausstieg aus der Atomenergie ist aber unbestritten. Nach dem Willen von Bundesrat und Parlament soll die Schweiz bis ins Jahr 2050 die Energiewende vollzogen haben.
Eine Laufzeitbeschränkung für alte Kernkraftwerke lehnte die vorberatende Komission des Ständerats vor kurzem ab. Mit der Laufzeitbeschränkung soll die Betriebsdauer für alte AKWs auf 60 Jahre reduziert werden. Beznau 1 müsste demnach 2029 vom Netz genommen werden, Beznau 2 2031. (wst)
Nachtrag: Das Atomkraftwerk Gösgen SO dürfte noch diese Woche wieder ans Netz gehen. Die Reparaturarbeiten haben bereits begonnen, die Leckstelle an einer Messleitung wurde lokalisiert. «Wir gehen davon aus, dass das schadhafte Teilstück ersetzt werden muss», sagte der AKW Gösgen-Sprecher Konstantin Bachmann am Montag der Nachrichtenagentur sda.
Wenn die Kantons- und Stadträte statt Anti-Auto lieber
Pro-Elektro/Wasserstoff wären auch schon viel geholfen