Schweiz
Gesellschaft & Politik

Andreas Glarner macht es sich im schlüpfrigen Podcast bequem

Sex und Politik: Glarner macht sich im Frauen-Podcast breit – und man lässt ihn gewähren

Im Podcast «Die Thronfolge» reden zwei Frauen eigentlich über schlüpfrige Themen. Nun haben sie SVP-Nationalrat Andreas Glarner eingeladen und versuchten sich in der politischen Debatte. Vergebens.
19.03.2025, 18:2920.03.2025, 11:31
Linda Leuenberger / ch media
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Glarner im Podcast.
Bild: sc/youtube

Normalerweise geht es um Sex. Die beiden ehemaligen Radio-Energy-Moderatorinnen Dara Masi und Karin Bearpark nehmen in ihrem Podcast «Die Thronfolge» kein Blatt vor den Mund. Sie besprechen Dickpics, Geschlechtskrankheiten, Lästereien, solche Sachen. Am besten passt das Konzept wohl ins Genre Laberpodcasts. Subgenre: Schlüpfrig.

Nun wagen sich die beiden in neue Gefilde. Das solle kein Politpodcast werden, sagen Masi und Bearpark zu Beginn der neusten Folge. «Aber heute wird's bitzli politisch.»

Sie wollen die Schweiz «tabuloser» machen, und darum dürfen «auch mal kontroverse Personen» auf dem Thron Platz nehmen. Den Anfang macht: SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Einer, in Bearpark und Masis Worten, der umstrittensten Rechtsaussenpolitiker der Schweiz. Dann folgt eine Triggerwarnung.

Glarner: «Ich komme gerne nochmals»

Das Ganze dauert fast anderthalb Stunden, und dafür, dass die Folge nur «bitzli politisch» werden sollte, geht es fast ausschliesslich um Politik. Irgendwann fragen Masi und Bearpark Glarner zwar schon noch, ob er mit Ü60 ein tolles Sexleben habe («Ja, super, ja würkli, jaja») und was seine Lieblingsstellung sei (keine Antwort).

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SVP-Nationalrat Andreas GlarnerBild: keystone

Glarner sagt seltsame Dinge, wie dass er sich für seine erwachsenen Töchter wünsche, dass sie guten Sex hätten. Oder er sagt problematische Dinge, wie dass er froh ist um «den Service» der Prostitution, weil es sonst wohl mehr Vergewaltigungen gäbe.

Der Rest der Folge besteht aus politischen Diskussionen. Wirklich ernst und tiefgründig werden die beiden Moderatorinnen aber nie. Selbst dann nicht, als Glarner Karin Bearpark mehrmals anmacht. Alles hihi und haha.

Am Schluss fragt Bearpark kumpelhaft: «Und, findest du, wir waren ausgewogen genug in diesem Gespräch?»

Andreas Glarner: «Ich habe mich unglaublich wohlgefühlt!»

Bearpark: «Sicher?! Hm, okay. Dann haben wir's falsch gemacht.»

Glarner, belustigt: «Ja, sorry. Ich komme gerne nochmal.»

Dara Masi: «Nächstes Mal streiten wir mehr. Jetzt haben wir uns erst angenähert.»

Glarner: «Klar, wenn es euren Podcast nach dieser Folge mit mir noch gibt.»

Glarner bleibt weitgehend unwidersprochen

Glarner bleibt unbedrängt. Masi und Bearpark versuchen zwar, ihn herauszufordern. Man spürt, dass sie glauben, genau das zu tun. Aber in den eigentlichen, kritischen Punkten lassen sie seine Aussagen unwidersprochen.

Sie stellen nicht infrage, ob es stimmt, wenn Glarner insinuiert, dass «die Ausländer» an Staus und Wohlstandsschwund schuld seien, dass es etwas wie «Überbevölkerung» oder «Asylmissbrauch» gibt. Dass man «die Wahrheit» sagen muss, oder, wie er nachschiebt, immerhin «das, was man für wahr hält». Die Moderatorinnen lassen gelten, dass er von «zivilem Widerstand» spricht, als er sich als Gemeindepräsident von Oberwil-Lieli weigerte, zehn Geflüchtete aufzunehmen.

Sie stocken nicht, als er im Trump-Jargon sagt, er wolle «unsere grosse Schweiz zurückholen». Oder wenn er beteuert, es gebe hierzulande durchaus rechtere Akteure als ihn, nämlich die Junge Tat, eine Gruppe gewaltbereiter Neonazis.

Glarner stellt sich als der Missverstandene dar, den die Zeitungen absichtlich negativ abbilden. Der «aneckt», weil er sich getraue, «Klartext» entgegen des «Mainstreams» zu reden. «Einige finden, du polarisierst, seist ein Wutbürger», sagt Dara Masi an einer Stelle. «Oder würdest du sagen, du bist einfach ehrlicher als andere?»

Etwas aufschlussreicher ist es, als das Trio über Geschlechteridentitäten redet. Hier scheinen die Moderatorinnen mehr zu wissen, und entgegnen ihm energischer. Wenn auch immer noch ohne seine Argumente wirklich zu entkräften.

Moderatorinnen verfehlen ihr Ziel

Was war nun das Ziel dieser Übung?

Offenbar wurden Masi und Bearpark schon vor der Ausstrahlung kritisiert, Glarner eingeladen zu haben. «Warum sollte man einem Menschen, der öffentlich Hetze gegen AusländerInnen, Trans*-Menschen und Linke betreibt, zu Wort kommen lassen?», schreiben sie selber in der Beschreibung der Folge.

Sie sagen, sie wollten Glarner kennenlernen, um zu sehen, was in ihm «schlummert». Sie wollten «Tabus» brechen. Dabei scheint ihnen entgangen zu sein, wie sie Glarner genau das tun liessen, worauf er abzielt: Seine Ansichten zu verharmlosen.

Klar, mit rhetorisch geübten Politikern zu reden, ist schwierig. Aber die Moderatorinnen haben gewusst, was – wer – auf sie zukommt. Glarner sagt nichts Neues, es sind alles bekannte Haltungen und Phrasen. Von zwei Frauen, die sich politisch auf dem linken Spektrum verordnen, journalistische Erfahrung haben und sich Feministinnen nennen, darf erwartet werden, dass sie die teils schmerzhaft offensichtlichen Schwachpunkte in seiner Argumentation offenzulegen vermögen.

Gerade auch wegen ihrer Reichweite in den Sozialen Netzwerken hätten sie sich die Mühe machen müssen, zu beweisen, dass sie mit ihm umgehen können. Stattdessen haben sie ihm den Gefallen getan, sich als sympathischen Vater darzustellen, der halt ein bisschen konservativ ist. (aargauerzeitung.ch)

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53 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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John H.
19.03.2025 18:42registriert April 2019
«Die Thronfolge» kenne ich nicht und werde diesen Podcast wahrscheinlich auch nicht hören. Froh wäre ich, ich würde auch Glarner nicht kennen und hätte nie etwas von ihm gehört.
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Hold my beer
19.03.2025 19:15registriert Juli 2022
Ich kenne Andy Glarner und ich möchte ihn NICHT besser kennen lernen. Randy Andy - der ist sich anscheinend für nichts zu schade um seine enge Weltanschauung zu verbreiten.

Es hat nichts mit Prüderie zu tun, wenn ich nichts über das Sexleben eines einflussreichen Politikers, dem ich im Alltag begegne, erfahren möchte.
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Amadeus
19.03.2025 20:16registriert September 2015
Was mich so langweilt ist die ständige Opferrolle von Rechtspopulisten. Nein, Andy, die Leute und die Medien sind nicht gegen dich, weil du Klartext redest. Man widerspricht dir, weil du andere angreifst, schlecht machst und Morddrohungen aussetzt
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