Schweiz
Energie

Bundesrat will Neubauverbot für AKW aus dem Gesetz kippen

Bundesrat will Neubauverbot für AKW aus dem Gesetz kippen

Der Bundesrat will das Neubauverbot für Atomkraftwerke kippen. Er schlägt vor, das Rahmenbewilligungsverbot für Kernkraftwerke im Gesetz ersatzlos zu streichen.
20.12.2024, 13:00
Mehr «Schweiz»

Am Freitag schickte die Landesregierung einen entsprechenden Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» in die Vernehmlassung. Die Initiative will in der Bundesverfassung unter anderem festhalten, dass alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung zulässig sind. Damit wäre auch der Bau von neuen AKW wieder möglich.

Der Bundesrat lehne die Volksinitiative ab, teilte er am Freitag mit. Das Hauptanliegen des Initiativkomitees soll nach dem Standpunkt des Bundesrats über eine Revision des Kernenergiegesetzes – und nicht über eine Revision der Bundesverfassung – erfüllt werden.

Konkret schlägt der Bundesrat vor, die beiden Bestimmungen zum Rahmenbewilligungsverbot für neue Kernkraftwerke und für Änderungen bestehender Kernkraftwerke aufzuheben. Die Vernehmlassung dauert bis zum 3. April 2025.

Ein Lastwagen der Schweizer Armee transportiert Notstrom Generatoren und Loeschmaterial in die Sicherheitszone des Atomkraftwerks Goesgen zu, waehrend der Gesamtnotfalluebung 2024, am Dienstag, 5. Nov ...
Das Atomkraftwerk in Gösgen.Bild: keystone

Priorität bleiben erneuerbare Energien

Ziel sei es, die schweizerische Energiepolitik unter Einbezug der Kernenergie technologieoffen auszugestalten, hiess es von der Regierung. Ein Ausbau der erneuerbaren Energien und die Nutzung der Effizienzpotenziale bei Gebäuden, Prozessen, Anlagen, Geräten und im Verkehr habe allerdings weiterhin erste Priorität. Die Aufhebung des Neubauverbots schaffe jedoch den Vorteil, dass die Schweiz künftig auf die Option Kernenergie zurückgreifen könne, falls die erneuerbare Produktion zur Deckung ihres Strombedarfs nicht ausreichen sollte.

Seit dem Volksentscheid zum Ausstieg aus der Kernenergie im Jahr 2017 hätten sich die Rahmenbedingungen in der Energieversorgung geändert, begründete der Bundesrat den Entscheid in der Vernehmlassung. Dies durch die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine, die gezeigt habe, dass die Abhängigkeit der Schweiz von Stromimporten im Winter ein Risiko darstelle.

Vier Kernkraftwerke in Betrieb

In der Schweiz sind derzeit vier Kernkraftwerke in Betrieb – drei im Kanton Aargau und eines im Kanton Solothurn: Die zwei Reaktoren Beznau stehen in Döttingen AG. Je einen Atommeiler gibt es in Leibstadt AG und in Däniken SO.

Die Schweizer Atomkraftwerke gehören zu 82 Prozent der öffentlichen Hand. Die älteste Anlage ist seit 1969 kommerziell in Beznau in Betrieb. Ein fünftes Kernkraftwerk in Mühleberg BE wurde 2019 nach 47 Jahren abgeschaltet. Anfang Dezember hatte der Strombetreiber Axpo die Abschaltung der Atomkraftwerke Beznau 1 und 2 auf 2033 und 2032 angekündigt.

Aktuell bestehen keine Projekte bezüglich Neubauten von konkreten Kernkraftwerken, wie der Bundesrat am Freitag betonte. Deshalb stellen sich zu diesem Zeitpunkt keine projektspezifischen Fragestellungen, wie diejenige der Finanzierung oder der Realisierungsdauer.

Die Energiebranche zeigte sich jüngst skeptisch gegenüber einem Bau neuer Atomkraftwerke. Die Stromkonzerne befürworten aber Technologieoffenheit.

«Sollte das Parlament die Aufhebung des Neubauverbots mit einer Anpassung des Kernenergiegesetzes wieder diskutieren wollen, würde die Axpo dies im Sinne der Technologieoffenheit begrüssen», sagt etwa der grösste Schweizer Energiekonzern der Nachrichtenagentur AWP im Dezember. «Je mehr Optionen wir für die Zukunft haben, desto mehr Handlungsspielraum für unsere Versorgungssicherheit», sagte auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE).

Die Frage eines Neubaus stellte sich für die Unternehmen aber zuletzt nicht. «Selbst eine Aufhebung des Neubauverbots bedeutet nicht, dass neue Kernkraftwerke zwangsläufig gebaut werden», hiess es von der Axpo. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wären die finanziellen, regulatorischen und politischen Risiken Stand heute demnach zu hoch.

Widerstand bereits angekündigt

Die Grünen haben einem möglichen Neubau von Atomkraftwerken in der Schweiz bereits Mitte August an ihrer Parteiversammlung den Kampf angesagt. «Atomkraft hat keine Zukunft, unsere Zukunft sind erneuerbare Energien», sagte Parteipräsidentin Lisa Mazzone. «Wir sind bereit für einen weiteren Abstimmungstermin, Herr Rösti, um neue AKW in der Schweiz zu bekämpfen», sagte sie. «Wir sind bereit für das Referendum. Und wir werden es gewinnen.»

Auch die Sozialdemokraten äusserten sich bereits gegen die Aufhebung. Diese Politik schütze weder die Bevölkerung noch die Umwelt und leiste auch keinen sicheren, erneuerbaren Beitrag zur Energieversorgung, hiess es von der SP am Freitag.

Die Aufhebung des Neubauverbots dürfte also vors Volk kommen. (dab/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
44 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Posersalami
20.12.2024 14:42registriert September 2016
"Bundesrat will Neubauverbot für AKW aus dem Gesetz kippen"

Wir sehen uns an der Urne.
4011
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sebastianus
20.12.2024 15:13registriert Dezember 2023
Der alte Schrott noch nicht entsorgt, schon soll neuer produziert werden. Baut endlich die Wasserkraft aus. Lässt nicht alle und jeden einsprache erheben, damit jahrelange Blockaden entstehen.
2510
Melden
Zum Kommentar
avatar
Rethinking
20.12.2024 16:52registriert Oktober 2018
Die Argumentation des Bundesrates strotzt nur so von Widersprüchen…

Die Aufhebung des Neubauverbots ist auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich, also dann wenn es wirklich nötig würde…

Die Aggressionen Russlands zeigen auf dass die AKWs von russischem Uran abhängig sind und dass AKWs im Falle eines Krieges eine erhebliche Gefahr für eine Verstrahlung riesiger Flächen in der Schweiz darstellen…
206
Melden
Zum Kommentar
44
    Jäger haben im letzten Jahr über 100 Wölfe geschossen

    Die Schweizer Jäger haben im Zeitraum vom 1. Februar 2024 bis Ende Januar 2025 rund 101 Wölfe legal erlegt. Weitere 6 starben durch Unfälle oder wegen natürlicher Todesursachen.

    Zur Story