Mitte August produzierte die Schweiz für einige Tage keinen Atomstrom. Auch die drei Reaktoren im Aargau, also auch die Kraftwerke Beznau und Leibstadt, standen damals still. Leibstadt ist inzwischen wieder am Netz, Beznau produziert weiterhin keinen Strom, weil die Reaktor-Druckbehälter auf Schwachstellen untersucht werden müssen. Längerfristig ist klar: Irgendwann müssen die heutigen Kernkraftwerke ersetzt werden. Dies wird auch im atomfreundlichen Aargau grundsätzlich nicht bestritten. So sagte der zuständige Regierungsrat Stephan Attiger (FDP) am Dienstag im Grossen Rat: «Es ist schon aus wirtschaftlichen Gründen unrealistisch, dass neue AKW gebaut werden.»
Wie der Atomstrom ersetzt werden soll, ist aber umstritten. In der kantonalen Energiestrategie ist das Ziel aufgeführt, dies müsse möglichst CO2-neutral geschehen – also nicht mit klimaschädlichen Gas-, Öl- oder Kohlekraftwerken. Bereits im Juni reichten die Grünen eine Motion ein, um dies im Energiegesetz zu verankern. Grossrat Andreas Fischer verlangte darin eine Passage, die besagt, dass Betriebsbewilligungen für neue Grosskraftwerke im Aargau nur dann erteilt werden dürften, wenn die Anlagen CO2-neutral sind.
Am Dienstag wurde der Vorstoss im Kantonsparlament behandelt, dabei warb Fischer für eine Überweisung. «Die Bevölkerung will die Energiewende, es wäre falsch, jetzt zurückzukrebsen, wenn es konkret wird», sagte der Grünen-Grossrat. Unterstützung kam von der SP: Martin Brügger sagte, die Forderung der Grünen stehe praktisch wörtlich in der Energiestrategie. Da sei es nur konsequent, dies künftig auch im Gesetz zu verankern.
Urs Plüss (EVP) erklärte, seine Partei sei für eine CO2-neutrale Stromproduktion – diesen Grundsatz in der Energiestrategie festzuhalten, sei richtig. «Wenn man es ins Gesetz schreibt, hat man aber noch keine Tonne CO2 gespart», gab er zu bedenken. Auch die GLP ist mit der grundsätzlichen Forderung einverstanden. Sandra Lehmann findet aber, mit den heutigen Bestimmungen sei schon klar, dass neue Kraftwerke CO2-neutral betrieben werden müssen.
Ähnlich argumentierte die FDP: Fraktionschef Bernhard Scholl wies auf den Unterschied zwischen Strategie und Gesetz hin. Die grundsätzliche Absicht, bei der Stromproduktion künftig möglichst wenig CO2 freizusetzen, unterstütze seine Partei. «Technologieverbote und ideologische Forderungen der Grünen lehnen wir hingegen ab», hielt Scholl fest.
Rolf Haller (EDU) warnte als Sprecher der gemeinsamen Fraktion mit der SVP davor, dass mit der Motion der Grünen eine sichere Energieversorgung gefährdet wäre. «Die Schweiz wird noch länger auf fossile Energieträger angewiesen sein», prophezeite Haller.
Regierungsrat Stephan Attiger hielt fest, in der Energiestrategie habe man bewusst hochgesteckte Ziele formuliert. Im Gesetz müssten hingegen tiefere Ziele festgeschrieben werden, die realistisch und erreichbar seien. «Um den im Winter benötigten Strom mit erneuerbaren Energieträgern zu produzieren, wären Tausende von Windrädern nötig», sagte er. Dies sei im Aargau nicht machbar, zudem gebe es derzeit noch grosse Problem bei der Stromspeicherung, gab Stephan Attiger zu bedenken. Er warb für ein Nein zur Motion – und der Grosse Rat folgte dem Energiedirektor schliesslich eindeutig: Der Vorstoss der Grünen wurde mit 94 zu 29 Stimmen abgelehnt.