Gleich 68 neugewählte Nationalrätinnen und Nationalräte nehmen am Montag zu Beginn der Wintersession erstmals ihren Platz im grossen Saal unter der Bundeshauskuppel ein.
Das ist nicht nur für die Neu-Parlamentarier eine Herausforderung – auch die Fraktionen müssen sich auf die veränderte Sitzzahl und die veränderte Zusammensetzung einstellen. Konkret: Sie müssen eine Sitzordnung für die neue Legislatur festlegen. Eine provisorische Sitzordnung publizierten die Parlamentsdienste am Freitag auf ihrer Website.
Wie die Parlamentsdienste in einem unterhaltsamen Blogbeitrag schreiben, gleicht diese Aufgabe einem «delikaten Balanceakt zwischen den Stuhlreihen». Das Büro des Nationalrats weist den Fraktionen einen Sektor zu.
Die Sitzordnung im Nationalratssaal widerspiegelt grob das politische Links-Rechts-Schema. Zur Linken sitzt die SP-Fraktion, ganz rechts die SVP, dazwischen CVP und FDP. Die hinteren Sitzreihen beanspruchen traditionellerweise die Bundesratsparteien.
Angesichts ihrer stark gewachsenen Fraktion gab es hitzige Diskussionen im Ratsbüro, ob man auch den Grünen einen Spickel zwischen SP und CVP zugestehen sollte, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Am Ende entschied man sich dagegen. Die Grünen haben nun neben den Grünliberalen einen Platz im unteren Bereich des Plenums erhalten.
Gegenüber des Plenums sitzen die vier Stimmenzähler, ihre vier Ersatzleute sowie die Präsidentin (neu: Isabelle Moret FDP/VD) und ihre zwei Stellvertreter (Andreas Aebi SVP/BE und Irène Kälin Grüne/AG). Hinzu kommt der unbeliebte, weil einsame Platz Nummer 6 des Nationalratssaal. Dieses Mal musste Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri in den sauren Apfel beissen und dort Platz nehmen.
Die Feinverteilung innerhalb der Fraktionen hingegen übernimmt jeweils das Fraktionspräsidium. Keine leichte Aufgabe: SP-Fraktionschef Roger Nordmann etwa spricht von einer «heissen Kartoffel». «Obwohl es völlig irrational erscheint, gibt es bei der Sitzverteilung im Saal fast so viel Sprengstoff wie bei der Verteilung der Kommissionssitze», so der Waadtländer.
Die Fraktionsspitze muss verschiedene Faktoren beachten. Nebst einer guten Durchmischung zwischen Deutschschweizern, Romands und Tessinern ist insbesondere der Umgang mit den neu gewählten Nationalrätinnen und Nationalräten eine Herausforderung, wie die Parlamentsdienste schreiben. Im Idealfall sollten neue Ratsmitglieder einen erfahrenen Kollegen zur Seite haben.
Doch die hehre Theorie wird nicht immer in die Praxis umgesetzt, wie folgende Grafik zeigt.
Eingekreist in ihren Parteifarben sind die Plätze der Ratsneulinge. Wie die Karte zeigt, haben sowohl die CVP als auch die FDP ihre Neulinge dieses Mal als kompakte Gruppen platziert. Verstreut sitzen die Neugewählten hingegen bei der SVP. Die SP setzt auf eine Mischung aus einer ganzen Reihe von vier Neugewählten am unteren Rand, während sich die anderen Neo-Nationalräte auf die übrige Fraktion verteilt.
Vor besonderen Herausforderungen standen die grossen Wahlsieger vom 20. Oktober: Die Grünen und die Grünliberalen. Bei der GLP kommen auf sechs bisherige zehn neue Ratsmitglieder. Bei der 30-köpfigen grünen Fraktion, der auch zwei Vertreter von kleinen Linksparteien aus der Romandie angehören, kommen auf zehn bisherige 20 Ratsneulinge. Klar, dass sich da nicht für jeden Frischling ein alter Hase als Sitznachbar finden liess.
Nicht alle Sitze im Saal sind gleich begehrt. «Ein ‹guter Sitz› ist am Rand einer Linie oder hinten», sagt Pierre-Hervé Freléchoz, der Sekretär des Nationalrates, im Blogbeitrag. «Die wichtigsten Personen in der Fraktion, Fraktionschef, Parteipräsident usw. sitzen immer ganz hinten», erläutert er.
Die Plätze in der hinteren Reihe bieten zahlreiche Vorteile: Die Wege in die Wandelhalle und zum nächsten Kaffee sind kurz. Man hat einen guten Überblick über das Geschehen im Ratssaal und kann überwachen, ob die Fraktionskollegen rechtzeitig für die Abstimmungen an ihrem Platz sind und brav ihren Knopf drücken.
Die folgende Karte zeigt, wo die Partei- und Fraktionspräsidenten der Bundesratsparteien sitzen. Die übrigen Plätze in der hintersten Reihe werden oft von den Vizepräsidenten und -Präsidentinnen von Partei und Fraktion eingenommen sowie von erfahrenen Parlamentariern, die in wichtigen Komissionen sitzen.
Wegen Rücktritten und Abwahlen in den Reihen der Bundesratsparteien sind insgesamt acht Plätze in der begehrten hintersten Reihe frei geworden. Auf diese Plätze befördert wurden erfahrene Parlamentarier, die teilweise auch ein Partei- oder Fraktionsamt ausüben.
Bei der SP rutscht die Luzerner Konsumentenschützerin Priska Birrer-Heimo in die hinterste Reihe, bei der CVP die Nationalräte Stefan Müller-Altermatt (SO), Alois Gmür (SZ) und Bauernverbandspräsident Markus Ritter (SG).
Besonders interessant ist die Neubesetzung des durch den Rücktritt des langjährigen Fraktionschefs Adrian Amstutz frei gewordenen Sitz in der hintersten Reihe der SVP. Auf Platz 198 sitzt neu Magdalena Martullo Blocher. Auf diesem Sessel sass bereits ihr Vater Christoph, bevor er 2003 in den Bundesrat gewählt wurde.
Doch überbewerten sollte man die Hackordnung unter den Sitzreihen nicht. Denn längst nicht alle Ratsmitglieder wünschen sich, möglichst schnell in einer der hinteren Reihen zu sitzen, weiss SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi zu berichten. Es gebe auch Leute, die gern vorne sitzen, denn diese würden öfters auf Fotos erscheinen.
ob die Frau auch ohne den Namen ihres Vaters politisch etwas erreichen würde?