Wer wird das neue Aushängeschild der Jungsozialisten? Am Samstag übernimmt entweder die Aargauerin Mia Jenni (24) oder die Baselbieterin Ronja Jansen das Zepter von der Bernerin Tamara Funiciello (29).
Jansen brillierte als Juso-Sprachrohr mit zwei angriffigen Auftritten in der SRF-«Arena». Und hat sich so in die Pole-Position als Funiciello-Nachfolgerin katapultiert. Wortgewandt und trotzdem überlegt: Beim watson-Interviewtermin im Zürcher «Gerolds Garten» redet die Jungpolitikerin Klartext.
Ob BHs verbrennen oder Joints am Rednerpult rauchen: Als Juso-Chefin gehört Provokation zum Job. Wie ecken Sie an?
Ronja Jansen: Ich finde es sehr wichtig, dass die Juso weiterhin eine provokative Partei bleibt und radikale Forderungen stellt. Ich werde sicher nicht davor zurückschrecken, mit unkonventionellen Mitteln auf Probleme aufmerksam zu machen.
Die amtierende Juso-Präsidentin Tamara Funiciello hat die Provokation als Polit-Instrument auf die Spitze getrieben. Werden Sie ihren Stil weiterführen?
Das ist mein Plan. Ihr Stil hat die Juso in den letzten Jahren einen grossen Schritt weitergebracht. Wir haben uns zu einer viel feministischeren Partei entwickelt. Und es läuft gut: Im Vergleich zu anderen Jungparteien sind wir einflussreich und präsent.
«Jansen polarisiert nicht als Person, sondern mit ihren Meinungen und ist nie als Stinkstiefel aufgefallen», sagt ein Baselbieter GLP-Landrat über Sie. Sind sie zu brav für die Juso?
Natürlich stehen für mich meine Überzeugungen im Vordergrund. Aber ich habe in der Vergangenheit gezeigt, dass ich kein Blatt vor den Mund nehme und keine Angst habe, zu provozieren. Rechte Männer, mit denen ich zu tun habe, ärgern sich zumindest regelmässig.
Wegen ihres Stils und ihrer unverblümten Art ist Tamara Funiciello mit einer Welle von Hass konfrontiert worden. Fürchten Sie sich, selbst zur Zielscheibe von Hatern zu werden?
Natürlich mache ich mir solche Gedanken. Aber ich stehe zu meiner Meinung. Wenn alte Internet-Trolle etwas auszusetzen haben, sollen sie nur kommen. Ein Stück weit gehört dies leider zum Job.
Besonders als junge, aufstrebende Frau?
Wenn man als Jungpolitikerin aus der Rolle ausbricht, welche das alte Gesellschaftsbild vorgesehen hat, eckt das an. Es ist umso wichtiger, dass man es trotzdem macht. Zum Glück habe ich ein Netzwerk von Leuten, die mich unterstützen und tragen.
Sind sie schon direkt angefeindet worden?
Einen Vorgeschmack des Hasses habe ich bereits erlebt. «Du hast keine Ahnung, du hast noch nie gearbeitet»: Ab und zu kriege ich beleidigende E-Mails oder Anrufe.
Vereinzelt wurde mir auch Gewalt an den Hals gewünscht.
Sie kommen durchgestylt in Hotpants und T-Shirt zum Medientermin. Ihr Outfit entspricht nicht gerade dem alternativen Juso-Klischee.
Es geht in der Politik nicht um Äusserlichkeiten und das Outfit, sondern um Inhalte. Nach meiner Beobachtung sind es vor allem Frauen, die mit solchen Fragen konfrontiert werden.
Ein Blick auf Ihre Social-Media-Profile zeigt: Sie sind weder auf Instagram noch auf Twitter gross aktiv. Warum?
Die sozialen Medien sind sicher nicht meine Leidenschaft. Ich konsumiere mehr auf Social Media, statt selbst zu posten. Ich treffe Menschen lieber persönlich als im Netz. Aber als Juso-Präsidentin würde ich selbstverständlich aktiver werden auf den sozialen Medien.
Sie sind einer breiten Öffentlichkeit wegen Ihren zwei Auftritten in der SRF-«Arena» bekannt. Dort haben Sie alteingesessene Politiker attackiert. Teilen Sie gerne aus?
Mit Leuten zu debattieren macht mir einfach wahnsinnig Spass. Und auch auszuteilen. Das habe ich in der Juso gelernt, wo wir eine ausgeprägte Diskussionskultur haben. Es liegt mir sicher ein Stück weit auch im Blut. So kann ich sicher auch die Partei weiter vorwärtsbringen. Auf einen Auftritt in einer «Arena» bereite ich mich natürlich gut vor. Das gehört dazu.
Die Fetzen fliegen nicht nur in der «Arena», sondern auch innerhalb der Partei. Die Juso zofft sich wegen ihren Extrempositionen immer wieder mit der SP. Wie oft haben Sie sich schon mit Parteipräsident Christian Levrat angelegt?
Wichtig ist, dass wir als Juso sagen, wenn wir einen Entscheid der Genossen für falsch halten. Wie wir dies etwa beim STAF gemacht haben. Egal ob dies von Bundesrat Alain Berset oder von Levrat kommt. Diese Konflikte sind wichtig für die Entwicklung der Linken in der Schweiz. Die Juso denkt weiter als bis zu den nächsten Wahlen und spricht Probleme auf einer grundlegenderen Ebene an. Wir sind nicht in das Kompromiss-Mindset des Parlaments gezwängt.
Von einer möglichen Juso-Präsidentin Jansen sind also keine Kompromisse zu erwarten?
Nein. Ich setze mich für eine Juso ein, die klar hinsteht und sagt, was Sache ist.
Wo sehen Sie die grössten Konfliktpunkte mit der SP?
Sicher das Thema Altersvorsorge. Für uns ist eine Erhöhung des Rentenalters absolut inakzeptabel. Wir brauchen eine Volkspension und die Abschaffung der zweiten Säule (Pensionskassen) zu Gunsten der ersten Säule (AHV).
Radikal ist Ihre Haltung zur Wirtschaft. Sie wollen die «kapitalistische Gesellschaftsordnung» abschaffen. Haben Sie keine anderen Ideen?
Das ist keine Phrase. Gerade in Zeiten der Klima-Krise ist diese Stossrichtung elementar. Man kann die Klima-Katastrophe nicht aufhalten, solange jene Leute alleine über die Wirtschaft entscheiden, die von der Zerstörung der Umwelt profitieren. Von diesem Aspekt her gesehen ist die Abschaffung des Kapitalismus dringlicher denn je. Ich will ein Wirtschaftssystem, das sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet und nicht am Profit von einigen wenigen. Das ist eines meiner Kernanliegen, ebenso wie die Gleichstellung.
Sie haben beim Frauenstreik mit dem Megafon die Menge angeheizt. Das Thema ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Wie wollen Sie das Thema wieder aufs Tapet bringen?
Der Frauenstreik hat zu einer grossen Sensibilisierung für Frauenunterdrückung und Feminismus geführt. Wir müssen sicher dafür sorgen, dass weitere grosse Aktionen durchgeführt werden und die Strukturen des Frauenstreiks erhalten bleiben. Und uns die Frage stellen, welches Ziel wir uns für den Jahrestag, den 14. Juni 2020, setzen.
Der Frauenstreik ist von der Klima-Thematik verdrängt worden. Hier haben die Genossen ein grosses Problem: Alle reden beim Klima nur von den Grünen und der GLP. Wie wollen Sie es schaffen, dass hier die Juso/SP die Themenführung übernimmt?
(Überlegt lange). Die Rolle der Juso ist, aufzuzeigen, dass die Klimakatastrophe mega stark mit unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem verknüpft ist. Es reicht nicht, weniger Plastik zu verbrauchen, kein Fleisch zu essen oder nicht zu fliegen. Wir brauchen einen radikalen Systemwechsel. Aber klar, wir müssen beim Thema Ökologie sichtbarer werden.
Selbst für die Klimastreik-Bewegung hat der Systemwandel nicht oberste Priorität. Setzen Sie nicht auf das falsche Pferd?
Uns geht es nicht darum, auf welches Pferd wir setzen. Sondern was wir für richtig und wichtig halten. Die Forderung nach «System Change» ist übrigens sehr präsent in der Klimastreik-Bewegung.
Sind Sie selbst in der Klimastreik-Bewegung aktiv?
Bei der Organisation bin ich leider nicht beteiligt. Wenn immer möglich gehe ich an die Klimastreik-Demos. Das letzte Mal geflogen bin ich übrigens vor zwei Jahren.
Essen Sie Fleisch?
Ich bin nicht Vegi. Wir bei der Juso greifen niemanden an, wenn die Person Fleisch isst. Es können sich nicht nur Menschen für eine ökologische Wirtschaft engagieren, die selber wie «Heilige» leben. Das ist schlicht nicht möglich. Denn oftmals ist es keine persönliche Wahl. So sind viele Leute gezwungen, mit dem Auto zu pendeln.
Die Klima-Krise kann nur international bekämpft werden. Sind Sie für einen EU-Beitritt der Schweiz?
Ich persönlich bin gegen einen EU-Beitritt. Dies vor allem wegen den antidemokratische Strukturen, die sich kaum ändern lassen. Nichtsdestotrotz ist mir die internationale Vernetzung unglaublich wichtig. Ob Konzerndiktatur der Multis, Steuerwettbewerb, Klima-Krise oder Flüchtlingsströme: Die globalen Probleme lassen sich nur über die Landesgrenzen hinweg lösen. Dazu braucht es ein demokratischeres Europa.
Die Alternative zum EU-Beitritt ist das Rahmenabkommen. Soll der Bundesrat das Papier unterzeichnen?
Der absolute Lohnschutz ist meine rote Linie. Solange dieser in Gefahr ist, ist das Rahmenabkommen für mich nicht akzeptabel.
Apropos Arbeit: Sie studieren Wirtschaft, sind bei der GSoA im Sekretariat tätig. Nicht gerade ein Büezer-Leben. Was war der mühsamste Job, den Sie je gemacht haben?
Ich arbeitete im Service eines Altersheims. Wir hatten zwar ein cooles Team. Aber wir spürten den massiven Kostendruck in Altersheimen. Menschen, die in der Pflege tätig sind, sind einer enormen psychischen und physischen Belastung ausgesetzt.
Sie sind derzeit fast Tag und Nacht unterwegs. Was kommt in Ihrem Leben zu kurz?
Ich muss schon schauen, dass ich mir einen Ausgleich zur Politik schaffe. Ein spektakuläres Hobby habe ich aber nicht. Ich treffe gerne meine Freundinnen und Freunde, das brauche ich. Politik steht aber sicher im Zentrum meines Lebens, dafür brenne ich.
Welches sind Ihre politischen Feindbilder?
Roger Köppel geht mir im Moment wirklich auf den Sack.
Zum Schluss: Was hat Sie eigentlich in die Politik getrieben?
Ich habe schon am Familientisch politische Kämpfe ausgefochten. Politisiert haben mich die ausländerfeindlichen Kampagnen der SVP und die Ablehnung der Mindestlohn-Initiative.
..."aber erst morgen wenn ich das Wirtschaftsstudium abgeschlossen habe"... :-D
Genau mein Humor.