Ein Präsident spielt verrückt: Mit seiner Unterschrift unter nicht einmal mit der eigenen Verwaltung abgesprochene Dekrete löst Donald Trump diplomatische Verwerfungen und weltweites Chaos aus. Rechtsanwälte und sogar Bundesstaaten gehen juristisch gegen ihn vor.
Was sich gegenwärtig in den USA abspielt, ist mit der beschaulichen Schweizer Politik kaum vergleichbar. Doch warum eigentlich nicht? Weshalb versucht niemals ein Bundesrat, die Macht seines Amtes in trumpscher Manier auszunutzen?
Zu verdanken ist das unserem fein austarierten politischen System, das seit 1848 grössten Wert auf Machtteilung legt – eine Erfolgsgeschichte.
Trotzdem wird über Detailfragen bis heute gerungen: So arbeitet das Parlament aktuell eine Vorlage aus, mit der es den Einfluss des angeblich immer mächtigeren Bundesrates im Gesetzgebungsprozess begrenzen möchte. Doch der Reihe nach.
Auch wenn sich die USA im 18. Jahrhundert mit der Begründung vom britischen König losgesagt hatten, er sei ein Tyrann, gaben sie ihrem Präsidenten Befugnisse, auch gegen und ohne das Parlament zu regieren: «Executive Orders» wie jener Erlass, mit dem Trump vor zwei Wochen ein Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimisch geprägten Ländern verhängte.
Solche providentiellen Dekrete sind von den Behörden unverzüglich anzuwenden und nur durch Gerichte umzustossen (siehe Kasten «Verfassungsgerichtsbarkeit»).
Auch der Schweizer Bundesrat hat die Möglichkeit, den demokratischen Prozess auszuhebeln: mit dem Rückgriff auf Notrecht. Artikel 185 der Bundesverfassung erlaubt es ihm, ohne gesetzliche Grundlage Verordnungen und Verfügungen zu erlassen, um «unmittelbar drohenden Störungen der öffentlichen oder der inneren und äusseren Sicherheit zu begegnen».
Letztmals tat er dies vor acht Jahren, als er die UBS ohne Zustimmung von Parlament und Volk mit einer Finanzspritze von sechs Milliarden Franken alimentierte und die Grossbank ermächtigte, die von US-Behörden geforderten Steuerdaten herauszugeben.
Im Regierungsalltag aber kann kein Bundesrat zum Tyrann werden: Jedes Mitglied wird von sechs Kollegen im Zaum gehalten, da alle wichtigen Entscheide im Kollegium gefällt werden.
Zudem üben National- und Ständerat die Oberaufsicht über den Bundesrat, die Verwaltung und die Gerichte aus – keine Institution ist stärker als die 246 Parlamentarier, deren Hauptaufgabe die Gesetzgebung ist. So jedenfalls sieht es die Gewaltentrennung vor.
Viele Volks- und Ständevertreter allerdings beschweren sich, ihr Hebel gegenüber Regierung und der personell stark gewachsenen Verwaltung werde immer kürzer. Ihre Kritik: Letztere beiden nützten ihre Kompetenz, Verordnungen zu erlassen und so die vom Parlament ausgearbeiteten Gesetze anwendbar zu machen, zur Durchsetzung eigener Ziele.
Um die Macht der Exekutive einzuschränken, hat der Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi 2014 via parlamentarische Initiative die Einführung eines Verordnungsvetos gefordert. Wenn mindestens ein Drittel eines Rates innert zweier Wochen nach Erlass einer Verordnung einen entsprechenden Antrag stellt, soll das Parlament in der darauf folgenden Session über die Verordnung abstimmen und sie zur Überarbeitung an den Bundesrat zurückweisen können.
«Ich sehe das Verordnungsveto als eine Art Notbremse», sagt Aeschi. «Diese werden wir ziehen, wenn der Text stark vom während des Gesetzgebungsprozesses geäusserten Willen des Parlamentes abweicht.» In letzter Zeit sei dies wiederholt passiert, etwa beim Lebensmittel- oder dem Energiegesetz.
Nachdem während Jahrzehnten Anläufe für ein Verordnungsveto am Ständerat gescheitert waren, gab die staatspolitische Kommission der kleinen Kammer im August ihre Einwilligung zur Änderung des Parlamentsgesetzes. 2018 steht die definitive Entscheidung der beiden Räte an.
Ein grosses Thema ist das Verordnungsveto gegenwärtig auch in den Kantonen.
Gegen das Veto macht sich der Zürcher Grünen-Nationalrat Bastien Girod stark. «Die viel behauptete Machtverschiebung zum Bundesrat und zur Verwaltung hat gar nicht stattgefunden», sagt er.
«Wenn eine Verordnung nicht dem entspricht, was das Parlament wollte, muss es sich selbst an der Nase nehmen – dann war es bei der Ausarbeitung des Gesetzes zu unsorgfältig.»
Wenig vom Instrument hält auch Felix Uhlmann, Staatsrechtsprofessor an der Uni Zürich. «Ein Veto ist unnötig, verzögert den Erlass von Verordnungen und reduziert die Flexibilität der Rechtssetzung», sagt er.
Zudem drohe eine Verpolitisierung der Verwaltung, da sich das Feilschen verschiedener Interessen um einen Kompromiss von der Gesetzes- auf die Verordnungsstufe verlängere.
Er empfehle, grundsätzlich von Änderungen abzusehen: «Unser System funktioniert alles in allem ausgezeichnet: Die Schweiz wird international beneidet für die Qualität ihres Gesetzgebungsprozesses.»
Gleiches kann man von den USA nicht behaupten. Zumindest nicht zu Zeiten Trumps.