Wer soll die 4,2 Milliarden Franken zahlen, welche die AHV ab 2026 zur Finanzierung der 13. AHV-Rente braucht? Der Ständerat stimmte im Sommer für eine Mischrechnung aus höheren Lohnabgaben und Mehrwertsteuer und schlug zudem vor, die Arbeitslosenversicherung anzuzapfen.
Der Nationalrat hat sich nun mit knapper Mehrheit für ein anderes Konzept entschieden: Alleine die Mehrwertsteuer soll es richten. Eine befristete Erhöhung um 0,7 auf 8,8 Prozent spült dem Vorsorgewerk ab 2027 rund zwei Milliarden Franken pro Jahr in die Kasse. 2030 endet der Steuerbeitrag wieder. Der Ausbau der AHV würde also nur kurzfristig finanziert.
Das Konzept hat sich gegenüber vier Varianten durchgesetzt. Nur: Am Schluss der Debatte sind fast alle Parteien unzufrieden. Das schickte SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr ganz am Anfang voraus: «Was jetzt auf dem Tisch liegt, wird niemanden wirklich begeistern.» Zusammen mit der FDP wehrte sich die SVP für eine Finanzierung der AHV, die alleine aus höheren Steuern und Abgaben besteht. Sie verlangten im Gegenzug eine strukturelle Reform der AHV. Allerdings scheiterten sämtliche Anträge aus dem bürgerlichen Lager, die Vorlage abzuschmettern oder zu verschieben.
Unzufrieden sind indes auch Mitte, SP und Grüne. Sie setzten sich zwar für eine Finanzierung ein, das schulde die Politik der Bevölkerung, die der 13. AHV-Rente deutlich zugestimmt hat. Mitte-links lehnte zunächst das Konzept ab, das sich am Ende durchsetzte. SP-Nationalrätin Barbara Gysi erklärte, die befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer sei eine «fahrlässige Lösung», weil sie die Finanzierung nur für drei Jahre sichert. Der Aufwand lohne sich für eine derart kurze Frist nicht. Und doch stimmte Gysi zusammen mit Mitte-links am Schluss zu. Andernfalls wäre die Finanzierung ganz durchgefallen.
Zufrieden an diesem Mittwochabend sind nur die GLP und ihr Kommissionssprecher Patrick Hässig. Er setzte sich nämlich mit seinem Konzept durch. Hässig erklärte seinen Vorschlag zum Kompromiss, zur einzigen mehrheitsfähigen Alternative. Er sollte recht behalten.
Die verhärteten Fronten im Parlament führten indes zu sehr knappen Ergebnissen. Mitte-links hielt zusammen. Für das von SP, Grünen und Mitte favorisierte Konzept fehlten am Schluss sechs Stimmen. Die abgespeckte Variante des Ständerats erwies sich so als härtester Konkurrent. Es sah vor, die Zusatzrente über höhere Lohnabgaben zu zahlen, im Gegenzug würden die Abgaben an die Arbeitslosenversicherung gesenkt. Das bedeutete netto eine Erhöhung der Lohnprozente um 0,1 Prozent. Die Mehrwertsteuer sollte um 0,4 Prozent erhöht werden.
Zum Vergleich: Der Ständerat will die Lohnabgaben um netto 0,2 Prozentpunkte erhöhen, die Mehrwertsteuer um 0,5 Prozentpunkte. Dieser Vorschlag liegt immer noch auf dem Tisch. Für eine Finanzierung müssen sich nicht nur die Ratskammern einigen. Auch die Bevölkerung muss über eine Änderung der Mehrwertsteuer abstimmen.
Obwohl der Vorschlag schlank erscheint, wehrten sich FDP, GLP und SVP mit Händen und Füssen: Die arbeitende Bevölkerung solle nicht weiter belastet werden. Als besonders stossend taxierten die Gegner aber die Zusatzklausel, über welche ein weiterer Rentenausbau bereits hätte vorfinanziert werden sollen. Werden die Renten der Ehepaare dereinst erhöht, wie dies die Mitte per Initiative fordert, steigen die Lohnabgaben und die Mehrwertsteuer automatisch weiter.
SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr sprach von einem «unfairen Päckli» und von «Schadensbegrenzung». Die SVP unterstütze eine befristete Mehrwertsteuererhöhung, um Schlimmeres zu verhindern. Das ist zwar so weit gelungen. Doch Kröten schlucken müssen alle Seiten. Das von SVP und FDP favorisierte Konzept einer Schuldenbremse für die AHV unterlag ebenfalls. Die Mehrwertsteuer wäre demnach erst um 0,5 Prozentpunkte erhöht worden, wenn der AHV-Fonds unter eine Deckung von 90 Prozent fällt. Gleichzeitig wäre aber auch das Rentenalter um ein halbes Jahr erhöht worden.
Dagegen sprach sich nicht nur Mitte-links, sondern auch die GLP aus – und verhalf so dem hauseigenen Konzept zum Erfolg. Das letzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen. Die beiden Räte haben sehr unterschiedliche Konzepte für die AHV-Finanzierung entworfen. Für ein Gelingen müssen sie sich annähern. (aargauerzeitung.ch)
Noch mehr kosten auf die Erwerbstätigen abzuwälzen wäre nicht fair gewesen.