Schweiz
Gesellschaft & Politik

Klimaschutzgesetz: «Werkplatz Schweiz» verschickt Schwurbelbrief

Klima-Fake-News in Schweizer Briefkästen – die Spur führt zu einem SVPler

Ein anonymes Komitee betreibt Abstimmungskampf gegen das Klimagesetz. Die Argumente auf einem schweizweit verschickten Schreiben sind populistisch bis falsch. Die Spur zu den Verantwortlichen führt in SVP-Kreise.
24.05.2023, 07:5924.05.2023, 12:41
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Wer in den vergangenen Tagen seinen Briefkasten leerte, stiess mit grosser Wahrscheinlichkeit auf ein Schreiben, das die Schweizerinnen und Schweizer auffordert, bei der Abstimmung über das Klimagesetz vom 18. Juni ein «Nein» einzulegen. Wahlkampfwerbung, so weit, so gewöhnlich.

Doch wer sich die Argumente auf dem Schreiben genauer anschaut, kommt ins Stutzen. Denn darunter finden sich mehrere fragwürdige und unbelegte Behauptungen, die zudem teilweise eine unbestreitbare Nähe zu Verschwörungserzählungen aufweisen.

Schwurbler-Brief Klimagesetz
Dieses Schreiben flatterte in die Schweizer Briefkästen.Bild: reddit

So heisst es in dem Schreiben unter anderem, das Klimaschutzgesetz sei in Wahrheit ein «Verarmungs- und Verbotsgesetz», Tausende würden bei einer Annahme ihren Arbeitsplatz verlieren, es drohten Stromausfälle und die Bevölkerung müsste im Winter frieren.

Während diese Behauptungen noch als populistischer Abstimmungskampf bezeichnet werden können, gehen die anonymen Autoren später im Text noch weiter und negieren unter anderem den menschengemachten Klimawandel und behaupten, dass die Erderwärmung überhaupt keine Bedrohung darstellt.

Schuld am ganzen Schlamassel, den die Annahme des Gesetzes am 18. Juni verursachen würde, hätten «amerikanische Milliardäre», welche Wirtschaft, Politik und Wissenschaft in ihrem Sinne beeinflussen würden.

Das Klimaschutzgesetz kurz erklärt

Video: watson/Sina Alpiger, Emily Engkent

Die Absender des Schreibens nennen sich «Komitee Rettung Werkplatz Schweiz». Wer die Webseite des «Komitees» besucht, erfährt aber nicht direkt, wer dahintersteckt. Es finden sich lediglich eine E-Mail-Adresse, eine Kontonummer für die Überweisung von Spenden und eine Postleitzahl: die von Stäfa.

Das Komitee aus Stäfa tritt nicht zum ersten Mal in Erscheinung, wie der «Tagesanzeiger» schreibt. Schon bei früheren Abstimmungskämpfen, wie der Durchsetzungs- oder Konzernverantwortungs-Initiative, sei es aktiv geworden.

Damals wurde bekannt, dass Kurt Zollinger, ehemaliger Präsident der SVP Stäfa, federführend war. Zollinger streitet seine Beteiligung auch dieses Mal nicht ab, es gebe aber «mehrere treibende Kräfte», wie er gegenüber dem «Tagesanzeiger» sagt.

Wer die Kampagne, die rund eine Million Franken kosten dürfte, finanziell unterstützt, will Zollinger nicht offenlegen. Die SVP sei nicht finanziell beteiligt, der Inhalt sei aber mit der Mutterpartei abgesprochen. Im offiziellen SVP-Argumentarium zur Abstimmung werden allerdings weder die angeblich positiven Folgen des Klimawandels noch die vermeintliche Verschwörung amerikanischer Milliardäre erwähnt.

SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer kommentiert das Schreiben wie folgt:

«Den Gegnerinnen und Gegnern fehlen offensichtlich Argumente, da das Klimaschutzgesetz die Menschen beim Ersatz von alten Öl- und Gasheizungen finanziell entlastet. Deshalb greifen sie zu immer schrilleren Mitteln und Fake News.»

Begrüsst wird es hingegen von SVP-Nationalrat Andreas Glarner, der es bekanntlich nicht immer sehr genau mit Fakten nimmt. In Anspielung auf den abgesagten Gender-Tag in Stäfa schreibt er auf Twitter:

«Es gibt auch vernünftige Nachrichten aus Stäfa.»

Der Abstimmungskampf zum Klimaschutzgesetz spitzt sich zu, die Argumente werden radikaler und polemischer, wie nicht nur der Fake-News-Brief beweist. So enervierte sich jüngst auch der Mieterverband ab der SVP-Strategie. Diese suggeriert, dass der Mieterverband ein Nein empfehlen würde – in Tat und Wahrheit befürwortet der Verband das Gesetz aber deutlich. Nachzulesen gibt es die Story hier:

(con)

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205 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mrmikech
24.05.2023 08:13registriert Juni 2016
"da das Klimaschutzgesetz die Menschen beim Ersatz von alten Öl- und Gasheizungen finanziell entlastet"

Und darum geht es, und das ist ein fakt. Deswegen ja für das klimaschutzgesetz.

PS woher kommt das geld für diese kampagne, sind das vll Schweizer milliardäre? 🤔
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Campylobacter jejuni
24.05.2023 08:15registriert September 2018
Dachte ich, dass es von denen kommt, als ich diese Drittklässler-Satzstellung las.
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Agitprop
24.05.2023 08:19registriert Mai 2023
Die Amerikanischen Milliardäre, dh die Kochbrothers, investieren Geld um den Klimawandel zu diskreditieren - nicht umgekehrt.

Aber nichts anderes ist von der Putin Partei und ihren Wählern zu erwarten.
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