Wäre die Anti-Atomkraftbewegung ein Mensch, so gehörte sie zu den Babyboomern. Seit mehr als 50 Jahren zanken sich Befürworter und Gegner über Sinn und Unsinn der Atomkraft. Mit der Annahme der Energiestrategie 2050 schien ihr Schicksal jedoch besiegelt – könnte man meinen. Doch die Atomenergie erlebt in Zeiten von drohenden Strommangellagen eine Renaissance.
So startete am Dienstag die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)». Hinter dem etwas kryptischen Titel versteckt sich der Versuch, das Atomverbot wieder aus der Verfassung zu streichen.
Die Initiative «Blackout stoppen» fordert eine «sichere, eigenständige und saubere Stromversorgung». Mit dem Begehren soll das AKW-Bauverbot rückgängig gemacht werden.
Konkret würden zwei Punkte in der Bundesverfassung geändert werden. Der Erste lautet wie folgt: «Die Stromversorgung muss jederzeit sichergestellt sein. Der Bund legt dafür die Verantwortlichkeiten fest.» Was genau das heissen soll, ist nicht abschliessend klar. «Das ist eine Auslegungssache», sagt Marc Bühlmann, Politikwissenschafter an der Universität Bern. «Das Parlament würde im Fall einer Annahme die Umsetzung definieren.»
Gegenüber der «SonntagsZeitung» sagte SVP-Nationalrat und Mitinitiant Christian Imark: «Wir sehen, dass der freie Markt und die Stromkonzerne zwar den Betrieb bestehender Werke gewährleisten, aber nicht die Verantwortung für die Versorgungssicherheit tragen können». Das Initiativkomitee ist deswegen überzeugt, dass der Bund in der Lage sein sollte, Kernkraftwerke in Eigenregie bauen zu können.
Dafür müsste jedoch erst das AKW-Verbot gekippt werden. Dafür will die Initiative Folgendes in der Verfassung verankern: «Die Stromproduktion hat umwelt- und klimaschonend zu erfolgen. Alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung sind zulässig.»
Die Formulierung sei ein kluger Schachzug, findet Bühlmann. Sie sei Teil eines politischen Framings. «Man zeigt es den Leuten bereits im Initiativtext auf: Atomstrom ist in Anführungszeichen klimaneutral, grün und umweltschonend. Zumindest auf den ersten Blick.»
Vanessa Meury, Präsidentin des Initiativkomitees, sagte gegenüber der «SonntagsZeitung», AKWs seien unerlässlich für die Versorgungssicherheit. Sie schonten Klima und Umwelt. Bei einem Ja müsste das AKW-Bauverbot im Kernenergiegesetz gestrichen werden. «Die Initiative hat das Ziel, das Technologieverbot zu kippen.»
Die Schweiz wolle «die umwelt- und klimafreundliche Kombination von Wasserkraft und Kernkraft ohne Not aufgeben», heisst es auf der Internetseite des Initiativkomitees. Dass im Rahmen der Energiewende nun Gaskraftwerke gebaut werden sollen, um bei Stromlücken auszuhelfen, «ist vor dem Hintergrund des Klimawandels absurd».
FDP-Nationalrat Marcel Dobler bläst ins gleiche Horn: Neue AKW seien eine Möglichkeit, um den künftigen Strombedarf mit einheimischem und klimaneutralem Strom zu decken.
„Blackout stoppen“ - Gemeinsam lancieren wir eine Volksinitiative für die Stromversorgungssicherheit. Technologieneutralität ohne Denkverbote, umweltschonender Strom und klare Verantwortlichkeiten bei der Stromsicherheit brauchen wir in der Zukunft! pic.twitter.com/UuCS7r378I
— Marcel Dobler (@Marcel_Dobler) August 28, 2022
Die Ankündigung der Initiativ-Lancierung schreckte am Sonntag bereits zahlreiche Gegnerinnen auf. Dabei meldete sich auch eine überparteiliche Allianz von Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu Wort. Sie sprachen von einer «unnötigen Zwängerei».
Angesichts des Potenzials der erneuerbaren Energie «braucht es keine neuen, nicht finanzierbaren Atomkraftwerke, die niemand bauen will», heisst es in einer Mitteilung der Allianz. Unterzeichnet wurde sie unter anderem von FDP-Ständerat Ruedi Noser, Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister sowie GLP-Nationalrat Jürg Grossen.
Von einer «schädlichen Nebelpetarde der Atomlobby» schreibt auch Aeesuisse, die Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Denn nach langem Zögern sei die Politik nun grossmehrheitlich daran, die Rahmenbedingungen für den dringend nötigen Ausbau der erneuerbaren Energien zu verbessern.
Innert nützlicher Frist könnte gar kein AKW gebaut werden, wenn es sich denn überhaupt finanzieren liesse. Demgegenüber würden aber täglich erneuerbare Kraftwerke ans Stromnetz angeschlossen, welche Energie liefern und damit einen konkreten Beitrag an die Versorgungssicherheit leisten, schreibt Aeesuisse.
Zwängerei oder nicht: Die Initiative komme zu einem für sie äusserst günstigen Zeitpunkt, findet Marc Bühlmann von der Universität Bern. «Politik lebt von Kontext. Es ist natürlich von Vorteil, wenn die Gesellschaft bereits über ein Thema spricht, das nun aufs politische Parkett tritt.»
Wobei man bedenken müsse, dass die Idee nicht neu sei. «Die Atomlobby versucht bereits seit der Abstimmung zur Energiestrategie 2050 das AKW-Verbot wieder zu kippen», sagt Bühlmann. Trotzdem: «Sie haben einen Moment gewählt, der ihnen ein Maximum an Aufmerksamkeit generiert. Das war taktisch schlau.» Wäre Energiemangel gerade nicht ein so grosses Thema, käme die Atomkraft etwas altbacken daher.
Wie hoch die Chancen der Initiative seien, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, findet Bühlmann. Bis die Vorlage vors Volk kommt, könnten noch Jahre vergehen.
Erste Anhaltspunkte gibt es jedoch bereits. Gemäss einer neuen Umfrage des Instituts Leewas im Auftrag von Tamedia sprechen sich nur 39 Prozent der Befragten dafür aus, neue AKW zu bauen.
Dabei ist die Kluft zwischen links und rechts gross. Bei den Grünen und der SP sind nur sieben beziehungsweise elf Prozent für den Bau neuer AKW. Bei der FDP und der SVP sind es 56 und 73 Prozent. Die Mitte dürfte das Zünglein an der Waage spielen. Momentan sprechen sich jedoch nur 30 Prozent der Mitte-Wählenden für neue AKW aus.
Das könnte sich aber noch ändern, sagt Bühlmann. «Wenn man mich vor sechs Monaten gefragt hätte, dann hätte ich gesagt, die Initiative hätte keine Chance.» Nun sei die Situation jedoch bereits anders. Die Erfolgschancen der Vorlage stehe und falle mit der Entwicklung der nächsten Monate. «Werden wir diesen Winter schadlos überstehen, wird die Atomenergie einen noch schwierigeren Stand haben.» Komme es jedoch zu Stromausfällen, dürfte dies der Initiative weiteren Aufschwung verleihen.
- AKW sind finanziell nicht lohnenswert.
- Die Planung und der Bau dauern mind 10-15 Jahre
- AKW sind vom spaltbaren Material aus Russland und Kasachstan abhängig.
- AKW benötigen. Wasser für die Kühlung die imemr mehr Mangelware wird
- AKW können zum jetzigen Zeitpunkt, wie vor 60 Jahren, nicht korrekt entsorgt werden.
Alle Inspektionen, Der Bau und die Lagerung des Abfalls plus den Rückbau und die Beschaffung des Brennstoff!
Das werden die Geier schnell das Interesse verlieren weil nicht mehr Konkurenzfähig!