«Er ist offenbar ein gut organisierter, junger Mann», sagte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider letzte Woche über den Luzerner Ständerat Damian Müller. Um den FDP-Politiker entstand eine Kontroverse wegen seiner vielen Ämter. Müller präsidiert neben der ständerätlichen Gesundheitskommission etwa auch das Forum Gesundheit Schweiz und ist designierter Vorsitzender des Medizintechnikverbands Schweiz. Dazu hält er weitere Mandate. Anlass zur öffentlichen Kontroverse war die Wahl Müllers zum Verwaltungsratspräsidenten des Luzerner Kantonsspitals (Luks) mit 8000 Mitarbeitenden. Am Samstag zog Müller die Reissleine. Er verzichtet auf das Luks-Mandat – um Schaden von der Institution abzuwenden.
Die zuständige Luzerner Gesundheitsdirektorin Michaela Tschuor sagte nach Müllers Rückzug gegenüber der Luzerner Zeitung, die Regierung habe dessen politische Vernetztheit zu positiv gewichtet. «Im heutigen gesellschaftspolitischen Umfeld, in dem die Gesundheitskosten immer weiter steigen, haben aber offenbar viele Menschen Angst vor einer Ämterkumulation, vor einer Machtkonzentration, die eine gute Vernetztheit mit sich bringen kann». Vernetztheit sei heute eher negativ behaftet.
Die Frage, die sich in der Causa Müller und bei andern Politikerinnen und Politikern stellt: Wann ist ein Ämtli eines zu viel? Eine Frage, die an den Grundfesten der Schweiz rüttelt. Denn vor allem Bürgerliche sind stolz auf das Milizparlament. Die Idee, dass jemand einem Job nachgeht und nebenbei Politik macht – und seine Erfahrungen aus der richtigen Arbeitswelt im Bundeshaus einbringt. Damit die Parlamentarier nicht zu einer abgehobenen Kaste von Berufspolitikern werden.
Die Realität ist aber auch: Nur wenige Parlamentarierinnen und Parlamentarier gehen einem «operativen Job» bei einem Arbeitgeber nach, wie es der freisinnige Nationalrat Andri Silberschmidt auf Anfrage nennt. Auch er selbst habe sich für eine «Portfolio-Karriere» entschieden. Sprich: verschiedene Engagements neben seinem Nationalratsamt. Silberschmidt ist etwa Sekretär des Verwaltungsrates beim Logistiker Planzer, engagiert in seinem eigenen Gastro-Unternehmen Kaisin, Verwaltungsrat der Jucker-Farm oder Präsident von FH Schweiz.
Silberschmidt zieht aber auch eine rote Linie. Solange er Mitglied der nationalrätlichen Gesundheitskommission sei, nehme er kein Mandat aus der Gesundheitsbranche an: «Das will ich selber nicht». Es sei ein 90-Milliarden-Franken-Markt, der sehr stark reguliert sei. Die Politik gibt die Regel vor, die Wertschöpfung geschieht bei vielen verschiedenen, vorwiegend privaten Akteuren. Oder mit anderen Worten: Das Parlament nimmt mit seinen Entscheiden direkten Einfluss auf die Gewinne von Krankenkassen, Pharmafirmen oder Spitälern.
Der FDP-Nationalrat will unabhängig bleiben. Die Ablehnung jeglicher Mandate im Gesundheitsbereich sichere ihm «nötige Freiheit», sagt Silberschmidt.
Das Gesundheitswesen hat besonders viele Lobbyisten in Bern. Wer Mitglied einer der beiden Gesundheitskommissionen ist, bekommt immer wieder Anfragen für Mandate. Auch Silberschmidt wurde schon für ein Verbandspräsidium im Gesundheitswesen (Lohn: 130'000 Franken pro Jahr) angefragt oder von einem Versicherer angegangen. In dessen Beratungsgremium finden sich Parlamentarier von SP, Mitte, GLP und SVP. Der «Blick» hat am Samstag auf einer Doppelseite alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit einem Amt oder Ämtchen in der Gesundheitsbranche aufgelistet. Nicht jeder Job ist aber gleich wichtig – und gleich verdächtig.
So sitzen etwa mit Patrick Hässig (GLP/ZH) ein Pfleger oder mit Bettina Balmer (FDP/ZH) eine Ärztin im Nationalrat. Zwar sind beide (noch) nicht Mitglied der Gesundheitskommission, doch auch wenn: Für Silberschmidt wären beide Fälle unproblematisch. Denn sie gehen neben der Politik ihrem angestammten Beruf nach. Sie sind also Milizler im besten Sinne.
Der St.Galler Mitte-Nationalrat Markus Ritter gilt als einflussreichster Lobbyist in Bundesbern. Er ist Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes – sein einziges Mandat. Und eine «grosse Kiste». Ritter will Erfolg haben und sich nicht verzetteln. «Ich bin ein Anhänger der Maxime: Konzentration der Kräfte.»
Das Sammeln von Ämtern sieht er nicht per se als Problem an. Es gelte auch zu unterscheiden, welches Gewicht sie haben, ob sie bezahlt sind oder nicht. Ein Nationalratsmandat entspreche etwa einem 50-Prozent-Job, die Entschädigung liege bei 130'000 Franken pro Jahr, sagt Ritter. Viel gehe davon aber für Spesen drauf, also Hotelübernachtungen, Essen, SBB etc. «Auch in Bern kann man nicht nur von Luft und Liebe leben.» Für Ritter sind Mandate neben dem Parlamentsjob grundsätzlich kein Problem. Im Gegenteil: Sie würden dafür sorgen, dass die Parlamentarier mit der Arbeitswelt verbunden bleiben.
Eine Problem sieht Ritter aber doch: In den Gesundheitskommissionen sei die Dichte an Interessensvertretern einfach sehr hoch. Und dann sässen sie auch noch in mehreren Parteien. Und in der Landwirtschaft? «Weniger ein Problem», sagt Ritter. In der Wirtschaftskommission des Nationalrates sässen nur drei Bauern-Vertreter, das sei weit von einer Mehrheit entfernt.
Damian Müller übrigens wird zwar nicht Luks-Präsident. Aber schon Mitte Mai wird er zum Präsidenten des Schweizer Fleisch-Fachverbands gewählt. Ritters Worte dürften ihn beruhigen: Die Landwirtschaft ist weniger toxisch als die Gesundheitsbranche.
Nur weil er Ende Jahr bei der Steuerrechnung grosszügig Abzüge für Reisespesen geltend macht, heisst das noch lange nicht dass er auf seine Privilegien verzichtet.
Da hat wohl einer vollkommen die Übersicht verloren was er noch so alles auf Kosten der Steuerzahler in den Allerwertesten geblasen bekommt!