Kriminelle Clans und dubiose Akteure breiten sich auch in der Schweiz aus. Unter anderem profitieren sie landauf, landab vom chronischen Ressourcenmangel bei der Polizei. Es fehlt in weiten Teilen des Landes, in Gemeinden und Kantonen, an Personal, das ihnen auf die Finger schaut.
Aber das Bundesamt für Polizei (Fedpol) unter der abtretenden Direktorin Nicoletta della Valle sieht sich vor allem von rechts aussen dem Vorwurf ausgesetzt, es brauche nicht mehr Leute, es setze sein Personal falsch ein.
So wandte sich SVP-Finanzpolitiker Lars Guggisberg (BE) in der Frühlingssession im Nationalrat gegen eine Ressourcenüberprüfung bei Fedpol und stellte den Antrag: «Das Fedpol wird aufgefordert, sich intern so aufzustellen, dass es nicht zu Ressourcenknappheiten kommt.»
Anlass war ein Postulat der Finanzkommission, die verlangte, die Frage der Fedpol-Ressourcen extern überprüfen zu lassen. Für die Kommission begründete Aline Trede (Grüne, Bern) den Vorstoss damit, dass von den rund 1000 Fedpol-Mitarbeitenden nur 136 für Ermittlungsarbeiten zugunsten der Bundesanwaltschaft zuständig seien, was bei dieser für Kritik sorge.
«Oft hören wir vom Bundesrat, aber auch direkt vom Fedpol, dass im Zusammenhang mit kriminellen Organisationen in der Schweiz ein erhebliches Sicherheitsrisiko bestehe», erläuterte Aline Trede. Da könne man doch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen: «Wir müssen wissen, ob wir die innere Sicherheit nur über beispielsweise 200 neue Stellen garantieren können oder ob wir diese ganz oder zumindest teilweise durch eine Umstrukturierung sichern können».
Die geschlossene SVP und die bis auf eine Enthaltung ganze FDP wollten aber nichts von einer Überprüfung wissen. Das Postulat wurde deshalb nur haarscharf, mit 92 zu 91 Stimmen, überwiesen.
Die Leichtigkeit, mit der der rechtsbürgerliche Teil des Nationalrats über das Problem hinwegging, steht in krassem Kontrast zum Umstand, dass die Anforderungen an Polizeibehörden, auch an Fedpol, in den letzten Jahren ganz offensichtlich massiv zugenommen haben.
Besonders exponiert ist bei Fedpol die Bundeskriminalpolizei (BKP), die unter ihrem Leiter Yanis Callandret unter anderem in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität aktiv ist. Ihr wurde zuletzt immer wieder vorgehalten, sie liefere zu wenig. Insbesondere zu wenig Untersuchungen zuhanden der Bundesanwaltschaft.
Um Klarheit zu bekommen, wollte CH Media wissen, wie sich das Arbeitsvolumen der Bundeskriminalpolizei in den letzten Jahren entwickelt hat.
Fedpol stellte Zahlen aus sechs zentralen Bereichen im Verantwortungsbereich der Bundeskriminalpolizei zusammen (siehe Grafik). Die Zahlen sind als Grössenordnung zu verstehen, sie wurden von den betroffenen Abteilungen einzeln zusammengetragen und können aufgrund unterschiedlicher Erhebungsart leicht variieren.
Einvernahmen: Die Zahl der Einvernahmen, die die Bundeskriminalpolizei durchführte, hat sich in den letzten fünf Jahren rund verdreifacht. Während es im Jahr 2019, also vor Corona, noch rund 150 Einvernahmen pro Jahr waren, lag diese Zahl im Jahr 2023 bei rund 450.
Personen in Untersuchungshaft: Vor zehn Jahren befanden sich im Schnitt noch sechs oder sieben Leute im Zuständigkeitsbereich von Fedpol in Haft. Diese Zahl hat sich mittlerweile etwa vervierfacht. Bis 2019 stieg sie auf etwa 15. Zwischen 2019 und 2023 hat sie sich nochmals fast verdoppelt, auf um die 30 Fälle.
U-Haft-Fälle müssen prioritär behandelt werden. Sie binden über Wochen oder einige Monate hinweg besonders viele Ressourcen, weil kurze Fristen laufen, weil Erkenntnisse gewonnen, Beweismittel zuhanden des Zwangsmassnahmengerichts beschafft werden müssen, das über die Verlängerung oder Aufhebung der Haft entscheidet.
Der starke Anstieg der Anzahl Personen in U-Haft zeigt insgesamt, dass der «Motor» von Bundeskriminalpolizei und Bundesanwaltschaft immer hochtouriger läuft.
Der Ausreisser nach unten im Jahr 2021 ist auf die Pandemie zurückzuführen. «Die Einschränkung in der Mobilität und im Handel wirkte sich auch auf die Aktivität der Verdächtigen aus», sagt Fedpol-Sprecher Patrick Jean. «So konnten in den laufenden Verfahren entsprechend weniger Beweismittel zusammengetragen werden, die als Grundlage für Haftfälle aber erforderlich sind.»
Polizeiliche Ermittlungen: 2019 waren es etwas weniger als 20, 2023 etwas mehr als 20 «polizeiliche Ermittlungen». Eine leichte Zunahme also. Gemeint sind jene Ermittlungskomplexe, die die BKP aufgrund eigener Erkenntnisse einleitet. Die Ausreisser nach oben 2020 und 2021 waren insbesondere auf Fälle im Pandemie-Kontext (Drohungen gegen Personen, für deren Schutz Fedpol zuständig ist) zurückzuführen.
Dass die Zahl der polizeilichen Ermittlungen nicht stärker gestiegen ist, hängt laut Fedpol auch damit zusammen, dass man Aufträge, die von der Bundesanwaltschaft kamen, zuletzt gegenüber dem Eröffnen eigener polizeilicher Ermittlungen priorisiert habe. Dass es trotzdem einen Anstieg gab, sieht man als Beleg dafür, dass die Bundeskriminalpolizei «trotz Zunahme der gesamthaften Arbeitslast versucht, initiativ zu bleiben, und die Kriminalität proaktiv bekämpft».
Verfahren der Bundesanwaltschaft: Das sind die «aktiv betriebenen Ermittlungsfälle im Auftrag der Bundesanwaltschaft» in deren Strafverfahren. Das sind Verfahren, die unterschiedlichen Ausmasses sein könnten. Klar ist: Die Anzahl dieser Verfahren hat sich in den letzten fünf Jahren von rund 150 auf 300 in etwa verdoppelt.
Schriftverkehr Operativer Austausch: Gemeint ist der Austausch mit Kantonspolizeien oder mit anderen in- oder ausländischen Partnerbehörden sowie Europol und Interpol in operativen Fällen. Die Arbeitslast hier hat sich seit 2019 praktisch verdoppelt, wie die Fedpol-Zahlen zeigen: Von etwa 36'000 Vorgängen auf 62'000. Grund sei die «zunehmende Internationalität der Ermittlungen, sowohl beim Bund als auch bei den Kantonen».
Verdachtsmeldungen Kriminalität gegen Kinder: Fedpol erhielt letztes Jahr 14'420 sogenannte NCMEC-Meldungen, das waren etwa 6000 mehr als noch 2019 oder ebenfalls fast eine Verdoppelung. Gemeint sind hier Verdachtsmeldungen über vermisste, ausgebeutete oder sexuell missbrauchte Kinder. Der Ausdruck NCMEC geht zurück auf die vom US-Kongress eingerichtete gemeinnützige Organisation National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC). Die starke Zunahme hänge «erstens mit den verbesserten Algorithmen der Internetanbieter zur Erkennung von verbotenem Material zusammen», so Fedpol.
Zweitens damit, dass es die Menge an verbotenem pornografischem Material online zugenommen habe. So seien immer mehr Bilder und Videos im Umlauf, «die Kinder und Jugendliche von sich selbst herstellen und verschicken». Fedpol prüfe alle Meldungen und leite sie bei strafrechtlicher Relevanz mittels Rapporten an die Kantone weiter. Diese Rapporte dienten den Kantonen als Grundlage für weitere Ermittlungen und allenfalls Strafverfahren.
Das Arbeitsvolumen der Sicherheitsbehörden hat angesichts von verstärkt aus der Schweiz heraus und immer raffinierter und vernetzter agierenden Mafiabanden, Kokainhändlern, Geldautomatensprengern und so weiter zugenommen. Auch Tätergruppen wie Terroristen, Dschihadisten, Antisemiten, Waffenschieber, Cyberkriminelle, Kriegsverbrecher oder Staatsverweigerer beschäftigen die Behörden zunehmend.
Die Auswertung der Daten aus dem geknackten Kryptomessenger-Dienst Sky ECC, über den Kriminelle weltweit kommunizierten und ihre Anwesenheit in der Schweiz dokumentierten, absorbiert enorme, spezialisierte Ressourcen. Weil diese knapp sind, kann ein Grossteil nicht rechtzeitig ausgewertet werden, was internationalen Verbrechern zugutekommt.
Weil Bundesanwalt Stefan Blättler weit stärker als sein Vorgänger gegen organisierte Kriminalität vorgeht, ist von Fedpol mehr und andere Unterstützung gefordert als noch bei Vorgänger Michael Lauber, der auf Wirtschaftskriminalität fokussierte. Die Anforderungen ans Personal in Sachen Flexibilität, Spezialkenntnisse, Ausbildung und Einsatzbereitschaft verändern sich und steigen ständig.
Nicht Schritt gehalten mit der steigenden Arbeitslast hat der Personalbestand. Bei der Bundeskriminalpolizei liegt er nach wie vor bei rund 400 Stellen. Jener von Fedpol beträgt insgesamt rund 1000 Stellen. Laut den Geschäftsberichten nahm er seit 2019 um rund 8 Prozent zu.
Gemäss Angaben von Fedpol haben sich in der Bundeskriminalpolizei per 30. November 2023 rund 30'000 Stunden an «Gleitzeitguthaben, Überzeiten und Mehrarbeiten» angesammelt. Bei Fedpol insgesamt waren es rund 53'000 Stunden. Der Grossteil müsse ausbezahlt werden, weil es aufgrund des neu anfallenden Arbeitsvolumens nicht möglich sei, die Überzeit zu kompensieren. Personalverschiebungen innerhalb des Bundesamts würden, so Fedpol, die Problematik also bloss «verlagern und nicht lösen».
Während Länder wie Belgien ihre Bundespolizei im Kampf gegen das organisierte Verbrechen massiv verstärkt haben, passiert in der Schweiz bisher wenig bis nichts. (aargauerzeitung.ch)
Sind sie dann aber gewählt wollen sie von all dem nichts mehr wissen, kein müder Rappen wollen sie für die Ausführung ihrer Parolen freigeben, stattdessen werden nutz- dafür aber kostenlose Erhöhungen von Mindeststrafen gefordert.
Die Rechnung geht auf, ihr Zielpublikum interessiert sich traditionell nicht dafür was ihre Helden im Parlament tatsächlich treiben.
Die Total-Überstunden-Zahl finde ich sodann als eher schwierig: je nach Branche lacht man über einen Überzeitsaldo von 50 bis 75 Stunden. Ob das dann sozial ist, ist wiederum eine andere Frage. Aber es ist die Realität in ganz vielen, gut und weniger gut bezahlten Branchen und zeigt wohl noch viele andere Probleme und Missstände.