Am Montagmorgen konnte der St.Galler SVP-Kantonsrat und Kandidat für den Regierungsrat, Christof Hartmann, erleichtert aufatmen. Die Richterin des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland sprach ihn vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs frei. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Privatkläger ziehen den Fall weiter an die nächste Instanz.
Oder hier nochmals so kurz wie möglich zusammengefasst:
Auslöser für den Prozess war ein Nachbarschaftsstreit um eine Stützmauer, die ein Ehepaar 1998 widerrechtlich teilweise auf dem Grundstück der Anwaltsfamilie Ghaemmaghami in Walenstadt erbauen liess. Es kam zu mehreren Gerichtsverfahren, in denen sowohl das Verwaltungsgericht zwei Mal (2012, 2018) und das Bundesgericht drei Mal (2013, 2015, 2019) zum Schluss kamen: Die Mauer entspricht nicht der Baubewilligung und muss angepasst werden.
Der Gemeinderat von Walenstadt verfügte 2015 allerdings: Auf die Rückversetzung der Mauer könne verzichtet werden und die Höhenabweichung liege im Toleranzbereich. Diese Entscheidung zugunsten der Mauereigentümer fällte der Gesamtgemeinderat als Kollegialbehörde. Christof Hartmann unterschrieb als damaliger Vizepräsident die Verfügung.
Vergangene Woche fand nun der Prozess gegen Hartmann statt, der inzwischen nicht mehr im Stadtner Gemeinderat sitzt, dafür aber im Kantonsrat. Ausserdem hat ihn seine Partei, die St.Galler SVP, im Dezember 2023 für den Regierungsrat nominiert.
Die Ankläger, die Familie Ghaemmaghami, die sich selbst vertrat, argumentierte vor Gericht, Hartmann habe sich des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht, weil er eine «krass willkürliche Verfügung» unterschrieben habe. Hartmann verteidigte sich damit, dass der Gesamtgemeinderat als Kollegialbehörde über die Verfügung entschieden habe und er als Vizepräsident lediglich habe unterschreiben müssen.
Den Freispruch begründete die Richterin damit, dass ein «qualifiziertes Fehlverhalten» nicht vorliege. Das Verwaltungsgericht habe 2012 der Gemeinde Walenstadt mitgeteilt, dass es ihre Sache sei, unter «Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit und von Treu und Glauben über die Herstellung des rechtmässigen Zustandes [der Mauer] zu befinden». Konkrete Anweisungen, wie die Mauer angepasst werden müsste, habe das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil, welches das Bundesgericht später 2013 und 2015 bestätigte, also nicht gegeben.
Der Gemeinderat Walenstadt habe mit der Verfügung, die Hartmann unterschrieben hatte, seinen Handlungsspielraum zwar äusserst grosszügig ausgeschöpft. Um allerdings den Straftatbestand des Amtsmissbrauchs zu erfüllen, müsste die Verfügung aus objektiver Sicht willkürlich sein. Sie sei jedoch einfach fehlerhaft gewesen.
Ausserdem müsste der Beschuldigte seine Machtposition bewusst missbraucht haben. Im Falle Hartmanns gäbe es allerdings nicht ausreichend Hinweise, die belegen könnten, dass er sein Amt vorsätzlich missbraucht habe.
Die Familie Ghaemmaghami legte direkt nach der Urteilsverkündung im Gerichtssaal Berufung ein. Den entsprechenden schriftlichen Antrag hatte sie bereits dabei. Damit ist das Urteil des Kreisgerichts noch nicht rechtskräftig. Bis eine höhere Instanz über einen Fall urteilt, vergeht in der Regel mindestens ein Jahr.
Vor dem Gerichtssaal zeigt sich Payam Ghammaghami, der seine Familie als Anwalt vertritt, enttäuscht über das Urteil. Er sagt: «Das ist kein Rechtsstaat!» Mit ihrem Entscheid habe die Richterin indirekt die Frage, ob man Bundesgerichtsentscheide ignorieren dürfe, mit «Ja» beantwortet.
Das Bundes- und Verwaltungsgericht hätten damals zwar nicht konkret gesagt, wie die Mauer angepasst werden müsste, aber sie hätten klar festgehalten, dass sie angepasst werden müsse. Die Verfügung, die Hartmann unterschrieben habe, hätte jedoch das Gegenteil angeordnet: dass nichts verändert werden müsse.
Direkt nach Verkündung seines Freispruchs versandte Hartmann eine Medienmitteilung, in der er schreibt, er und sein Anwalt würden das Urteil mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Er sei «wie von Beginn weg angenommen» freigesprochen worden und lässt sich wie folgt zitieren:
Er habe stets volles Vertrauen in den Schweizer Rechtsstaat gehabt und sei dankbar, dass die Anschuldigung nun «vom Tisch» sei. «Den Freispruch erachtet Christof Hartmann nicht nur als Sieg für sich, sondern vor allem für das gelebte Kollegialitätsprinzip der Gemeindebehörden», heisst es in der Mitteilung weiter.
Auch die St.Galler SVP freut sich über das vorläufige Urteil. In einer Medienmitteilung schreibt sie:
Das Urteil bestätige, wie haltlos die Vorwürfe gegen Hartmann gewesen seien. Gleichzeitig kritisiert die Partei die Medien, welche diese Vorwürfe in den vergangenen Wochen «teilweise unhinterfragt wiedergegeben haben».
Ob das Gerichtsverfahren trotz vorläufigem Freispruch Hartmanns politische Ambitionen auf einen Sitz im St.Galler Regierungsrat zunichtegemacht haben, wird sich am 3. März zeigen. Dann entscheidet das St.Galler Stimmvolk.
Die St.Galler SVP will in diesem Jahr mit ihren beiden Nominierten, Christof Hartmann und Danuta Zemp, nicht nur den freiwerdenden Sitz des bisherigen SVP-Regierungsrates Stefan Kölliker belegen. Sie greift auch den freiwerdenden Sitz durch den aus gesundheitlichen Gründen abtretenden SP-Regierungsrat Fredy Fässler an.
Seit eines weiteren Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons St.Gallen von 2018 hat erstmals eine richterliche Instanz konkrete Anweisung an die Gemeinde Walenstadt verfasst, wie die Mauer anzupassen ist. 2019 bestätigte das Bundesgericht auch diesen Entscheid. Das heisst, nach der heutigen Begründung der Kreisrichterin müsste die Gemeinde Walenstadt zumindest jetzt die Anpassung der Stützmauer verfügt haben.
Passiert ist dies allerdings bis heute nicht.
Stattdessen bat der aktuelle Gemeinderat von Walenstadt im April 2022 beim Departement des Innern des Kantons St.Gallen darum, eine Ersatzbehörde einzusetzen, welche die Korrektur der Mauer anordnen würde. Der Gemeinderat sehe sich nicht in der Lage, das Geschäft objektiv, unabhängig und unbefangen zu behandeln. Im März 2023 ernannte das Departement des Innern die Gemeinde Lichtensteig als Ersatzverwaltung. Diese muss nun eine Änderung der Mauer verfügen. Gemäss der Familie Ghaemmaghami ist eine solche Verfügung aus Lichtensteig allerdings noch nicht eingegangen.
Im Oktober 2022 hat die Regierung des Kantons St.Gallen indes ein Disziplinarverfahren gegen die aktuellen Gemeinderatsmitglieder von Walenstadt eröffnet. Die Vorwürfe kommen auch hier von der Familie Ghaemmaghami: Amtsmissbrauch, Urkundenfälschung im Amt sowie Urkundenunterdrückung.
Würde Christof Hartmann in den Regierungsrat gewählt werden, würde er an der Strafuntersuchung gegen seine Nachfolger im Stadtner Gemeinderat beteiligt sein. Denn auch dieser Prozess steht erst noch bevor.
Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Die Steuerzahlenden zahlen bis heute für nichts Millionen für Löhne, Anwälte, Sitzungen, Gerichtsverfahren die man für eine Steuersenkung ausgeben könnte.
Jeder im Dorf weis, das der Nachbar die Mauer zurückbauen muss. JEDER. Jeder weiss das der Nachbar falsch liegt JEDER.
Aber nein. SVP muss reingrätschen und wieder mal alles verteuern wegen 1 Bro vom Kegelclub der dann schon drauskommt.
Seither ist nichts mehr passiert.
Wohlgemerkt, es geht nicht um die Anpassung einer riesigen Überbauung, sondern um eine Verfügung zur Anpassung einer Stützmauer! Was machen die Leute eigentlich beruflich?
Von wem könnte Hartmann diese Ausrede wohl gelernt haben?