
Ein häufiges Bild in der Schweiz: Nur teilweise mit Solarzellen bestücktes Turnhallendach in Allschwil (BL).Bild: ADEV, Liestal
Um die Energiewende zu schaffen, will der Bundesrat die erneuerbare Stromproduktion ausbauen. Für Branchenverbände genügen die vorgesehenen Instrumente jedoch nicht.
Ansichten ändern manchmal schnell. Das zeigt sich beim Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, das Bundesrätin Simonetta Sommaruga am letzten Freitag vorgelegt hatte. Darin wurden zwei ursprünglich getrennte Vorlagen zusammengefügt, die Revision des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes.
In der Vernehmlassung wurde diese an sich sinnvolle Paketlösung von diversen Teilnehmern gefordert. Dann kam das Waterloo des CO2-Gesetzes am vorletzten Wochenende. Es sei «möglicherweise überladen» gewesen, meinte Sommaruga. Am letzten Freitag räumte die Energieministerin vor den Medien ein, auch die neue Vorlage sei «sehr umfangreich».
Indirekt signalisierte sie dem Parlament, dass sie über eine erneute Aufspaltung nicht unglücklich wäre. Umstritten ist vor allem die vollständige Öffnung des Strommarktes, die von SP und Grünen als «inakzeptabel» bekämpft wird. Doch selbst die Förderung der erneuerbaren Stromproduktion stösst auf Kritik. Dabei ist der Handlungsbedarf enorm.
Genügend Mittel für Ausbau
Man müsse die inländische Produktion «fünfmal schneller» ausbauen als bisher, sagte Swisspower-CEO Ronny Kaufmann im Interview. Möglich ist das fast nur mit der Photovoltaik. Wasser, Wind, AKW oder Gas sind mit Hindernissen aller Art konfrontiert. Und auf Importe kann sich die Schweiz ohne Stromabkommen mit der EU nicht verlassen.
Werner Luginbühl, Präsident der Elektrizitätskommission ElCom, betonte im Interview mit watson, «dass wir diesen Ausbau brauchen und auch genügend Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, damit er massiv schneller als bisher erfolgen kann». Denn das heutige Schneckentempo bei der Solarenergie ist auch eine Folge des Fördersystems.
Nur für Eigenverbrauch
Die Ende 2022 auslaufende Einspeisevergütung und die Folgelösung mit einmaligen Investitionsbeiträgen lohnen sich nur für den Eigenverbrauch. Dies führt zu der absurden Situation, dass man in der Schweiz häufig grosse Dachflächen von Turnhallen, Ställen oder Gewerbebetrieben sieht, die nur teilweise mit Solarzellen bedeckt sind.

Der Photovoltaik-Park in Gaarz erzeugt Strom für die Deutsche Bahn. Bei uns sind solche Anlagen kaum realisierbar.Bild: keystone
Das neue Energiegesetz will deshalb grosse Photovoltaikanlagen mittels Auktionen fördern. Der günstigste Anbieter erhielte den Zuschlag. Solche Anlagen sind jedoch den Launen des Strompreises ausgesetzt, weshalb die Schweizerische Energiestiftung (SES) zur Absicherung «das in vielen Ländern bewährte Instrument der gleitenden Marktprämie» propagiert.
Auktionen machen «keinen Sinn»
Sie würde Preisschwankungen, die beim Solarstrom zwangsläufig anfallen, «glätten» und auf einen garantierten Mindestpreis hinauslaufen. Ähnliches fordert der Verband unabhängiger Energieerzeuger (VESE), eine Fachgruppe der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie (SSES). Allerdings stellt sie das Auktionssystem grundsätzlich in Frage.
«Es macht in der Schweiz keinen Sinn», sagt VESE-Präsident Walter Sachs im Gespräch mit watson. In Deutschland kenne man Auktionen schon lange, doch dort gebe es Platz für grosse Freiflächenanlagen, sagt Sachs, der selber aus Süddeutschland stammt. Bei uns sind solche Einrichtungen jedoch aus verschiedenen Gründen kaum realisierbar.
Minimaler Rückliefertarif
In der Schweiz können Solaranlagen praktisch nur auf Dächern, an Fassaden oder bestehenden Infrastrukturen wie Autobahnen und Staumauern gebaut werden, und dafür seien Auktionen «nicht zielführend», meint Sachs. Er spricht sich für einen minimalen Rückliefertarif aus, der jährlich festgelegt wird und ähnlich wie die Marktprämie das Investitionsrisiko absichern soll.
Dieser Tarif könne etwa 8 Rp/kWh betragen, meint Walter Sachs. Das entspreche dem heutigen Endkundenpreis, und dieser werde in Zukunft nicht sinken. Eine realistische Annahme, denn die Schweiz wird durch den – trotz Nein zum CO2-Gesetz – angestrebten Ausstieg aus den fossilen Energieträgern nicht weniger, sondern mehr Elektrizität benötigen.
Nationalrat für einmalige Zuschüsse
Von solchen Preisgarantien ist im Entwurf des Energiegesetzes keine Rede. Es ist kein Wunder, dass die Solarlobby damit nicht richtig warm wird. Im Parlament wird dies zu reden geben. Erst letzte Woche beschloss der Nationalrat, im Sinne einer Übergangslösung weiter auf einmalige Zuschüsse für die erneuerbare Stromversorgung zu setzen.
Bis ein definitives Gesetz vorliegt, das womöglich eine Volksabstimmung überstehen muss, wird einige Zeit vergehen. Dabei hat die Schweiz eigentlich keine andere Wahl, als kräftig auf das Gaspedal zu drücken – vor allem beim Solarstrom.
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