Mit einem Bonmot verabschiedet sich Viola Amherd aus dem Bundesratsamt: «Böse Zungen soll man reden lassen.» Die Verteidigungsministerin sagte das anlässlich ihrer Rücktrittserklärung am Mittwochnachmittag auf die Feststellung, ihre Kritiker würden sich nun das Maul zerreissen, sie flüchte vor den Problemen in ihrem Departement.
Amherds Antwort zeigt, dass sie ihre Schlagfertigkeit in sechs Jahren im Bundesrat nicht verloren hat. Und sie signalisiert eine gewisse Gelassenheit gegenüber politischem Lärm wie jenem der Rücktrittsaufforderung der SVP an ihre Adresse von diesem Wochenende. Es ist ausgeschlossen, dass die Walliser Mitte-Bundesrätin, deren Abneigung gegen die SVP fast mit Händen zu greifen ist, mit ihrer Rücktrittsankündigung auf Ende März nun ausgerechnet der SVP gehorcht.
Dass sie nicht mehr lange im Amt ausharren würde, hatte sich längst abgezeichnet. Nicht zuletzt, weil ihre politische Wegbegleiterin, Brigitte Hauser-Süess, auf Ende letzten Jahres definitiv in Pension gehen musste. Schon im Sommer 2023 schrieb diese Zeitung in einem Porträt über Amherd: «Sie käme im Bundesrat auch ohne ihre engste Beraterin zurecht. Die Frage ist bloss: Wird sie Lust darauf haben?» Jetzt zeigt sich: offensichtlich nicht.
Amherd hat ihren Entscheid angeblich allein – um nicht zu sagen: einsam – gefällt. Sie stellt damit die Mitte bis zur Ersatzwahl im März vor eine Zerreissprobe, bei der mithin die Zukunft der Partei auf dem Spiel steht.
Zwar hat Gerhard Pfister den Namenswechsel der CVP zur Mitte vor vier Jahren geschmeidig über die Bühne gebracht. Doch der Prozess, der mit einer Neupositionierung als dritter Pol im politischen Zentrum einherging – sprich: mit einem Linksrutsch – ist in der Partei und insbesondere innerhalb der Bundeshausfraktion alles andere als abgeschlossen.
Schon lange tobt ein Machtkampf zwischen den Kräften der Erneuerung um Pfister einerseits und andererseits einer Gruppe konservativer Ständeräte, die in ihren Positionen mitunter der FDP näherstehen als der neuen Parteilinie. Gleich in mehreren wichtigen Dossiers ist die Mitte zerstritten: etwa in der EU-Politik, wo Amherd einen Brüssel-freundlichen Kurs verfolgt. Bei der eigenen Mitte-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe, deren Finanzierung in Milliardenhöhe unklar ist. Oder nach dem russischen Angriff bei Fragen zur Neutralität und der indirekten Rüstungshilfe für die Ukraine.
Wiewohl sich Pfister und Amherd nicht besonders nahestehen: Abgesehen von der EU-Politik waren sie in diesen Dossiers auf einer Linie – und sie standen gegen die konservativen Kräfte mit Ständeräten wie Beni Würth, Beat Rieder, Peter Hegglin oder dem Bauernpräsidenten Markus Ritter.
Die Ausmarchung, wer die Mitte künftig im Bundesrat vertreten wird, ist deshalb mehr als nur eine Personalfrage. Für die Mitte ist Amherds Nachfolge eine Richtungswahl, die für die Zukunft der Partei insgesamt eine wegweisende Bedeutung hat. Für Pfister, der als möglicher Amherd- Nachfolger gehandelt wird, geht es dabei auch darum, seine Mitte-Reform in die Zukunft zu retten.