Die Schweiz soll mehr Strom aus erneuerbaren Energien produzieren und ihre Stromversorgung sichern können. «Wir brauchen viel mehr Strom», begründet Energieminister Albert Rösti die Ja-Empfehlung von Bundesrat und Parlament am 9. Juni zum Energie-Mantelerlass.
Der Ausbau der Stromproduktion sei Hauptziel der Vorlage für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, sagte Rösti am Montag in Bern vor den Medien. In den vergangenen zwei Jahren sei es zu noch nie dagewesenen Verwerfungen auf den Energiemärkten gekommen, und die Versorgungslage sei fragil. Und wegen der Dekarbonisierung steige der Strombedarf.
Verstärke die Schweiz ihre Stromproduktion, und sei sie weniger auf Importstrom angewiesen, stärke das ihre Unabhängigkeit und Souveränität. Und: «Ein reiches Land wie die Schweiz kann sich eine Strom-Mangellage nicht leisten», sagte Rösti. Die Schäden für Wirtschaft und Reputation wären enorm.
Kurz- und mittelfristig setzten Bundesrat und Parlament darum auf mehr Strom aus Wasserkraft, Biogas sowie Sonnen- und Windenergie, laut Rösti die verfügbaren und realistischen Quellen. Auf längere Sicht könnte dann auf andere Technologien gesetzt werden. Näher festlegen mochte sich Rösti aber nicht. Dafür sei es zu früh.
Die inländische Winterstrom-Produktion muss gemäss Vorlage bis 2040 gegenüber heute um mindestens 6 Terawattstunden (TWh) steigen, in erster Linie dank Speicherwasserkraftwerken sowie Windkraftwerken und grossen Solaranlagen in den Bergen. Diese dürfen nur in von den Kantonen bezeichneten geeigneten Gebieten erstellt werden.
Dabei müssen die Kantone Rücksicht nehmen auf die Natur und auf landwirtschaftliche Interessen. «Es wird keine ausufernde Bebauung geben mit Anlagen, die die Landschaft zerstören», stellte Rösti klar und sprach von einem «sorgfältig austarierten Kompromiss» zwischen Schutz und Stromproduktion. Auch wenn der Strom Vorrang habe, blieben Abstimmungen und Einsprachen möglich.
Für die Wasserkraft sind in der Vorlage 16 Projekte aufgeführt, die von erleichterten Planungsbedingungen profitieren. Drei Projekte sind nach Angaben des Bundes Neubauten, die übrigen 13 Erneuerungen bestehender Anlagen. Mitsprachemöglichkeiten gibt es weiterhin im Zusammenhang mit der Konzessionierung der Anlagen.
Solarzellen im Tal bleiben trotz dieser Grossanlagen nicht aussen vor. Das Bundesamt für Energie schätzt, dass auf Dächern, Fassaden und Infrastrukturbauten bis 2035 rund 25 TWh Solarstrom produziert werden können, davon rund 30 Prozent im Winter.
Vergütungen sollen Anreiz bieten für Photovoltaik-Anlagen. Eine generelle Solarpflicht für Gebäude lehnte das Parlament allerdings ab. Panels sind lediglich für Neubauten Pflicht, die 300 oder mehr Quadratmeter dafür nutzbare Flächen aufweisen. Auch für Parkplätze wollte das Parlament keine Solarpflicht vorschreiben.
Die Vorlage will neben dem Ausbau der Produktion die Energieeffizienz steigern. Bis 2035 soll der Stromverbrauch um 2 Terawattstunden zurückgehen. «Jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird, muss nicht produziert, transportiert und gespeichert werden», sagte Rösti dazu.
In der Pflicht sind jene 400 Stromlieferanten, die zusammen über 90 Prozent des Verbrauches abdecken. Sie müssen pro Jahr einen gewissen Prozentsatz ihres Absatzes einsparen – konkrete Angaben macht jeweils der Bundesrat. Sie können ihre Endverbraucher beispielsweise beim Anschaffen von Strom sparenden Anlagen und Geräten beraten.
Auch dynamische Stromtarife können die Lieferanten anbieten. Sie sollen für Konsumentinnen und Konsumenten ein Anreiz sein, die Autobatterie dann aufzuladen oder den Geschirrspüler dann laufen zu lassen, wenn das Stromnetz weniger beansprucht wird. Das soll es möglich machen, die Stromnetze weniger stark auszubauen.
Bekämpft wird das vom Parlament mit klarem Mehr verabschiedete Gesetz von einem durch die Fondation Franz Weber angeführten Komitee. Der Energie-Mantelerlass stelle grundlegende Prinzipien des Natur- und Landschaftsschutzes in Frage, macht das Komitee geltend. Es sei absurd, die Natur dem Klima zu opfern. (sda)