Wenn Natalie Rickli, Social-MediaPolitikerin der ersten Stunde, bei Facebook eine Nachricht postet, brennt bei einigen Personen die Sicherung durch: «Und wenn du dumme Nutte einmal von einem Schweizer vergewaltigt wirst, kannst du ja Promotion machen alle kastrieren zu lassen. Dumme Hure», schrieb Klemens Klemi, nachdem die 38-Jährige sich auf Facebook zur Vergewaltigung von Emmen so geäussert hatte:
«Das tut mir so leid!!! Und ich hoffe, dass Täter schnell gefasst und entsprechend verurteilt wird! Ja es war offenbar ein Ausländer, was aufzeigt, dass wir ein Problem mit der Ausländerkriminalität haben und es die Durchsetzungsinitiative braucht. Aber ob Schweizer oder Ausländer: Der Staat muss dafür schauen, dass dieser Täter kein zweites solches Delikt begehen kann! (…)»
Das tut mir so leid!!! Nicht genug, was die arme Frau durchmachen musste; sie trägt schlimm an den Folgen.Ich hoffe und...
Posted by Natalie Rickli on Donnerstag, 30. Juli 2015
Zunehmend kommt es auch vor, dass private Personen oder Facebook-Gruppen wie «Die Super-Schweizer» oder «Perlen aus Blocheristan» die SVP-Nationalrätin aufs Übelste beleidigen – zum Teil sogar mit gefälschten Profilen. «Kritik von realen Personen ist selbstverständlich erlaubt, und Diskussionen sind in unserer Demokratie erwünscht. Man kann mich auch eine doofe Kuh finden, aber warum die Leute mich oder sich untereinander beschimpfen, beleidigen und bedrohen, verstehe ich nicht», sagt Rickli.
Der Preis für den intelligentesten Beitrag zu meinem gestrigen Post geht an Klemens Klemi!Ihr müsst meine Meinung...
Posted by Natalie Rickli on Freitag, 31. Juli 2015
Die Winterthurerin ist nicht nur die best gewählte Parlamentarierin (145 776 Stimmen), sondern auch die Nationalrätin mit den mit Abstand am meisten Facebook-Fans (19'602). Sie habe teilweise mehrere hundert Kommentare auf einen Post und könne darum schon aus zeitlichen Gründen nicht alles lesen, sagt Rickli. Aber in den letzten Monaten hätten die Reaktionen massiv zugenommen. «Ich muss an die Eigenverantwortung der User appellieren: Es ist jeder selbst verantwortlich für seine Texte.»
Im Fall von Klemens Klemi haben ihr viele Leute zu einer Anzeige geraten. In diesem Fall überlegt sie sich das tatsächlich, sonst geht sie praktisch nie zur Polizei. «Ich setze mich für die Meinungsfreiheit ein», sagt Rickli, die als Präsidentin der Aktion Medienfreiheit amtet. Forderungen nach mehr staatlichen Kontrollen oder Regulierungen im Internet lehnt sie ab – aber mahnt: «Trotzdem ist das Internet kein rechtsfreier Raum, und das Strafgesetzbuch gilt auch hier!» Eine Antwort auf den teilweise wütenden Internetmob zu finden, sei schwierig. «Für Polizei, Justiz, die Politik, aber auch für die Internetanbieter und die Gesellschaft ist das Internet eine grosse Herausforderung. Ein Patentrezept gibt es nicht.»
Natalie Rickli ist den Umgang mit den sozialen Netzwerken gewohnt und kommuniziert so direkt mit ihren Wählern. Als sie 2013 wegen eines Burnouts der Herbstsession fernblieb, ging sie mit der Neuigkeit nicht zur Presse, sondern veröffentlichte ihr Statement zuerst auf Facebook. Sie schätze ihre Facebook-Community, darunter habe es viele positive und unterstützende Kommentare, manchmal auch witzige und teilweise auch sehr kritische. Diskussionen auf ihrer Plattform seien erwünscht und finden auch statt. «Mit den negativen Reaktionen muss man als Politikerin leben. Wenn ich ganz schlimme Kommentare wie die von Klemens Klemi sehe, erlaube ich mir, die User zu sperren. Sie können ihre Meinung auf ihrer eigenen Facebook-Seite veröffentlichen.»
Nach eigenen Angaben erreicht sie gemäss Facebook-Statistik oftmals zwischen 40'000 und 80'000 Leser. Den Post zum «Vergewaltigungsopfer von Emmen» haben 250'000 User gesehen. Keine andere Politikerin in der Schweiz erreicht solche Reichweiten.
Im Fall von Emmen wurde ihr Wahlkampf vorgeworfen. «Das macht mich traurig», sagt Sicherheitspolitikerin Rickli. «Denn das Schicksal dieses Opfers bewegt mich sehr.» So hat sie denn auch aufgerufen, das Opfer mit einer Spende zu unterstützen. «Ich kann nur sagen, was ich meine, wenn das meine Gegner anders verstehen oder verstehen wollen, ist das einfach so.»
Die positiven Seiten von Facebook überwiegen, und die Politikerin fühlt sich von ihrer Community unterstützt. Trotz der grossen Präsenz im Internet und Wahlkampf – Rickli legt bewusst handyfreie Zeiten ein: zum Beispiel beim Wandern, beim Skifahren oder beim Yoga.
Weder ihr Post zu dem Vergewaltigungsopfer noch die beleidigenden Reaktionen sind angemessen. Kritik dafür umso mehr!