Nach dem Nein zum CO2-Gesetz: «Der Verlierer des Tages ist der Kompromiss»
Die Würfel sind gefallen, das Resultat der fünf Abstimmungsvorlagen steht fest: 57 Prozent nehmen das Anti-Terror-Gesetz an, die beiden Agrarinitiativen werden mit 61 Prozent verworfen und 60 Prozent sagen Ja zum Covid-Gesetz. Am meisten zu reden gibt an diesem Sonntag das gescheiterte CO2-Gesetz. 51,6 Prozent verwerfen die Vorlage an der Urne. Damit haben im Vorfeld weder die Befürworterinnen des Anliegens noch viele Abstimmende gerechnet.
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Die grosse Gewinnerin an diesem Tag ist die SVP. Bei vier der fünf Vorlagen entscheiden sich die Stimmberechtigten gleich wie die Schweizerische Volkspartei. Während SVP-Präsident Marco Chiesa am Nachmittag sichtbar zufrieden in die TV-Kameras strahlt, muss SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga als geschlagene Verliererin vom Feld ziehen.
Urs Bieri, gfs.bern-Politologe, schätzt für watson ein, was das Nein zum CO2-Gesetz bedeutet und wie es jetzt weitergeht.
Die Verliererinnen
Allein an Bundesrätin Simonetta Sommaruga liege es nicht, sagt Bieri. Vielmehr sei es «der Kompromiss», der als grosser Verlierer des Tages dastehe. Denn eigentlich wurde dieser Kompromiss über das CO2-Gesetz von einer deutlichen Mehrheit im Parlament getragen. Ausser der SVP wollten alle grossen Parteien diese Lösung so annehmen. Doch gereicht hat das am Ende trotzdem nicht. Dazu Bieri: «Mir scheint, der Bundesrat hat als Gesamtgremium mehr Mühe, moderate Positionen in der Öffentlichkeit zu vermitteln.» Es werde mehr polarisiert und der Kompromiss als Schwäche angeschaut.
Ebenfalls als Verliererin gilt die Klimabewegung. Sie hat in breiten Teilen für ein Ja geworben. Dass die Bewegung deshalb an Schwung verlieren könnte, glaub Bieri nicht. «Die Bewegung ist nicht an die normierte Politik mit ihren Traditionen und Prozessen gebunden. Sie kann mit kreativen Instrumenten auf Themen aufmerksam machen, die im normalen politischen System wenig Beachtung finden.» Das werde sie auch nach der Abstimmung tun. Vielleicht sogar noch mehr als vorher.
Die wichtigsten Gründe für die Ablehnung
Laut dem gfs.bern-Politologen war die Kombination mit den zwei Landwirtschaftsvorlagen eine grosse Schwierigkeit für das CO2-Gesetz. Man habe beobachten können, dass in ländlichen Gemeinden mit einer überdurchschnittlich hohen Abstimmungsbeteiligung auch die CO2-Vorlage durchgefallen sei. «Die grosse Mobilisierung auf dem Land war ein wichtiger Treiber für das Nein», so Bieri.
Der wichtigste Grund für das Nein sei das Portmonee. «Es war eine Abstimmung über die Ökologie auf der einen Seite und über die Kosten auf der anderen Seite.» Wer Nein stimmte, tat dies laut Bieri wegen der Angst vor hohen Kosten. Das sei auch der Hauptunterschied zur Abstimmung über die Energiestrategie 2050, die 2017 mit 59 Prozent angenommen wurde. «Damals ging es um eine generelle Absichtserklärung zu klimapolitischen Fragen. Doch sobald sie ein Preisschild bekommen, brechen die Mehrheiten weg.»
Was die Ablehnung für künftige klimapolitische Fragen bedeutet
Auch nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes bleiben klimapolitische Fragen wichtig. Bald kommt das Energiegesetz ins Parlament. Wichtige Fragen wie Richtwerte für den Ausbau von erneuerbaren Energien müssen geklärt werden. Mit der Gletscherinitiative steht zudem eine weitere Abstimmung an der Urne an.
Bieri sagt: «Grosse Probleme in der Schweiz sind von politischen Kompromissen abhängig.» Wenn es nicht mehr gelinge, Kompromisse zu schmieden und diese der Bevölkerung zu verkaufen, dann werde es für alle grossen Reformthemen schwierig. Er denke dabei an die Europapolitik, Altersvorsorge, an das Gesundheitssystem oder eben auch die Klimapolitik. «Bei diesen Themen braucht es wieder mehr Willen zu Kompromissen und mehr Willen, diese nicht mit Referenden an der Urne zu bodigen», so Bieri.
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