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Bund verteilt 48 Milliarden Subventionen pro Jahr – dahin geht das Geld

Bundesraetin Karin Keller-Sutter mit einem Glas Wein, im Hintergrund die St. Galler Stadtpraesidentin Maria Pappa, bei der Eroeffnung der 80. OLMA Schweizer Messe fuer Landwirtschaft und Ernaehrung, a ...
Der Bund gibt fortan 9 Millionen Franken pro Jahr für die Vermarktung von Schweizer Weinen aus. Im Bild: Bundesrätin Karin Keller-Sutter an der OLMA, vielleicht mit einem Glas Schweizer Wein.Bild: keystone

Bund verteilt 48 Milliarden Subventionen pro Jahr – das geht an Wein, Pferde oder Schützen

Unterstützung für Schweizer Wein, für Sportpferde, das Schiesswesen: In nur zehn Jahren sind die Subventionszahlungen des Bundes um einen Drittel gestiegen. Gelingt es Finanzministerin Keller-Sutter, den Trend umzukehren?
05.05.2024, 16:5206.05.2024, 07:26
Francesco Benini / ch media
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Da ist zum Beispiel Wein aus Schweizer Produktion. Der Konsum sinkt. Die Weinproduzenten könnten sich nun darum bemühen, die Qualität ihrer Produkte zu steigern und neue Absatzkanäle zu erschliessen. Die Branchenorganisation Swiss Wine Promotion hatte aber eine andere Idee.

Der Bund solle mehr Geld an die Werbung und das Marketing der Schweizer Weine zahlen. Lobbyisten bearbeiteten Mitglieder der Wirtschaftskommission des Nationalrates. Die Kommission übernahm die Forderung. Der Bundesrat war gegen die Motion. Die Aufstockung des Marketingetats stehe in einem Missverhältnis zur Bedeutung der Weinbranche, fand die Regierung.

National- und Ständerat überwiesen den Vorstoss trotzdem. Fortan subventioniert der Bund die Vermarktung von Schweizer Weinen mit 9 Millionen Franken pro Jahr.

Der Betrag, den der Bund für Subventionen aufwendet, steigt beständig an. 2013 waren es 36 Milliarden Franken, 2023 lag die Summe bei 48 Milliarden. Subventionszahlungen machen 59 Prozent der gesamten Bundesausgaben aus.

Der Begriff «Subvention» ist weit gefasst: Gemeint sind alle Transferzahlungen des Bundes. Er entrichtet sie für Leistungen, die er nicht selber erbringt. Der Beitrag des Bundes an die AHV, 10 Milliarden, ist berücksichtigt. Die soziale Wohlfahrt macht fast die Hälfte der Bundessubventionen aus. Dahinter folgen Zahlungen für Bildung und Forschung, für den Verkehr, die Landwirtschaft und für die Beziehungen zum Ausland.

Subventionen haben negative Auswirkungen

Der Bund vergibt Geld an Branchen, Unternehmen und Organisationen, die zur Erreichung eines gesellschaftlichen oder politischen Ziels beitragen. Dabei sollte der Grundsatz gelten: Das Geld kommt von allen, also sollten möglichst viele Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz von den Subventionen profitieren. Es kann nicht das Ziel sein, Partikularinteressen zu unterstützen.

Trotzdem geschieht das. Der Bund will seinen Beitrag an die Zucht von Sportpferden streichen. Diese Rösser mögen schön sein – es ist aber schleierhaft, welchen Nutzen sie der Allgemeinheit bringen. Der Zuchtverband sieht das freilich anders. Er versucht nun, Bundesparlamentarier von der Beibehaltung der Subvention zu überzeugen.

Die Transferzahlungen sollen Positives bewirken, erreichen aber oft das Gegenteil. Warum? Es kommt zu Verzerrungen des Wettbewerbs. Das Unternehmen, das Geld vom Bund erhält, ist im Vorteil gegenüber einem Betrieb, der leer ausgeht.

Zweitens können Subventionen Innovationen hemmen. Eine Organisation, die sich auf Bundeszahlungen verlässt, steht unter geringerem Druck als eine, die das nicht tut. Was muss man unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – diese Frage ist in einem subventionierten Betrieb weniger dringlich als im freien Markt.

Das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern hat die Subventionen bewertet. Es nahm sich die Liste vor, die auf der Website der Eidgenössischen Finanzverwaltung zu finden ist. Dort findet man 241 Einträge. Die grossen Brocken sind darunter, wie die Direktzahlungen an die Landwirtschaft, die Einlage in den Bahninfrastruktur-Fonds, die Zahlungen an die ETH, die Leistungen an die Invalidenversicherung. Und kleinere wie die Filmförderung, die Getreidezulage, die Unterstützung von Schweiz Tourismus, die Beiträge an den Sport in der Schule sowie an das Schiesswesen.

Das Institut teilte die Subventionen in drei Kategorien ein und ordnete ihnen Farben zu: Rot sind tendenziell schädliche Zahlungen mit einem «wohlfahrtsminderndem Effekt». Gelb bedeutet, dass das Risiko der Wohlfahrtsminderung besteht. Grün heisst, dass die Subvention «wohlfahrtsmehrend wirken kann.»

Das Ampelsystem führte zum Schluss: 6,7 Milliarden Franken werden für Leistungen bezahlt, die zur roten Kategorie gehören. 14 Prozent der Subventionen würde man nach Ansicht des Instituts für Wirtschaftspolitik am besten streichen.

Die Analyse rief allerdings Widerspruch hervor. Denn völlig flach kamen in der Bewertung Subventionen für die Landwirtschaft, für den Klimaschutz und die Kultur – zum Beispiel die Filmförderung – heraus.

Bei Vergabe werden Vorschriften missachtet

Die üppigen Zahlungen an die Bauern wertet das Institut als Subvention, die der Wirtschaft schadet. Es gibt in der Schweiz jedoch einen politischen Konsens, dass eine grosse heimische Produktion von Nahrungsmitteln erwünscht ist – auch wenn sie die Bevölkerung teuer zu stehen kommt.

Ähnlich ist es bei der Filmförderung: Warum dieser Bereich mit 45 Millionen Franken stark bevorzugt wird im Vergleich zu anderen kulturellen Angeboten, können die Autoren der Studie nicht nachvollziehen. Wenn aber länger kein Schweizer Film in die Kinos kommt, der auf Resonanz stösst, erhebt sich im Land weit über die Feuilletons hinaus ein Lamento.

Einigkeit herrscht hingegen darüber, dass bei der Vergabe von Subventionen Regeln einzuhalten sind. Es gibt ein Subventionsgesetz, das zum Beispiel vorschreibt: Mitnahmeeffekte sind zu verhindern. Die Behörden, die über Zahlungen entscheiden, müssen abklären: Würden die Leistungen auch ohne finanzielle Beiträge erbracht?

Die Finanzkontrolle hat die Vergabe von Subventionen untersucht. Die Behörde kam zum Schluss: Es werden Leistungen bezahlt, die «der Subventionsempfänger mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne die gewährten Beiträge erbracht hätte».

Es gibt weitere Verfehlungen: Das Bundesamt für Landwirtschaft vergibt eine Subvention an eine Organisation, die in der Tierzucht tätig ist. Dieser Verband verfügt über ein Eigenkapital, das eine Jahresausgabe mehrfach übersteigt. Das Bundesamt müsste von den Tierzüchtern folglich eine höhere Eigenleistung verlangen. Das passiert aber nicht.

Manchmal wird das Ziel vor der Vergabe einer Subvention nicht klar definiert; manchmal wird nicht überprüft, ob das Ziel erreicht worden ist. Es liesse sich jedenfalls viel Geld einsparen, wenn die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten würden.

Weniger Mittel aufwenden – das ist das Ziel von Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP). Sie hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die nun alle Subventionen überprüft. Der Auftrag an das Gremium lautet, ein Sparpotenzial von vier Milliarden Franken zu finden. Rund acht Prozent der Transferzahlungen sollen also gestrichen werden. Keller-Sutter will damit das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt eliminieren.

Die Experten sollen auch die indirekten Subventionen anschauen. Dazu zählt zum Beispiel der reduzierte Satz der Mehrwertsteuer, der für die Hotellerie gilt. Dem Bund entgehen Einnahmen, weil für einige Produkte und Dienstleistungen nicht die normale Mehrwertsteuer von 8,1 Prozent erhoben wird.

Klar ist: Bei Subventionen Einsparungen vorzunehmen, ist schwierig. Subventionen sind wie der Haarausfall bei Männern. Setzt er einmal ein, bringt man ihn nicht mehr weg. Und er weitet sich tendenziell aus.

Parlament unter Druck von Lobbyisten

Die Subventionsbezüger finden immer einen Grund, warum eine Kürzung verheerende Folgen hätte. Sie vergleichen sich mit anderen Organisationen, die vom Staat ebenfalls Geld bekommen – und fragen: «Warum bekommen die mehr?» Sie richten Geschäftsstellen ein, die das Ziel verfolgen, den Fluss an Bundesgeldern nicht versiegen zu lassen.

Und sie verpflichten professionelle Lobbyisten, die bei Bundesparlamentariern vorsprechen. Über das Bundesbudget entscheidet nicht der Bundesrat, sondern das Parlament. Wenn Bundesrätin Keller-Sutter bald Anträge vorlegt, welche die Aufhebung oder die Reduktion von Subventionen fordern, ist damit zu rechnen: Das Parlament wird viele Kürzungsvorschläge zurückweisen.

Der Bund will beispielsweise die Subventionen für die Sportpferdezucht kürzen – das gibt Ärger:

Die Denkfabrik Avenir Suisse hat vor zwei Jahren in einer Studie folgenden Ausweg vorgeschlagen: Jede Subvention soll künftig ein Verfalldatum haben. Das nennt man Sunset-Klausel. Für die Weiterführung der Zahlung bräuchte es einen parlamentarischen Beschluss. Das ergibt natürlich nur Sinn, wenn Subventionen nicht summarisch aufs Neue durchgewinkt werden. Die Mitglieder des Parlaments müssten gute Gründe finden, warum eine finanzielle Unterstützung weiterhin gerechtfertigt ist.

Avenir Suisse schlug auch vor, dass das Parlament einer neuen Subvention nur noch dann zustimmen solle, wenn es gleichzeitig eine bestehende Transferzahlung einstelle. Es ist fraglich, ob sich die National- und Ständeräte zu einem solchen Automatismus verpflichten.

Gut wäre es, wenn im Parlament wenigstens die Erkenntnis reifte: Es schadet der Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft und eines ganzen Landes, wenn immer mehr Branchen und Organisationen Subventionen beziehen. Nicht nur der Bund leistet Unterstützungsbeiträge, die Kantone und Gemeinden tun es auch. Bei der Bewilligung von Beihilfen gehen einige von ihnen noch freihändiger ans Werk als der Bund.

Wer an diesem Wochenende essen geht und dabei einen italienischen oder französischen Wein trinkt, sollte sich bewusst sein: Die Verschmähung heimischer Reben könnte sich auf den Bundeshaushalt auswirken. Das Parlament reagiert auf die Geringschätzung möglicherweise damit, das Werbebudget für Schweizer Wein erneut kräftig anzuheben.

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304 Kommentare
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Peter D
06.05.2024 05:40registriert Januar 2023
Wein ist kein Lebensmittel, dafür Subventionen zu verteilen ist eine finanzpolitische Sünde.
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Chuchichäschtli
06.05.2024 05:23registriert März 2022
Wenn der oberste Lobbyist der Bachusbande halt selbst im Gremium der sieben Zwerge sitzt und ein Gschpänli von KKS ist, kann sie schlecht nein sagen.
Lobbyismus unterscheidet sich nur durch die pollitische Akzeptanz von der Korruption.
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GrüeziMitenand
06.05.2024 06:15registriert September 2022
Wie die Bevölkerung reagieren würde, wenn der Bund den Verkauf von Zigaretten subventionieren würde. Aber bei der Volksdroge #1 ist das völlig akzeptabel.
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