Der Entscheid der Ständerätinnen und Ständeräte fällt überraschend aus. Und auch überraschend deutlich: Mit 10 zu 2 Stimmen bei einer Enthaltung spricht sich die zuständige Kommission des Ständerats für eine nationale Elternzeit aus. Heute haben Frauen in der Schweiz nach der Geburt Anspruch auf mindestens dreieinhalb Monate Mutterschaftsurlaub, Männer auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Im internationalen Vergleich ist das enorm wenig.
Nun wollen die Ständeräte eine Ausweitung «eingehend und sorgfältig» prüfen. Das klingt erst einmal nach wenig, ist aber bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass noch vor wenigen Jahren vier Wochen Vaterschaftsurlaub politisch chancenlos waren. Das Parlament einigte sich auf zwei Wochen. Die Stimmbevölkerung stimmte dem Kompromiss 2020 zu.
Befürworterinnen und Befürworter einer Elternzeit wollen sich nicht zu früh freuen. Dennoch sagt die Berner SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen, sie sei «positiv überrascht» vom Entscheid. Sie selbst ist Mitglied der Kommission, die den Grundsatzentscheid gefällt hat. Zum Umdenken habe wohl auch die Wirtschaftslage geführt, sagt sie.
Das bestätigt Kommissionspräsident Damian Müller, FDP-Ständerat aus Luzern. «Die Frage steht im Raum, ob eine Elternzeit allenfalls eine Möglichkeit sein könnte, um den Arbeitskräftemangel zu entschärfen», sagt er. Gleichzeitig nennt die Kommission aber auch die Gleichstellung und eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf als Argumente.
Dazu kommt Druck aus den Kantonen. Mehrere Westschweizer Kantone und das Tessin forderten den Bund auf, eine schweizweite Elternzeit einzuführen. Die Stimmbevölkerung des Kantons Genf hatte im Sommer 2023 Ja zu einer Elternzeit von 24 Wochen gesagt. Doch der Bundesrat pfiff den Kanton zurück: Der Sololauf sei nicht mit dem Bundesrecht vereinbar.
Inzwischen steht auch wieder eine nationale Volksinitiative in den Startlöchern. Eine überparteiliche Allianz, angeführt von den Grünen, wird im Frühling die Familienzeit-Initiative lancieren. Die Forderung: je achtzehn Wochen für Mutter und Vater.
Dass man auch im Parlament Handlungsbedarf erkannt habe, sei ein wichtiger Schritt, findet Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone. «Doch es ist noch ein sehr weiter Weg.» Um wirklich Gleichstellung zu erreichen, brauche es ein Modell, das Väter wirklich in die Verantwortung nehme. Das heisst: gleich viele Wochen Urlaub für beide Elternteile.
Als Nächstes werden sich nun die Sozialpolitikerinnen und -politiker des Nationalrats mit dem Thema befassen. Zudem wird der Bund bald einen Bericht veröffentlichen, der aufzeigt, was verschiedene Elternzeitmodelle der Wirtschaft effektiv bringen. Auf dieser Basis werde man dann weiterschauen, sagt Kommissionspräsident Damian Müller. Was die Kommission jetzt schon betont: Kristallisiert sich ein Modell heraus, das sich wirtschaftlich lohnt, müsse eine «pragmatische Lösung» gefunden werden, die «finanziell tragbar» sei. Oder wie es Müller formuliert: «Am Schluss hat das Ganze ein Preisschild.»