Nach dem knappen Volksnein zum Autobahnausbau gehen die Interpretationen des Votums auseinander. Das Lager der Sieger will nun mehr Geld für den öffentlichen Verkehr und für Velowege. Die SVP hingegen will das gesparte Geld den Autofahrern zurückgeben.
Die Grünen schrieben am Sonntag, der geplante Autobahnausbau wäre übertrieben, überholt und überteuert gewesen. «Der heutige Tag läutet die Verkehrswende in der Schweiz ein», liess sich Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone zitieren.
Ins gleiche Horn stiess die SP. Das Nein zum Autobahnausbau sei ein klares Bekenntnis der Stimmbevölkerung zu mehr Klimaschutz und öffentlichem Verkehr, schrieb die Partei. Die Umweltorganisation Umverkehr verlangte ein Moratorium für den Bau von Nationalstrassen.
Mazzones Vorgänger Balthasar Glättli doppelte wenig später auf der Plattform X mit einem konkreten Vorschlag nach. Die durch den Volksentscheid freigewordenen Gelder sollten für den Klimaschutz eingesetzt werden, forderte der Zürcher Nationalrat.
Nach Megastrassen-Nein fordern GRÜNE: Autobahn-Geld für den Klimaschutz verwenden!
— Balthasar Glättli🌻 🕊 (@bglaettli) November 24, 2024
Bundesrat Rösti vertrödelt Umsetzung des Klimaschutzgesetzes (angenommen mit 59,1%) ohne Respekt vor dem Volksmehr. Nach dem historischen NEIN gegen Megastrassen muss Rösti endlich handeln!… pic.twitter.com/MWUkmxoK5D
Ganz anders sieht das die SVP. Nun brauche es eine sofortige Senkung der Mineralölsteuer, forderte sie in ihrer Stellungnahme. Das Geld, das im Nationalstrassenfonds für die nun abgelehnten Projekte reserviert gewesen sei, müsse den Autofahrerinnen und Autofahrern zugute kommen.
Diesem Anliegen erteilte SVP-Bundesrat Albert Rösti jedoch noch am selben Abend eine Abfuhr. In den nächsten Jahren würden Nationalstrassenausbauprojekte verwirklicht. «Diese kosten entsprechend den heutigen Einnahmen der Mineralölsteuer.» Die an der Urne abgelehnten Projekte wären erst ab 2033 umgesetzt worden.
Jetzt müsse der Fokus auf sichere Velowege gelegt werden, verlangte dagegen Pro Velo Schweiz. Der Bund solle sich in diesem Bereich stärker finanziell engagieren.
Man nehme das Ergebnis mit einer enormen Erleichterung auf, liess die Umweltorganisation Greenpeace verlauten. Sie sprach von einem ermutigenden Zeichen für die Entwicklung einer nachhaltigen Mobilität mit dem Einbezug aller Verkehrsmittel.
Ähnlich tönte es von den Grünliberalen: «Nun ist der Weg frei, um mit smarten und umweltfreundlicheren Lösungen unsere Mobilität zu organisieren», liess sich die Zürcher Nationalrätin Barbara Schaffner in einer Mitteilung zitieren.
Ganz anders der Tenor auf der Befürworterseite. Das Problem sei nur aufgeschoben, schrieb das Komitee «Ja zur Sicherung der Nationalstrassen». Stau und Ausweichverkehr kosteten Wirtschaft und Gesellschaft weiterhin jedes Jahr Milliarden. Es bestehe weiterhin dringender Handlungsbedarf.
Getragen wurde die Ja-Kampagne unter anderem vom Schweizerischen Gewerbeverband (SGV), den Automobilverbänden TCS und ACS, dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sowie dem Nutzfahrzeugverband Astag.
Für die Abstimmungsverlierer ist ein punktueller Ausbau nicht vom Tisch. Teil der Allianz war auch Auto-Schweiz, der Verband der Autoimporteure. Dieser forderte, nach dem Nein zum Paketansatz müsse die Beseitigung von Engpässen im Autobahnnetz künftig mit Einzelvorlagen angegangen werden.
Die in der Vorlage enthaltenen Projekte müssten nun überarbeitet werden, schrieb auch der Schweizerische Baumeisterverband, ebenfalls Teil des Ja-Komitees.
Auch was die Gründe für den Ausgang der Abstimmung angeht, waren die beiden Lager uneins. Aus Sicht von David Raedler, dem Co-Präsidenten des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS), drangen die Gegner mit dem Argument durch, wonach höhere Kapazitäten des Problem des Staus längerfristig nicht lösen.
Die SVP hingegen sieht in dem Volksnein hingegen ein Votum gegen die ihrer Ansicht nach masslose Zuwanderung. Die Ablehnung der Autobahn-Projekte sei die Quittung der Stimmbevölkerung für die verantwortungslose Politik der anderen Parteien und der Wirtschaftsverbände.
Die FDP warf den linken Ausbaugegnern eine populistische Angstkampagne im Stile des gewählten US-Präsidenten Donald Trump vor. Das Ergebnis sei Reformstau.
Schützenhilfe erhalte die «ideologisierte Linke» zunehmend von der SVP: «Die ehemals bürgerliche Basis der SVP bröckelt zum wiederholten Mal gewaltig, nachdem sie heuer schon bei zwei Rentenvorlagen mit den Gewerkschaften gestimmt hat.»
Das dreifache Nein bei den heutigen Abstimmungen ist ein Schlag gegen die Zukunft unseres Landes.
— FDP Schweiz (@FDP_Liberalen) November 24, 2024
Die FDP freut sich jedoch über das deutliche Ja zur Gesundheitsreform EFAS. 👇https://t.co/cxdi2gbKeF
Zurückhaltender äusserte sich die Mitte. Man bedaure die Ablehnung der Vorlage, schrieb sie. Ein gut funktionierendes Strassennetz trage zum Zusammenhalt der Schweiz bei. Den Entscheid gelte es nun zu akzeptieren und andere Lösungen zu finden. (sda)
Aber sie müssen es ja wissen, kennen sie sich ja damit sehr gut aus.