Die Bernerinnen und Berner sind stolz auf ihren Fluss. Das Baden in der Aare – auf gut Schweizerdeutsch «Aareschwumm» – ist für die Hauptstadtbewohner eine echte Institution. Seit 2017 gehört es zu den lebendigen Traditionen der Schweiz. Das Prinzip ist simpel: hineinspringen und sich vom Strom bis zu einem der zahlreichen Ausstiege treiben lassen.
Diese Tradition sorgt regelmässig für Aufmerksamkeit – auch international. «Die Aare erhält dank ihrer besonderen Lage und Schönheit grosse Aufmerksamkeit – auch auf internationalen Social-Media-Kanälen. Zahlreiche Akteurinnen, Medien, Influencer und Organisationen berichten in Beiträgen, Erfahrungsberichten oder Blogs über dieses Erlebnis», sagt Manuela Angst, CEO von Bern Welcome. Manchmal wird dabei allerdings etwas überzeichnet.
So auch CNN, das Anfang Woche dem Aareschwumm einen Beitrag widmete. Der gewählte Ansatz überrascht: «In der Schweiz haben Pendler eine neue Art entdeckt, zur Arbeit zu kommen», heisst es beim US-Sender. Und weiter:
Bilder aus den sozialen Medien – angeblich Pendler, die im Wasser zur Arbeit treiben – laufen zur Untermalung über den Bildschirm. Neu ist das nicht: Solche Clips fluten Instagram und TikTok. Dort wird die Praxis staunend und oft mit einer ordentlichen Portion Ironie gezeigt – genau diese Ebene fehlt im CNN-Beitrag. Und ohnehin gelten für User und Influencer nicht dieselben Sorgfaltsmassstäbe wie für etablierte Medien.
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«Das ist doch Quatsch», winkt Michele ab, selbst ein begeisterter Aareschwimmer. «Ich kenne niemanden, der über den Fluss zur Arbeit pendelt», sagt der Berner um die 30. Dann nennt er die logistischen Hürden: «Angenommen, Wohnort und Arbeitsplatz liegen ideal. Wie kommst du zurück – gegen die Strömung schwimmen? Unmöglich.»
Auf Anfrage teilt der Informationsdienst der Stadt Bern mit: «Die Stadt führt keine entsprechende Statistik dazu. Gemäss unserer Einschätzung handelt es sich aber nicht um ein Massenphänomen.»
Ähnlich tönt es bei der Tourismusorganisation, die ebenfalls keine Zahlen hat. «Wir gehen davon aus, dass nur wenige Bernerinnen und Berner regelmässig ihren Arbeitsweg schwimmend zurücklegen», sagt Manuela Angst von Bern Welcome.
Genau darin liegt das Hauptproblem der Reportage: Sie erweckt den Eindruck, es handle sich um eine weit verbreitete Praxis (es ist von «den Leuten» oder «den Schweizern» die Rede – ohne jede Differenzierung). Ironischerweise preisen die beiden Interviewten zwar mehrfach die Vorzüge des Aareschwumms, sagen aber kein einziges Mal, dass sie so pendeln.
Natürlich sieht es nach Feierabend ganz anders aus. «Sehr viele Leute strömen dann zur Aare – ich vorneweg», sagt Michele. «Einige gehen sogar über Mittag hin, aber nicht um nachhause zu gehen», betont er. «Sehr weit verbreitet ist hingegen der ‹Aareschwumm› in der Mittagspause, am Feierabend und in der Freizeit», erinnert auch die Stadt.
«Die Aare erhält dank ihrer besonderen Lage und Schönheit grosse Aufmerksamkeit – auch auf internationalen Social-Media-Kanälen», fasst Manuela Angst zusammen. Sie ergänzt:
Auch Manuela Angst kritisiert, dass die Sicherheit in solchen Inhalten oft zu kurz kommt: «Häufig fehlt dabei jedoch der wichtige Sicherheitsaspekt. Unser Ziel ist es, Besucher:innen sowohl für die Schönheit als auch für die potenziellen Gefahren des Flusses zu sensibilisieren», fügt die Bern-Welcome-Chefin an. Eine eigene Kampagne namens «aareyousafe.ch» widmet sich genau diesem Thema.
Wie auch immer: Die von CNN heraufbeschworenen Flusspendler müssen ihr Badezeug bald versorgen – vom 22. September bis zum kommenden Frühling sind Baden und Böötlen in der Aare wegen Bauarbeiten nicht mehr möglich.
Mit dem ÖV?
Leider bin ich jetzt zu weit weg von der Aare für solche spontane Aktionen.
„gegen den Strom schwimmen“ muss man nicht, es gibt ÖV.