Die ostfranzösische Stadt Belfort ist derzeit täglich in den Schlagzeilen, weil gemutmasst wird, dorthin könnte der Badener Alstom-Sitz verlegt werden. Was für eine Stadt ist Belfort? Sie zählt rund 50'000 Einwohner, ist also etwa dreimal so gross wie Baden, und liegt zwischen der Schweiz und dem Elsass, rund 40 Autominuten vom Flughafen Basel-Mülhausen entfernt.
Obschon die Stadt einwohnermässig nicht zu den Hundert grössten des Landes zählt – genau genommen belegt sie in dieser Rangliste Platz 107 – hat sie nationale Bekanntheit erlangt: Im deutsch-französischen Krieg 1870 lieferte Belfort der preussischen Armee derart harten Widerstand, dass sie nach dem Friedensschluss nicht an das siegreiche Deutschland angegliedert wurde, sondern weiterhin zu Frankreich gehörte.
Das berühmte Wahrzeichen der Stadt, der rund zehn Meter hohe Löwe von Belfort, der über der Stadt thront, erinnert an den damaligen Widerstandswillen der Belforter.
Etwas mehr Widerstand wünschen sich im Alstom-Geburtsort nun viele Einwohner von ihrem neuen Bürgermeister, Damien Meslot, der das Amt seit Anfang April inne hat. Seine Gegner warfen ihm letzte Woche Passivität vor, wie «Le Monde» schreibt. Er sei ganz einfach vorsichtig, entgegnete Damien Meslot und erklärte weiter, General Electric dürfe man nicht als Feind betrachten.
Ein Redaktor der «TagesWoche» schrieb Anfang April bei einem Besuch in Belfort – noch vor den Wirren um den Übernahmepoker – die Stadt wirke «etwas verschlafen». Die Lebensqualität könnte im Kampf um die Arbeitsplätze möglicherweise eine Rolle spielen.
Denn Jürg Baumgartner, Mitglied im europäischen Alstom-Betriebsrat, sagte gegenüber der «SonntagsZeitung»: «In Belfort sind Lebensqualität und Löhne tiefer. Das Gros der Angestellten, darunter hoch qualifizierte Forscher, würden sich weigern», sagt er. «Denkbar ist, dass Führung und Verwaltung, also rund 100 Stellen, nach Frankreich abgezogen werden.» Dass sämtliche Aktivitäten verschoben würden, hält Jürg Baumgartner für kaum realisierbar.