Fabrice A. ist ein verurteilter Sexualstraftäter. Ein mehrfacher Vergewaltiger und Mörder. Eigentlich ist er verwahrt, in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bostadel im Kanton Zug. Doch jetzt wurde bekannt: A. hat trotz der Verwahrung eine weitere Frau belästigt und bedroht. Und als würde nicht schon diese Tatsache allein viele Fragen aufwerfen, ist alles erst aufgeflogen, als das Opfer die Polizei verständigte.
Die Geschichte dahinter:
Fabrice A. ist schweizweit bekannt. Im September 2013, vor knapp 10 Jahren, schnitt er der jungen Sozialtherapeutin Adeline M. die Kehle durch. Die Umstände waren erschreckend und lösten eine Debatte über den Umgang mit Sexualstraftätern und Freigängen aus.
Denn Fabrice A. sass zu dieser Zeit bereits eine 20-jährige Haftstrafe ab. Verurteilt wurde er für mehrere Vergewaltigungen, die er in Frankreich begangen hatte.
1999 vergewaltigte er eine Frau im französischen Ferney-Voltaire in der Nähe von Genf – zuvor hatte er sich ihr Vertrauen erschlichen, um sie danach in Handschellen zu legen und mit einem Messer zu bedrohen. Er ist zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt. In der Folge wurde er zwar zu 18 Monaten Haft verurteilt, doch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Noch bevor es zum Berufungsprozess kommen konnte, vergewaltigte A. 2011 am fast selben Ort eine weitere Frau und raubte sie aus, sie war eine alte Bekannte. Er ging nach demselben Muster vor wie bei der ersten Vergewaltigung: Handschellen und Bedrohen mit dem Messer. Im Prozess sagte er:
Da er französisch-schweizerischer Doppelbürger ist, wurde einem Gesuch um Überführung in die Schweiz stattgegeben – wo er dann zum Mörder wurde.
Fabrice A. sass fortan im Gefängnis Champ-Dollon im Kanton Genf ein. Dort wurden ihm aufgrund eines Gutachtens seines Psychiaters begleitete Freigänge gestattet. Beim zweiten Freigang kam es dann zum Mord an der Sozialtherapeutin Adeline M., die ihn begleitete. Sie war zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alt und eine frisch gebackene Mutter.
Adeline war zu diesem Zeitpunkt alles andere als unerfahren im Umgang mit Häftlingen. Sie hatte bereits über 200 Freigänge von Häftlingen begleitet, als A. sie tötete.
Am 3. September sollte Adeline A. ihn in die Reittherapie begleiten. Zuvor durfte er ein Sackmesser für 50 Franken kaufen – zur Hufpflege, wie der «Tagesanzeiger» schreibt. Das Messer hatte er in einem Genfer Geschäft bereits vorbestellt, wie «Le Matin» berichtete. Noch bevor die beiden bei der Reittherapie ankamen, tötete Fabrice A. Adeline. Ihre Leiche wurde 10 Tage später in Versoix bei Genf gefunden.
Dass Fabrice A. überhaupt ein Messer kaufen durfte, ist schon fragwürdig. So hatte er doch seine ersten beiden Vergewaltigungen begangen, während er seine Opfer mit einem Messer bedrohte. Zudem habe er schon länger eine Faszination für Messer gehegt, wie eine Ex-Freundin einst zu «20 Minuten» sagte. Immer wieder habe er davon fabuliert, ihr die Kehle durchzuschneiden. Da A. aber auch durchaus charmant sein konnte, sei sie zunächst geblieben. Verlassen habe sie ihn erst, als er ihr tatsächlich eines Abends das Brotmesser an den Hals drückte.
2018 kam ein vernichtender Untersuchungsbericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) des Genfer Kantonsrats zum Schluss, dass der brutale Mord ein Totalversagen der Genfer Behörden offenbarte. Und: Fabrice A. hätte niemals Freigang gewährt werden dürfen.
Nach dem Mord flüchtete A. mit Adelines Auto in Richtung Polen, wo eine Ex-Freundin von ihm lebte. Er habe den Plan gehabt, ihr «die Augen auszustechen und sie lebendig zu begraben», so der «Tagi». Er wurde gefasst, bevor er diese Fantasien in die Tat umsetzen konnte, und wieder in die Schweiz überführt. 2017 wurde er zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe mit anschliessender Verwahrung verurteilt.
Diesmal wurde Fabrice A. in die interkantonale Justizvollzugsanstalt (JVA) Bostadel im Kanton Zug gesteckt. Und eben da kam es nun erneut zu einem Vorfall, der Fragen im Umgang mit verurteilten Sexualstraftätern aufwirft. Denn sogar aus der Einzelhaft heraus schaffte es A., eine Frau so lange zu belästigen, bis sie zur Polizei ging.
Der Tagesanzeiger beschreibt, wie der notorische Vergewaltiger und Mörder ein Paket aus Genf bekommt, in dem ein Werbeprospekt steckt. Darauf abgebildet ist eine Verkäuferin zusammen mit einer Beschreibung ihrer Person. Fabrice A. kontaktiert die Frau mehrfach in ihrem Geschäft in Genf per Post und per Telefon. Dabei sei er aufdringlich geworden und habe ihr auch gesagt, dass er ganz genau wisse, dass sie Mutter sei. Doch A. geht noch einen Schritt weiter: Ebenfalls per Telefon versucht er über ein anderes Geschäft ihre Privatadresse herauszufinden – um ihr angeblich Blumen zu schicken. Damit niemand Verdacht schöpft, gibt er sich als Soldat aus, der auf dem Waffenplatz schlechten Internetempfang habe und teilweise auch in Gefängnissen tätig sei – deshalb seine Adresse, so der «Tagesanzeiger».
Die Angebetete findet aber bald heraus, wer sie belästigt, und schaltet sofort die Polizei ein. Eine Strafanzeige wird nicht eingereicht, aber eine Untersuchung durch den Kanton Genf (DSPS) eingeleitet. Fabrice A. wird in der Folge aufgefordert, keinen Kontakt mehr zur Frau aufzunehmen. Woran er sich scheinbar gehalten hat, wie DSPS-Sprecher Laurent Paoliello dem «Tagesanzeiger» sagt.
Konsequenzen habe die Belästigung für Fabrice A. nicht gehabt. Doch die Frage steht im Raum: Wie kann Fabrice A. aus der Sicherheitsabteilung heraus eine Frau belästigen – und niemand bekommt etwas davon mit?
Die JVA Bostadel habe sich aufgrund des Amtsgeheimnisses nicht zum Insassen äussern wollen, schreibt der «Tagesanzeiger». Doch der Hausordnung lasse sich entnehmen, dass Gefangenenpost eigentlich einer inhaltlichen Kontrolle unterzogen werde. Weiter heisse es da, dass bei Missbrauch Telefonate eingeschränkt oder untersagt werden können.
(yam)
Was heisst hier aufgefordert?! Einzelhaft ohne Licht bitteschön!
Und ja, das Amtgeheimnis ist wichtig, aber nicht, wenn sich Behörden dahinter verstecken.
Da müssten in der Politik eigentlich Köpfe rollen... erneut... was wieder nicht geschehen wird.