
Eine Rettungssanitäterin und ein Rettungssanitäter von Schutz & Rettung Zürich bereiten sich auf ihren nächsten Einsatz vor. bild: keystone
So viel wie noch nie: Rettungsdienste aus der ganzen Schweiz melden neue Rekordeinsatzzahlen. Die Corona-Pandemie ist einer von vielen Gründen für die steigenden Zahlen. Immer mehr Menschen melden sich, anstatt bei der Hausärztin, direkt bei der 144.
06.01.2022, 05:4807.01.2022, 06:23

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Wer die 144 in sein Telefon eintippt, ersucht schnelle medizinische Hilfe. Und das tun immer mehr Menschen, wie die neusten Zahlen verschiedener Rettungsdienste zeigen.
So schrieb Regio 144, der Rettungsdienst bei Notfällen im Zürcher Oberland, am Zürichsee und in der Linthregion in einer am Mittwoch veröffentlichen Medienmitteilung: «So viele Einsätze wie noch nie». Sind 2020 die Zürcher Rettungssanitäterinnen- und Sanitäter 7353 mal ausgerückt, kamen sie im letzten Jahr der 8000er Grenze sehr nahe (siehe Grafik). Auch die Notärztinnen und Notärzte rückten 260 mal mehr aus als im Vorjahr. Ebenfalls ein neuer Rekord.
Bei der Rettung St.Gallen zeigt sich das gleiche Bild: «Wir haben über alle Einsätze die 30'000 Marke geknackt», sagt der Leiter, Günter Bildstein, auf Anfrage. Davon rückte das St.Galler Rettungsteam 19'328 zu primären Notfalleinsätzen aus. Auch im Wallis haben die Einsätze im Vergleich zu den Vorjahren mit 20'621 um 5 Prozent zugenommen. Und auch der Kanton Aargau meldet auf Anfrage, dass die Einsätze zugenommen haben. Genaue Zahlen will die zuständige Stelle Mitte Februar liefern.
Unsicherheitsfaktor Virus
Die Rekordwerte zu erklären, sei nicht ganz so einfach, so Bildstein von der Rettung St.Gallen. «Einerseits vermuten wir, dass die älter werdende Bevölkerung eine Rolle spielt. Andererseits könnte es auch damit zu tun, dass viele Leute keinen Hausarzt mehr haben und bei akuten gesundheitlichen Problemen eher die 144 wählen.»

Je nach Ort und Einsatzzeit fallen Kosten zwischen 832 Franken für den günstigsten und 1881 Franken (mit Nachtzuschlag 2144 Franken) für den teuersten Rettungsdienst an.Bild: keystone
Martin Kuhn, Geschäftsführer bei Regio 144, ergänzt: «Wer um 4 Uhr morgens ein medizinisches Problem hat, wählt die 144, weil die Hausärztin dann in den seltensten Fällen erreichbar ist.» Hinzukämen weitere Faktoren, die zu mehr Einsätzen geführt haben könnten. «Die Corona-Pandemie und Einsätze aufgrund von Corona-Fällen hatten sicher einen Einfluss.»
Kuhn vermutet aber auch, dass die gesundheitliche Verunsicherung in der Bevölkerung gewachsen sei. «Früher hat man sich bei Fieber oder Husten anders verhalten. Heute schwingt die Angst mit, dass man sich mit Covid infiziert haben könnte. Man wählt schneller die 144.»
«Es geht um Leben und Tod»
Verurteilen möchte Kuhn diese Angst aber keinesfalls. «Früher haben die Leute erst den Rettungsdienst angerufen, wenn es schon fast zu spät war. Wir haben jahrzehntelang daraufhin gearbeitet, den Leuten die Angst zu nehmen, die 144 zu wählen. Es wäre falsch, nun wieder davon abzuraten.»
Die Tage seien zuweilen lang und anstrengend, aber da müsse man jetzt durch, fährt Kuhn fort. «Wir rücken lieber einmal zu viel, als zu wenig aus. Es geht immer wieder um Leben und Tod. Bei einem Schlaganfall können die Symptome beispielsweise ‹nur› Sehstörungen oder Kopfschmerzen sein. Aber da zählt jede Sekunde.»
Kuhn und Bildstein von der Rettung St.Gallen betonen zudem beide, dass man nicht bei jedem Anruf direkt den Rettungswagen losschicke. «Jeder Anruf an die 144 kommt zuerst an eine Notrufzentrale, wo Profis die Anrufe entgegennehmen und dann die benötigten Einsatzkräfte alarmieren», so Kuhn.

Ein Rettungsfahrzeug der Sanität Oberwallis während eines Einsatzes. bild: keystone
Einsätze werden weiterhin zunehmen
Trotz der Triage am Telefon durch die Einsatzzentralen rechnet man in St.Gallen und im Zürcher Oberland auch in Zukunft mit einer Zunahme der Rettungseinsätze. «Wir werden bei Regio 144 zwei neue Stellen schaffen, um den Anstieg abzufedern», sagt Geschäftsführer Kuhn.
Bei der Rettung St.Gallen reicht der aktuelle Personal- und Infrastrukturbestand noch aus, heisst es von Leiter Bildstein. «Wir orientieren uns dabei an gewissen Kennzahlen. Eine davon ist die sogenannte Hilfsfrist. Solange wir bei 90 Prozent der Notfälle innerhalb von 15 Minuten vor Ort sein können, machen wir einen guten Job.» Und Bildstein ergänzt: «Es geht auch nicht nur um die Anzahl Notfälle per se, problematischer wird es, wenn viele Einsätze gleichzeitig stattfinden.»
Diese Rettung kam in letzter Sekunde
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Diese Rettung kam in letzter Sekunde
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