Schweiz
Energie

Macron plant AKW nahe Schweizer Grenze: Frédérique Perler kämpft dagegen

Macron plant AKW nahe der Schweizer Grenze: Diese Schweizerin will das verhindern

Frankreich will, dass die EU den Atomstrom als «grüne Energiequelle» anerkennt. Das Land setzt voll auf AKWs.
22.12.2021, 07:11
Stefan Brändle, Paris / ch media
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FILE - This Friday, April 11, 2015 file photo shows a view of the Bugey nuclear plant in Saint-Vulbas, near Lyon, central France. France's nuclear safety authority gave its green light on Thursda ...
In Bugey steht schon ein altes AKW. Jetzt will Präsident Emmanuel Macron hier offenbar einen neuen Meiler hinbauen lassen.Bild: keystone

Ist Atomkraft grün? Die simple Frage spaltet ganz Europa. Die EU-Kommission hätte heute Mittwoch auf Druck von Paris eigentlich eine Antwort darauf geben sollen: Frankreich, der grösste Atomstromproduzent Europas, Weltnummer drei hinter den USA und China, will die Kernkraft wegen ihres geringen CO2-Ausstosses für «nachhaltig» erklären lassen.

Damit erhielte man von Seiten der EU-Umweltfonds eine finanzielle Unterstützung und vor allem das Siegel einer umweltfreundlichen Energiequelle. Weil man sich aber in Brüssel nicht einig ist, hat man die Beantwortung der brandheissen Frage auf Mitte Januar vertagt.

So lange will man in Paris aber nicht warten. Schon im November hat Präsident Emmanuel Macron den Bau von voraussichtlich sechs neuen nuklearen Druckwasserreaktoren bekanntgegeben. Nach den heute rund 40 Jahre alten Meilern, deren Laufzeit kürzlich um zehn Jahre verlängert worden ist, soll damit eine neue Generation von Atomkraftwerken entstehen.

Protest aus Genf ist angekündigt

Gegen das AKW: die Genfer Stadtpräsidentin Frédérique Perler.
Gegen das AKW: die Genfer Stadtpräsidentin Frédérique Perler.Bild: geneve.ch

Brisant aus Sicht der Schweiz: Mindestens einer der Reaktoren soll offenbar in Le Bugey unweit der Schweizer Grenze zu stehen kommen. Der Name ist für Westschweizer Ohren so geläufig wie «Fessenheim» für Basler. Der idyllische Ort 70 Kilometer westlich von Genf verfügt bereits über vier fast 50-jährige Reaktortürme. Die Romandie-Kantone verlangen seit langem deren Abschaltung. Doch statt weniger Reaktoren zu halten, soll der Standort jetzt sogar ausgebaut werden.

Ob der Druckwasserreaktor der neuesten Generation tatsächlich in Le Bugey zu stehen kommt, ist noch nicht ganz sicher. Klar aber ist: Die Strombetreiberin Electricité de France sucht in der Gegend bereits Landparzellen für die Erweiterung.

Die grüne Genfer Bürgermeisterin Frédérique Perler will bei der Regierung in Paris vorstellig werden, sobald der Entscheid gefallen ist. Doch wenn die französische Atombranche im Januar das EU-Ökosiegel ergattern sollte, dann hätten Schweizer Einsprachen gegen Le Bugey wohl noch weniger Chancen als heute.

Frankreich sucht in Europa nach nuklearen Verbündeten

Für Frankreich ist der Entscheid darüber, ob Atomstrom inskünftig «grün» ist, von grösster Bedeutung. Präsident Emmanuel Macron ist in den letzten Monaten durch halb Europa getourt, um Alliierte zu finden. Deren zehn, darunter Polen, Ungarn und Tschechien, haben sich öffentlich für die «dekarbonisierte nukleare Energie» ausgesprochen. Fünf Staaten, darunter Österreich, Italien und vor allem Deutschland, sind dagegen - Berlin noch vehementer, seitdem die Grünen an der Regierung beteiligt sind.

Eine klare Mehrheit der Franzosen aber wünscht heute den Ausbau der Atomenergie. Der Anteil der Atomkraftgegner hat in den letzten Jahren von 34 auf 15 Prozent abgenommen. Das passt den französischen Behörden, die «le nucléaire» seit den Zeiten von Charles de Gaulle als saubere Energie preisen. Der im Land verstreute AKW-Park mit insgesamt 56 Reaktoren gilt zudem - notabene im Kontrast zur deutschen Gaspipeline Nord Stream 2 - als Garantie der nationalen Unabhängigkeit.

Als Deutschland nach dem Fukushima-Unglück von 2011 von der Atomkraft Abschied nahm, gelobte Frankreichs Präsident François Hollande, er werde den Atomstromanteil von 75 auf 50 Prozent senken. Stillgelegt wurde aber nur das Elsässer AKW Fessenheim im Sommer 2020. Greenpeace rechnet vor, dass Frankreich noch zwölf weitere Reaktoren abbauen müsste, um den Atomstromanteil auf 50 Prozent zu senken, kehrt der Trend bereits wieder. (aargauerzeitung.ch)

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Grösste Atom-Unfälle der letzten 25 Jahre
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Grösste Atom-Unfälle der letzten 25 Jahre
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quelle: globalsecurity.org
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So sieht das AKW in Fukushima von innen aus
Video: srf
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109 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ökonometriker
22.12.2021 07:30registriert Januar 2017
Die Schweiz kann sich nicht von Stromimporten abhängig machen und dann klagen, wenn die Nachbarländer Kraftwerke bauen...
Zudem ist 70 Kilometer mehr als das doppelte des Radius', welcher bei einem Reaktorunfall evakuiert werden müsste. Ausserdem ist so ein Unfall bei einem neuen Kraftwerk extrem viel unwahrscheinlicher, als wenn man die 50-Jährigen Kraftwerke weiterbetreibt.
Die Schweiz sollte sich eher überlegen, gleich auch noch zu investieren und einen Reaktorblock für Exporte in die Schweiz daneben zu stellen. Die Franzosen bauen das Projekt schneller als es in der CH möglich wäre.
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montuno
22.12.2021 08:19registriert Februar 2020
Nun, wir bauten unsere ja auch nahe an der Grenze. Das dürfen die Franzosen auch tun.
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neoliberaler Raubtierkapitalist
22.12.2021 09:03registriert Februar 2018
Wir stellen die Dinger ab, aber kaufen den Strom aus Frankreich. Irgendwie ist das ganze surreal.
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