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Energie

Das grosse Ringen um die Zukunft der Schweizer Wasserkraft

The Emosson dam in Finhaut-Emosson, in the canton of Valais, southwestern Switzerland, Thursday, August 15, 2019. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Der Emosson-Stausee im Wallis wurde ursprünglich gebaut, um die SBB mit Strom zu versorgen.Bild: KEYSTONE

Das grosse Ringen um die Zukunft der Schweizer Wasserkraft

Wasserkraft ist das Rückgrat der eidgenössischen Stromversorgung. Doch sie ist unter Druck: Die Linke will den Ausbau bremsen. Und Investitionen in heutige Anlagen sind aus mehreren Gründen gefährdet.
16.09.2020, 07:52
Lucien Fluri / ch media
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Sie galt als Gold aus den Schweizer Alpen: Die Wasserkraft. Doch derzeit ist ihr Glanz am Verblassen: Alternative Energien, im Ausland subventioniert und damit günstig, drängen in den Markt. Das Geschäft mit dem Alpenstrom, gerade aus Pumpspeicherwerken, schwächelt.

Nun kommen noch politische Unwägbarkeiten hinzu: Derzeit wird in Bern darum gerungen, welche Rolle die Wasserkraft künftig in der Stromversorgung spielen soll. Linke Kreise und Umweltverbände wollen einen weiteren Ausbau bremsen – anders als Bundesrätin Simonetta Sommaruga.

«Wenn man die letzten wertvollen Bäche nicht auch noch verbauen will, sollte man die Wasserkraft nicht ausbauen»
Patrick Hofstetter, Klima- und Energieexperte beim WWF

Die Energieministerin möchte die Wasserkraft bis 2050 zumindest leicht ausbauen, so sieht es die laufende Revision des Energiegesetzes vor. Doch dagegen sprechen sich nun SP, Grüne und Umweltverbände aus. Ökologische Bedenken treiben sie an.

«Wenn man die letzten wertvollen Bäche nicht auch noch verbauen will, sollte man die Wasserkraft nicht ausbauen», sagt Patrick Hofstetter, Klima- und Energieexperte beim WWF. Zwar seien Effizienzgewinne, Ausbauten und Erweiterungen möglich. Gleichzeitig aber müssen noch gesetzlich geforderte ökologische Sanierungen umgesetzt werden, die einen Teil davon wieder zunichte machen. Hofstetters Devise: «Maximal die bestehende Produktion zu halten ist realistisch.»

Es geht um die Frage, wer wie viel Geld erhält

Letztlich geht es um einen Verteilkampf und die Frage, welche Energieart gefördert wird. Zwar müsse man zur derzeitigen Wasserkraftproduktion Sorge tragen, sagt auch WWF-Mann Hofstetter. Sie nun auszubauen, wäre aus seiner Sicht aber «unverhältnismässig».

Der damit zu erzielende Produktionszuwachs sei nicht geeignet, um den Wegfall der Atomkraftwerke oder die Verbrauchszunahme durch Wärmepumpen und Elektroautos zu kompensieren. «Die Schweiz hat im Solar- und Effizienzbereich einen riesigen Nachholbedarf», sagt Hofstetter. Dort sei es sinnvoller und oft auch günstiger, neue Energie in grossem Mass zu gewinnen und einzusparen.

Weniger Wasserkraft, weniger Versorgungssicherheit?

Doch während die Linke den Ausbau bremsen will, fragt sich ein besorgter Beat Rieder, ob überhaupt die heutige Wasserkraftproduktion gehalten werden kann. Aus Sicht des Walliser CVP-Ständerates ist diese gefährdet – und damit die stabile Stromversorgung der Schweiz.

Denn zwischen 2030 und 2055 laufen in den Alpen viele Konzessionen von Wasserkraftwerken aus. Sie müssen erneuert werden. «Die Verhandlungen beginnen jetzt», sagt Rieder. Doch aufgrund der tiefen Strompreise hätten die Investoren keine Planungssicherheit. «Dies kann grosse Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit der Schweiz haben», warnt Rieder.

Er hat deshalb im Parlament eine Absicherung für Investitionen ins Spiel gebracht. Der Walliser sagt: Alleine die Konzessionserneuerungen machten 25000 Gigawattstunden aus. «Dies ist mehr, als das Ausbauziel 2050 für alle anderen erneuerbaren Energien zusammen.»

«Man sollte nicht die Karosserie des Autos polieren, sondern zuerst schauen, dass der Motor läuft»
Beat Rieder, CVP-Ständerat

Wenn die Schweiz die Energiewende schaffen wolle, «müssen wir also in erster Linie dafür sorgen, dass die auslaufenden Konzessionen für bestehende Wasserkraftwerke erneuert werden.» Rieder sieht es als grossen Fehler an, dass derzeit nur über den Ausbau der Erneuerbaren gesprochen wird. Vernachlässigt sieht er die Frage, wie die bestehende einheimische Wasserkraftproduktion gesichert werden kann.

«Man sollte nicht die Karosserie des Autos polieren, sondern zuerst schauen, dass der Motor läuft», verweist Rieder darauf, dass die Wasserkraft heute 60 Prozent des Stroms in der Schweiz liefert.

Zwar könnte man dem Walliser vorwerfen, sich vor allem auch für die Pfründe von Walliser Gemeinden einzusetzen, denn diese verdienen an Konzessionen und Wasserzinsen (noch) viel Geld. Rieder verweist aber darauf, dass das Winterhalbjahr vorwiegend mit Importstrom bestritten wird, der zukünftig nicht mehr gesichert sei.

Das Ausland dürfte ihn zunehmend selbst benötigen. Damit werde die Stromversorgungssicherheit der Schweiz in Frage gestellt. «Die Warnzeichen aus dem Ausland sind klar. Die Versorgung wird prekärer.» Ihm pflichtet die nationale Regulierungsbehörde Elcom bei, die vor einer Stromlücke im Winter warnt.

Sie fordert einen raschen Inland-Ausbau bei den Erneuerbaren, vor allem fürs Winterhalbjahr. Und da sorgen Pumpspeicherwerke für die Stabilität des Systems.

Elektrizitätsunternehmen staunen über linken Angriff

Umstritten ist zudem, welche Zuschüsse Wasserkraftwerke künftig vom Bund erhalten sollen. Bisher gab es auch für Grosswasserkraftwerke Beiträge bei Erneuerungen. Energieministerin Sommaruga aber will künftig nur noch den Neubau von Grosswasserkraftwerken unterstützen, dafür mit doppelt so viel Geld wie heute.

So könnten etwa Stauseen gebaut werden, wo sich Gletscher zurückziehen. Sowohl Rieder als auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen warnen allerdings, Erneuerungen nicht mehr zu finanzieren: «Bei ungenügender Rentabilität und fehlenden Mitteln werden keine echten Erneuerungen vorgenommen.» Statt Investitionen gebe es dann nur «Notreparaturen».

Beim Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen ist man erstaunt über den links-grünen Feldzug gegen die Wasserkraft. Man dürfe nicht einzelne Technologien gegeneinander ausspielen, heisst es. Denn man werde künftig für «jede Kilowattstunde» Strom dankbar sein, wenn man aus der Kernerenergie und den fossilen Energien aussteige.

Wasserkraft: Das Rückgrat der Schweizer Stromproduktion

Rund 36500 Gigawattstunden (GWh) Strom liefert die Schweizer Wasserkraft heute pro Jahr. Dies sind 60 Prozent der inländischen Produktion. Bis 2050 sollen es laut Plänen im Energiegesetz 38600 GwH sein.

Die Atomkraftwerke, die dereinst abgeschaltet werden sollen, liefern heute 25280 GWh (35 Prozent), die Erneuerbaren rund 4200 GWh, davon gehen 246 auf den Wind zurück, 2178 GWh auf Photovoltaik. Bis 2050 sollen es bei den Erneuerbaren (ohne Wasserkraft) 24 200 GWh werden. (cki/chmedia)

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52 Kommentare
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MacB
16.09.2020 08:06registriert Oktober 2015
Die Aussagen des WWF sind leider etwas gar blauäugig. Man kann schon gegen Wasserkraft sein, muss sich dann aber nicht wundern, wenn bei Spitzen Kohlestrom importiert werden muss.

Für mich ist Wasserkraft nach wie vor die intelligenteste Lösung für die Schweiz, abgesehen von der Solarförderung. Und ob eine Staumauer nun noch 30 Meter erhöht wird, stört nun echt niemanden.
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maylander
16.09.2020 08:42registriert September 2018
Solar- und Wasserkraft ergänzen sich.

Die Wasserkraft kann als einzige erneuerbare Energie sehr gut reguliert werden.

Man sollte zudem in der Nähe der Wasserkraftweke grosse Solarparks bauen.

Die Hochspannungsleitungen sind schon dort.
Das Wasserkraftwerk kann als Energiespeicher fürs Sokarkraftwerk dienen.
Die Sonneneinstrahlung ist in den Alpen doppelt so hoch wie im Mittelland.
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raues Endoplasmatisches Retikulum
16.09.2020 08:42registriert Juli 2017
Wäre spannend zu wissen, weshalb RotGrün nun gegen den Ausbau der Wasserkraft ist, das wird aus dem Artikel leider nicht ganz ersichtlich.
Oder wurden die einfach von den Umweltverbänden gekapert, weil das Landschaftsbild nicht weiter verändert und 500 sm alpines Hochmoor geschützt werden sollen?
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