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Schweiz: SVP öffnet der Mitte Tür für einen zweiten Sitz im Bundesrat

Die SVP öffnet der Mitte die Tür für einen zweiten Sitz im Bundesrat – auf Kosten der FDP

In Umfragen liegt die Mitte knapp vor der FDP. Nun signalisiert die SVP: Wenn das in den Wahlen am Sonntag auch so ist, erwartet die Volkspartei einen zweiten Kandidaten der Mitte für den Bundesrat. Das erhöht den Druck auf die FDP.
21.10.2023, 20:08
Francesco Benini / ch media
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Unter Freisinnigen ging vor zwei Jahren die Befürchtung um: Die FDP könnte nach den Wahlen von 2023 einen Bundesratssitz an die Grünen verlieren. Dann fiel die Umweltpartei in den Umfragen zurück, während sich die FDP erholte. Die Sorge verflüchtigte sich. Jetzt gibt es aber einen neuen Grund zur Beunruhigung.

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Harter Kampf: FDP-Präsident Thierry Burkart, Mitte-Präsident Gerhard Pfister und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (von links).Bild: keystone

Im Wahlbarometer der SRG liegt die Mitte 0.2 Prozent vor der FDP. Die Freisinnigen könnten am Sonntag auf den vierten Platz rutschen. In diesem Fall wäre es möglich, dass die Mitte im Dezember einen zweiten Sitz in der Regierung erringen will, zulasten der FDP.

Thomas Aeschi ist auffallend kühl gegenüber der FDP

Wie würde sich die grösste Partei, die SVP, verhalten, wenn die Mitte in den Wahlen vor der FDP landet? Die Stellungnahme von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi ist nicht geeignet, die Nerven der freisinnigen Parteileitung zu beruhigen.

Aeschi sagt: «Die Position der SVP ist klar: Die drei wählerstärksten Parteien haben Anrecht auf zwei Bundesratssitze, die viertgrösste auf einen. Überholt die Mitte am Sonntag die FDP, wird die SVP-Fraktion die Lage analysieren. Unser Vorgehen hängt auch davon ab, ob die Mitte mit einem zweiten Kandidaten für den Bundesrat antritt oder nicht.»

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Sollte die Mitte mehr Stimmen erhalten als die FDP, scheint ein zweiter Sitz im Bundesrat nicht unmöglich.Bild: keystone

Das klingt wie eine Einladung an die Mitte, sie möge doch einen zweiten Anwärter nominieren. Die SVP verhält sich kühl gegenüber der FDP, die ihr näher steht als die Mitte. Exponenten verschiedener Parteien vertreten die Position: Einen Wahlerfolg muss man wiederholen, bevor er sich in einem Bundesratsmandat niederschlägt. Bei der SVP war es so. Sie lag schon 1999 vor der CVP, erhielt den zweiten Sitz in der Regierung aber erst 2003 - nachdem sie den Abstand zu den Christlichdemokraten vergrössert hatte.

Aeschi sagt nichts dergleichen. Mit seiner Einschätzung gibt er zu verstehen: Erreicht die Mitte jetzt den dritthöchsten Wähleranteil, ist es legitim, dass sie Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz erhebt.

Und was meint die zweitgrösste Partei, die SP? FDP-Präsident Thierry Burkart hat den Sozialdemokraten bereits die Unterstützung zugesagt für den Fall, dass ihnen die Grünen einen Regierungssitz streitig machen wollen. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth erwidert die Gunst nicht. Wird die Mitte drittstärkste Kraft, ist dann eine Änderung in der Zusammensetzung des Bundesrats angezeigt? «Wir analysieren diese Frage im Nachgang zum Sonntag, wenn die Wahlresultate vorliegen», antwortet Wermuth.

Cedric Wermuth, Co-Praesident SP, spricht waehrend einer Medienkonferenz der SP zur Kampagne fuer die eidgenoessischen Wahlen am Montag, 7. August 2023 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
SP-Co-Präsident Cédric Wermuth will sich noch nicht über eine mögliche Veränderung der Bundesrats-Sitze äussern.Bild: keystone

Wagt die Mitte den Angriff, wenn sie vor der FDP landet? Nationalrat Fabio Regazzi erklärt: «Man kann von vorneherein nichts ausschliessen. Die Frage, wie gross der Abstand zwischen den beiden Parteien am Sonntag sein wird, ist wichtig. Grundsätzlich ist die Mitte aber nicht dafür, Mitglieder des Bundesrates abzuwählen.»

Diese Position wird von mehreren Mitte-Parlamentariern geteilt. Sie finden: Liege die Partei in der Wählerstärke hauchdünn vor der FDP, werde es jetzt nichts mit einem zweiten Mandat. Betrage der Vorsprung aber ein halbes Prozent oder mehr, führe die Fraktion eine Diskussion: Will sich die Mitte jetzt im Bundesrat vergrössern und nicht erst 2027, wie es Parteipräsident Gerhard Pfister in seinem Masterplan formulierte?

Pfister erklärt: «Völlig unabhängig vom Wahlresultat ist für die Mitte seit Jahren klar: Es braucht einen Konsens zwischen den Parteien, dass die massgeblichen politischen Kräfte gemäss ihrer Stärke im Bundesrat vertreten sind. Gegenwärtig sind vier Bundesratssitze rechts zu viel und drei Bundesratssitze links wären ebenfalls zu viel.» Als weiterer Grundsatz gelte für die Mitte: «Mitglieder des Bundesrates, die sich für eine weitere Amtsperiode zur Wahl stellen, werden bestätigt.»

Nationalrat Gerhard Pfister, spricht ueber die Volksinitiative �Fuer tiefere Praemien ? Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)�, am Donnerstag, 12. Oktober 2023, in Bern. (KEYSTONE ...
Für Mitte-Chef Gerhard Pfister sind sowohl drei Sitze rechts als auch drei Sitze links für zu viel.Bild: keystone

Der Mitte-Präsident findet also: Vier Sitze für SVP und FDP sind zu viel, und die Grünen sollten draussen bleiben. Eine Stärkung in der Regierung hätte hingegen verdient: die Mitte. Wobei dies grundsätzlich nicht auf die Abwahl eines freisinnigen Bundesrats hinauslaufen sollte. Grundsätze kann man umstossen, wenn eine höhere Notwendigkeit das verlangt.

FDP-Präsident Burkart hofft auf Zugewinne im Ständerat

Wie reagiert FDP-Präsident Thierry Burkart auf die schroffen Signale der anderen Parteien?« Jetzt warten wir zuerst einmal die Resultate am Sonntag und die Wochen danach mit den zweiten Wahlgängen für den Ständerat ab. Dann schauen wir weiter», sagt er.

Die FDP könnte vor allem im Ständerat gut abschneiden, selbst bei geringerer Wählergunst. Burkart deutet an: Nicht nur die Wählerprozente sind wichtig, sondern auch die Zahl der Parlamentsmandate. Nach Ansicht der SVP zählt bei der Zuteilung der Bundesratssitze aber einzig die Wählerstärke.

Viele freisinnige Politiker hoffen, dass die Partei dank einer starken Mobilisierung am Schluss des Wahlkampfs vor der Mitte-Partei bleibt. Die Gefahr eines Sitzverlustes in der Regierung wäre damit abgewendet.

(aargauerzeitung.ch)

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