Soll die Prostitution verboten und Freier, die für sexuelle Dienstleistungen Geld bezahlen, bestraft werden? Diese Debatte ist nicht neu. Obwohl die Forderung in der Schweiz bisher kaum Erfolgschancen hat, muss sich das Parlament immer wieder damit beschäftigen. So auch am Mittwoch. Die EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller forderte in einer Motion, dass der Kauf von Sex unter Strafe gestellt wird.
Sie argumentiert, Prostitution füge den Betroffenen schweren Schaden zu und sei fast immer mit Zwang verbunden. Die meisten Frauen, die im Sexgewerbe tätig sind, würden ihre Tätigkeit sofort aufgeben, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Streiff-Feller schreibt: «Ein Sexkaufverbot bestraft die Freier und nicht die Prostituierten. Es verringert die Nachfrage und die Lukrativität von Menschenhandel.»
Was Streiff-Feller vorschlägt, ist das sogenannte «nordische Modell». Es handelt sich um eine asymmetrische Kriminalisierung, sprich nicht die Person, die sexuelle Dienstleistungen anbietet, wird bestraft, sondern der Kunde. Vorbild ist Schweden, das 1999 erstmals ein entsprechendes Gesetz eingeführt hat. In verschiedenen Variationen gilt inzwischen auch in Norwegen, Island, Kanada, Nordirland, Frankreich, Irland und Israel das nordische Modell. Das Ziel eines Sexkaufverbots ist, die Prostitution weitgehend einzudämmen, indem die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen reduziert wird.
Doch der Vorschlag ist umstritten. Nicht nur bei den Politikerinnen und Politikern, auch Fachkreise streiten seit Jahren darüber, was für die Betroffenen besser ist: ein Verbot oder die Legalisierung der Prostitution? Das nordische Modell wird international gesehen vorwiegend von Organisationen unterstützt, die der Ansicht sind, dass Prostitution grundsätzlich eine Form von Gewalt sei und dementsprechend zu verbieten sei.
In der Schweiz wird diese Haltung beispielsweise von der Frauenzentrale Zürich vertreten. Sie ist der grösste Dachverband von Frauenorganisationen im Kanton Zürich. Deren ehemalige Präsidentin, Andrea Gisler, äusserte sich in einem Interview mit watson ausführlich zum Prostitutionsverbot. Heute ist Gisler unter anderem im Vorstand der Alliance F und Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen.
In Schweden habe das nordische Modell dazu geführt, dass die Prostitution und der Menschenhandel zurückgegangen seien. «Noch wichtiger ist, dass es ein Umdenken in der Gesellschaft gegeben hat. Das Verbot hat etwas in den Köpfen der Menschen bewirkt. Bereits Kinder wissen: Man kauft keine Frauen wie Ware.»
Kritikerinnen werfen dem nordischen Modell vor, es wirke sich negativ auf die Arbeits- und Lebenssituation von Prostituierten aus. Das Modell werde vor allem von Interessengruppen befürwortet, die Prostitution nicht als legitime Erwerbsarbeit sehen und darum eine Regulierung, Legalisierung und Entkriminalisierung der Sexarbeit ablehnen. In der Schweiz sprechen sich viele Organisationen, die mit direkt Betroffenen arbeiten, gegen ein Verbot aus.
Darunter die Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration, FIZ. Gemäss Geschäftsführerin Lelia Hunziker biete ein Sexkaufverbot keinen verbesserten Schutz gegen sexualisierte Gewalt. Dies würden Erfahrungen und Berichte zeigen. «Im Gegenteil: Ein Sexkaufverbot drängt das Sexgewerbe in die Illegalität, schadet den Sexarbeitenden und führt zu einer Verschlechterung ihrer Lebenssituation wie auch der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Ein Sexkaufverbot schützt nicht die Betroffenen, sondern entzieht ihnen ihre Existenzgrundlage.»
Würden Freier für den Erwerb von sexuellen Dienstleistungen kriminalisiert, so müsste das Anwerben, das Verhandeln versteckt, geheim und schnell gemacht werden, so Hunziker. Sexarbeitende könnten nicht mehr zusammen arbeiten, die Sicherheit würde leiden, der Verhandlungsspielraum würde kleiner. Gerade auch die Erfahrungen in den Ländern mit einem Sexkaufverbot hätten gezeigt, dass dann die Arbeit gefährlicher werde. «Es gibt nicht weniger Sexarbeit. Jedoch sinkt der Schutz und die Stigmatisierung steigt.»
Die Motion von EVP-Politikerin Streiff-Feller blieb am Mittwoch im Nationalrat chancenlos. 172 sprachen sich gegen das Sexkaufverbot aus. Nur elf dafür. Auch der Bundesrat lehnte die Motion ab. In seiner Begründung schrieb er, in der Fachwelt sei umstritten, ob ein Sexkaufverbot tatsächlich die gewünschte Wirkung zeige. «Das nordische Modell ist für die Schweiz nicht geeignet. Das Erotikgewerbe würde sich in die Illegalität verlagern, wodurch die Stellung der Sexarbeiterinnen geschwächt würde.»
Damit dürfte die Debatte wieder vom Tisch sein – vorerst.
Die Gesamt-Prostitution sinkt nach vielen Studien eben nicht, wird nur in die OK abgedrängt unter SEHR viel schlechteren Bedingungen, ohne jeden Schutz der Sexarbeiterinnen und oft unter medizinisch und hygienisch sehr schwierigen Umständen.
Die "legale Prostitution" geht natürlich zurück, aber nicht der Markt...
Die polnischen Erntehelfer und die tamilischen Abwascher würden auch mehrheitlich andere Jobs machen, wenn sie eine andere Möglichkeit hätten.
Wenn aber eine Osteuropäerin lieber einen Freier bedient, als 10 Stunden zu putzen, hat das noch nicht zwangsläufig etwas mit Ausbeutung zu tun.
Ich kenne auch Schweizerinnen, die das während dem Studium so gemacht haben.
Sind halt weder hier noch anderswo alles nur brave Hausfrauen und Kirchgängerinnen, auch wenn diese Vorstellung euch überfordert.
Dann soll man die Frauen helfen, Möglichkeiten bieten, nicht ihre Arbeit unmöglich machen, dann haben sie gar nichts mehr, oder noch schlimmer, verschwinden im illegalen Circuit.