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Könnten die Städte mehr Flüchtlinge aufnehmen? Das sagen Zürich und Bern

Könnten die Städte mehr Flüchtlinge aufnehmen? Das sagen Zürich und Bern

Bund, Kantone und Gemeinden stossen bei der Aufnahme von Geflüchteten und Asylsuchenden an ihre Grenzen. Doch in vielen Städten hat es noch freie Betten. Versagt das System?
01.03.2023, 03:1201.03.2023, 03:12
Chiara Stäheli / ch media
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«Die Städte haben ganz viel Platz.»: Eine Aussage von Nationalrätin Aline Trede (Grüne/BE) lässt aufhorchen. In der TeleZüri-Sendung «SonnTalk» betonte die Fraktionschefin der Grünen am vergangenen Sonntag, dass die Städte noch genügend Kapazitäten zur Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen hätten.

Trede verweist dabei auf eine Petition, welche verschiedene Schweizer Städte mit Unterstützung der Grünen vor drei Jahren lanciert haben. Sie schlossen sich damals zu einer Allianz zusammen und teilten öffentlichkeitswirksam mit, dass sie bereit wären, mehr Geflüchtete als gemäss Verteilschlüssel definiert aufzunehmen.

Asylzentrum
Die Schweiz rechnet für das laufende Jahr im wahrscheinlichsten Szenario mit rund 27’000 neuen Asylgesuchen.Bild: Keystone

Teil dieser Allianz war auch die Stadt Zürich. In einer Medienmitteilung der Grünen liess sich der Sozialvorsteher der Stadt Zürich, Raphael Golta, vor einem Jahr wie folgt zitieren: «Die Stadt Zürich ist bereit, mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen. Ich unterstütze alle Bestrebungen, die dies künftig möglich machen.» Dieses Credo gilt in Zürich noch immer. Auf Anfrage teilt die Stadt mit, dass man das «Kontingent bereits erfüllt» habe und dennoch weiterhin Personen aufnehme, weil die Stadt Zürich noch über «genügend Unterkünfte» verfüge.

Knapp 350 freie Plätze rund um die Stadt Bern

Auch die Stadt Bern beteiligte sich an der Allianz – und zeigt sich nach wie vor offen dafür, «über den Pflichtteil hinaus Personen aus dem Asylbereich aufzunehmen», wie Claudia Hänzi, Leiterin des Sozialamts der Stadt Bern, mitteilt. Das habe man gegenüber Bund und Kanton «immer wieder» signalisiert. In den vergangenen Monaten habe die Stadt Bern bereits etwas mehr Personen in ihren Perimeter aufgenommen, als nach Verteilschlüssel erforderlich gewesen wäre. Diese Bereitschaft bestehe weiter, so Hänzi.

Aktuell seien im Perimeter Stadt Bern und Umgebung noch 82 Plätze für Personen mit Status S frei, weitere 265 Plätze seien «für Engpässe und für sämtliche Personengruppen» reserviert. Die Plätze befinden sich in der temporären Unterkunft im Viererfeld.

Ähnlich sieht es in Luzern aus, wie der Antwort auf eine kürzlich eingereichte Interpellation zu entnehmen ist: «Die Bereitschaft der Stadt Luzern, mehr Flüchtlinge aufzunehmen als gefordert, gilt auch in der aktuellen Situation.» Schon heute seien mehr als ein Drittel aller im Kanton lebenden Menschen mit einem Flüchtlingsstatus in der Stadt Luzern wohnhaft.

Der Stadtkanton Basel-Stadt teilt indes mit, dass zwar noch ausreichend Reserveplätze für die Unterbringung von zugewiesenen Geflüchteten vorhanden seien. Doch: «Die Aufnahme von Geflüchteten über den Anteil gemäss national geltendem Verteilschlüssel hinaus wäre nicht umsetzbar.»

Flüchtlingshilfe kritisiert rigide Durchsetzung

Auf Anfrage stellt sich Grünen-Präsident Balthasar Glättli hinter Parteikollegin Aline Trede: «Es gibt immer wieder Gemeinden und Kantone, die sich bereit erklären, mehr Geflüchtete aufzunehmen, als gemäss Verteilschlüssel vorgesehen ist.» Das werde allerdings durch den Föderalismus blockiert: «Der starre Mechanismus verhindert, dass sich Gemeinden solidarisch zeigen können». Das mache aus Sicht der Grünen keinen Sinn.

Nationalrat und Parteipraesident Balthasar Glaettli, ZH, von der Bundeshausfraktion der Gruenen Partei Schweiz, aeussert sich an einer Pressekonferenz zur Bundesratskandidatur fuer die Nachfolge von U ...
Der Parteipräsident der Grünen, Balthasar Glättli.Bild: keystone

Leise Kritik bringt auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe an: Grundsätzlich unterstütze man die «solidarische Verantwortungsteilung, wonach sich alle Gemeinden bevölkerungsproportional an der Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten beteiligen». Doch: «Der Verteilschlüssel sollte nicht rigide durchgesetzt werden.» Wenn einzelne Gemeinden noch freie Plätze hätten und andere Gemeinden voll seien, «sollten sie sich gegenseitig aushelfen». (aargauerzeitung.ch)

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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Müller Lukas
01.03.2023 07:11registriert August 2020
Joaah, bin für einmal voll mit Frau Trede einverstanden.
Wenn es in der Stadt Zürich noch derart viel ungenutzten, günstigen Wohnraum gibt, macht es sicher Sinn, die Migranten primär dort unterzubringen... Vor allem wenn dadurch die grassierende Wohnungsnot auf dem Land gelindert werden kann 😉👍
Ein bisschen verwirrt bin ich dann aber doch. Ich dachte bisher, auch in Zürich sei Wohnraum tendentiell eher rar...
Da lag ich aber anscheinend komplett falsch, wenn mitten in der grössten Flüchtlingskrise seit langem immer noch "ganz viel Platz" (?) für Migranten vorhanden ist 😄
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Schlüsselblüemli
01.03.2023 07:25registriert April 2020
Der Verteilschlüssel (proportional zu Bevölkerungszahl) ist die beste Erfindung überhaupt in der Asylpolitik. Genau das müsste für ganz Europa umgesetzt werden (aber man diskutiert lieber sit 20 Jahren darüber).

An den Schlüssel halten (rigoros)- und wer mehr will, soll mehr bekommen (aber nacher nicht motzen 🙈)
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BG1984
01.03.2023 08:54registriert August 2021
Trede wohnt ja auch im Hippen Breitsch. Die Flüchtlinge werden im Temporären Flüchtlingszentrum in der Länggasse zwischenversorgt und landen dann irgendwann in einer Baufälligen Wohnung in Bümplitz, von der Immobilienfirma von Erich Hess und Thomas Fuchs.
Ich kann nur sagen, dass die Überfälle in der Länggasse zugenommen haben. Das übrigens nicht durch Ukrainer, sondern weil sie wieder Afrikaner dort unterbringen.
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