Schweiz
Gesellschaft & Politik

«Nein heisst Nein» oder «Ja heisst Ja»? Die Debatte im Ständerat

«Nein heisst Nein» oder «Ja heisst Ja» im Sexualstrafrecht? Heute debattiert der Ständerat

07.06.2022, 06:0807.06.2022, 13:08
Mehr «Schweiz»

«Nein heisst Nein» oder «Nur Ja heisst Ja»: Diese Frage stellt sich am Dienstag dem Ständerat, wenn er als Erstrat über die Revision des Sexualstrafrechts diskutiert und befindet. Die vorberatende Kommission und der Bundesrat sind für die Widerspruchslösung.

Der Bundesrat will den Tatbestand der Vergewaltigung im Strafgesetz ausweiten. Neu soll sich auch strafbar machen, wer gegen den Willen des Opfers handelt. Es soll der Grundsatz «Nein heisst Nein» gelten. Eine Nötigung durch Gewalt oder Drohung muss demnach nicht mehr vorliegen.

Bundesraetin Simonetta Sommaruga, rechts, spricht an der Seite von Bundesrat Ueli Maurer, links, an einer Medienkonferenz ueber das Thema "Rettungsschirm Strombranche: Botschaft zum Bundesgesetz  ...
Der Bundesrat ist wie die vorberatende Kommission für «Nein heisst Nein».Bild: keystone

Das sind die Standpunkte

Klar ist, dass die Vorlage heiss diskutiert werden wird. Der Vorentwurf der Rechtskommission des Ständerats (RK-S) hatte in der Vernehmlassung nämlich nur bedingt Unterstützung gefunden. Gefordert wurde grundsätzlich eine Ausweitung des Begriffs «Vergewaltigung» und eine «Nur Ja heisst Ja»-Lösung. Die «Nein heisst Nein»-Lösung wurde verbreitet als zu schwach angesehen.

Trotz viel Widerspruch hat sich die vorberatende Kommission des Ständerates mit 9 zu 4 Stimmen für den «Nein heisst Nein»-Grundsatz entschieden. Der Ständerat selber hatte sich bereits im letzten Dezember gegen das Zustimmungsprinzip («Nur Ja heisst Ja») ausgesprochen, wie es eine Standesinitiative des Kantons Genf fordert.

CAPTION CORRECTION +++ Unterwaesche haengt an einer Waescheleine, waehrend einer Aktion zur Petition "Nur Ja heisst Ja", am Montag, 30. Mai 2022 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Die Widerspruchslösung geht nicht allen weit genug.Bild: keystone

Die RK-S will die Kernbestimmungen des Sexualstrafrechts, namentlich die Tatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung, basierend auf der sogenannten «Nein heisst Nein»-Lösung (Widerspruchsprinzip) neu ausgestalten.

Das sagt die letzte Umfrage

In einer Mitte April veröffentlichten repräsentativen Online-Umfrage von Amnesty International Schweiz hatten sich fast die Hälfte der Befragten bezüglich des revidierten Sexualstrafrechts für die Zustimmungslösung ausgesprochen. Nur 27 Prozent aller Befragten sprachen sich für die Widerspruchslösung aus.

Das soll konkret angepasst werden

Erfasst werden sollen künftig sexuelle Handlungen, welche der Täter oder die Täterin am Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt und sich dabei über den entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegsetzt - vorsätzlich oder eventualvorsätzlich. Dieser Wille kann vom Opfer verbal oder nonverbal geäussert werden. Der Bundesrat hat sich der Lösung der Ständeratskommission angeschlossen.

Die Vorlage für eine Revision des Sexualstrafrechts sieht weitere Änderungen gegenüber heute vor. So soll Tätern und Täterinnen bei sexuellen Handlungen mit Kindern unter zwölf Jahren neu eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr drohen.

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe soll bestraft werden, wer bei der Ausübung einer Tätigkeit im Gesundheitsbereich sexuelle Handlungen vornimmt oder vornehmen lässt. Weitere Änderungen betreffen den Tatbestand der Pornografie.

Verzichtet werden soll dagegen auf einen neuen Tatbestand des «Grooming». Dieses bezeichnet das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen, also die Planung eines sexuellen Missbrauchs.

Wecker vor dem Bundeshaus

Um ihrer Forderung nach der Zustimmungslösung Nachdruck zu verleihen, hat die Operation Libero für den Dienstagnachmittag beim Bundeshaus in Bern eine Weck-Aktion anberaumt. Ein XXL-Wecker soll die Damen und Herren Ständeräte eventuell doch noch zum Umschwenken auf die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung bewegen. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
23 der lustigsten Tinder-Profile, die du je gesehen hast
1 / 26
23 der lustigsten Tinder-Profile, die du je gesehen hast
Swipe left, dann geht's los …
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Ich verspüre keine sexuelle Anziehung» – drei Asexuelle erzählen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
175 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
AngelitosHE
07.06.2022 08:57registriert September 2018
Ob Nein heisst nein oder ja heisst ja ist vollkommen egal.

Am ende scheitert beides an der Beweisbarkeit.
4215
Melden
Zum Kommentar
avatar
sweeneytodd
07.06.2022 10:30registriert September 2018
Irgendwie ist doch diese Diskussion obsolet. Ich wage mal zu behaupten, dass 95% der Täter/innen genau wissen was sie machen (absichtliche Vergewaltigung) und somit ein Ja/Ja, Nein/Nein überhaupt nichts bringt. Aussagen wie "ich wusste nicht dass sie/er nicht wollte..." werden nur zur Straflinderung getätigt. Unabhängig was nun im Gesetz steht, zuoberst sollte immer die Unschuldsvermutung bleiben, auch wenn das für die Opfer hart sein kann, wenn Beweise fehlen. Aber es darf niemals jemand Verurteilt werden wo unschuldig ist!
4417
Melden
Zum Kommentar
avatar
stadtzuercher
07.06.2022 10:06registriert Dezember 2014
Die Feministinnen wirds erst rechts ein, wenn die Unschuldsvermutung für die Männer abgeschafft wurde.

Ich glaube kaum, dass die Mehrheit in unserer Demokratie diese Aushöhlung des Rechtstaates mitträgt.
4626
Melden
Zum Kommentar
175
Lebenslänglich für Angeklagten im Basler Doppelmordprozess

Das Basler Strafgericht hat für den Angeklagten im Doppelmordprozess eine lebenslängliche Gefängnisstrafe verhängt. Er wurde für schuldig befunden, im Jahr 2017 zusammen mit einem Mittäter bei einer Abrechnung im albanischen Drogenmilieu zwei Männer erschossen zu haben.

Zur Story