Und schon folgt der nächste Knall in diesem vermeintlich ruhigen Politjahr. Und schon wieder kommt er aus der Mitte-Partei: Bundesrätin Viola Amherd kündigte am Dienstag ihren Rücktritt auf Ende März an. Gänzlich überraschend kommt der Schritt nicht. Seit Monaten wird über einen baldigen Abgang der 62-jährigen Oberwalliserin spekuliert.
Dennoch wirkten am Mittwoch so ziemlich alle überrumpelt. Das liegt am Zeitpunkt: Ein Bundesratsrücktritt zu Beginn eines Jahres ist höchst ungewöhnlich. Auch die Vorlaufzeit bis zur Wahl in der Frühjahrssession ist relativ knapp, obwohl sie bei Simonetta Sommaruga Ende 2022 kürzer war. Sie ging allerdings wegen der schweren Krankheit ihres Mannes.
Bei Amherd liegt kein Notfall vor. Der Abgang so kurz nach dem Ende ihres Präsidialjahres lässt einen Verdacht aufkommen: Sie hat die Nase gestrichen voll. Genug von den Pannen im VBS. Genug von den Querelen mit Karin Keller-Sutter um das Militärbudget. Genug vom Genöle der Bürgerlichen wegen der angeblich fehlenden Strategie zur Aufrüstung der Armee.
Dabei hat sie eine spektakuläre Entwicklung hingelegt. Nach der Wahl 2018 als Nachfolgerin von Doris Leuthard musste sie gegen ihren Willen das Verteidigungsdepartement übernehmen, als erste Frau. Damals war sie das «Mauerblümchen» im Bundesrat. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor bald drei Jahren erlebte das Departement jedoch eine ungeahnte Aufwertung.
Viola Amherd hat dies sichtlich genossen. Obwohl sie zuvor nichts mit Sicherheitspolitik am Hut hatte, liess sie mehrere Gelegenheiten zu einem Departementswechsel ungenutzt verstreichen. Als Höhepunkte ihrer Amtszeit lassen sich das knappe Ja des Stimmvolks zum Kampfjet F-35 sowie die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock im letzten Jahr einstufen.
Allerdings musste die Mitte-Politikerin zur Kenntnis nehmen, dass es keine einfache Aufgabe ist, eine zusammengesparte Milizarmee wieder kriegstauglich zu machen. Der Dauerknatsch um die Erhöhung des Armeebudgets war nur ein Aspekt. Amherds Personalentscheide beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und beim Rüstungskonzern Ruag sorgten ebenfalls für Unruhe.
Nun tritt sie nach etwas mehr als sechs Jahren ab, eine eher kurze Amtszeit für ein Mitglied des Bundesrats. Nicht einmal die Frauenfussball-EM im Sommer wollte sie abwarten. Sie wäre ein Höhepunkt in ihrer Funktion als Sportministerin gewesen. Auch deshalb hat man den Eindruck, dass sie mit gestrecktem Mittelfinger abtritt, nach dem Motto «lmaA».
Die Rücktrittsforderung der SVP am letzten Wochenende war vielleicht der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Vor den Medien wirkte Amherd am Dienstag gelöst, was in solchen Fällen keine Seltenheit ist. Sie kann in der Erkenntnis abtreten, dass niemand den Anspruch der Mitte-Partei auf den (noch) einzigen Bundesratssitz bestreiten wird.
Bei der Nachfolge denkt man an Gerhard Pfister, der letzte Woche seinerseits den Rückzug als Parteipräsident auf Mitte Jahr angekündigt hatte. Amherd hat den Zuger offenbar erst kurz vor der Öffentlichkeit informiert, was die Gerüchte über ein nicht konfliktfreies Verhältnis zwischen Bundesrätin und Parteichef anheizt.
Allerdings verwies Amherd auch darauf, dass an der Parteispitze eine Interimslösung möglich wäre. Man hatte den Eindruck, ein verschmitztes Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen. Für die Mitte hat der zeitliche Ablauf sogar einen Vorteil. Wer im Bundesratsrennen auf der Strecke bleibt, kann sich danach immer noch für das Parteipräsidium bewerben.
Viola Amherd war keine überragende Bundesrätin. Vermissen wird man sie trotzdem, denn sie ist sympathisch und nahbar. Erleben konnte man dies im Dezember an der Präsidialfeier für Karin Keller-Sutter in Wil. Amherd hielt eine launige Rede, für die sie einige Lacher erntete, etwa mit Vergleichen zwischen dem Walliser und dem St.Galler Dialekt.
Ihre Nachfolge wird vermutlich am 12. März geregelt. Gespannt sein darf man, wer sie im Verteidigungsdepartement «beerbt». Infrage käme Ignazio Cassis, falls er, wie von der FDP erhofft, noch einige Zeit im Bundesrat bleibt. Wechselt Beat Jans zeitgleich ins EDA, müsste Amherds Nachfolgerin oder Nachfolger das ungeliebte Justizdepartement übernehmen.
(Ich hoffe nicht und gehe nicht davon aus, dass das wirklich der entscheidende Grund war!)
Bin sehr gespannt, was Dettling und Co jetzt sagen - konsequenterweise müssten sie jetzt den Rösti ins VBS drängeln. Wo soll der sonst hin, wo er nicht mal eine Autobahn zustande kriegt :-D
Andererseits haben die SV-Bundesräte vor Amherd die Armee bereits in den Salat geritten...
Schau'n wer mal - Fortsetzung folgt...