Es war ein spezieller Abstimmungssonntag. Die Schweiz, ein Volk der Mieterinnen und Mieter, hätte um ein Haar Ja gesagt zu zwei Vorlagen, die die Rechte der Hauseigentümer stärken wollten. Und die Schweiz, ein Volk von Autofahrenden, stimmte Nein zum Ausbau von mehreren Autobahnteilstücken, die das umliegende Strassennetz entlasten sollten.
Acht Jahre nach dem Ja zur zweiten Gotthardröhre landet die Autolobby auf dem Pannenstreifen. Das war im Vorfeld kaum zu erwarten. Überraschend ist das Resultat trotzdem nicht, es bestätigt den Trend der letzten Umfragen. Der Versuch von Bürgerlichen und Autoverbänden, ihre Klientel mit einem Schlusseffort zu mobilisieren, war ein Flop.
Das Ergebnis bestätigt den Trend der drei vorherigen Abstimmungssonntage: Ein Jahr nach dem Triumph der SVP bei den nationalen Wahlen setzt das Stimmvolk signifikante Akzente in die andere Richtung. Die Linke setzte sich bei der 13. AHV-Rente und der BVG-Reform durch, und das Nein zur Autobahnvorlage ist Balsam für die gebeutelten Grünen.
Die Befürworter haben mit dieser Pleite nicht gerechnet. In ersten Reaktionen interpretieren sie das Nein als Protest gegen die starke Zuwanderung. Doch die Vorlage wurde von den Frauen mehrheitlich abgelehnt, während die Männer dafür stimmten. Das deutet darauf hin, dass das Nein in erster Linie Ausdruck einer zunehmenden Wachstumsskepsis ist.
Dafür spricht, dass die Städte Basel, Schaffhausen und St.Gallen die Tunnelprojekte klar ablehnten, mit denen sie entlastet werden sollten. Auch Birsfelden (BL), wo das Südportal des geplanten Rheintunnels vorgesehen war, sagte sehr deutlich Nein. Die Kantone Genf und Waadt wollten den «Köder» des A1-Ausbaus ebenfalls nicht schlucken.
Die von Verkehrsminister Albert Rösti mantraartig verbreitete Behauptung, der Ausbau nütze den umliegenden Gemeinden und Regionen, stiess auf taube Ohren. Vielmehr scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass mehr Strassen einfach mehr Verkehr bedeuten. Der Kulturlandverlust dürfte ebenfalls zum Nein beigetragen haben.
Das Problem wird damit nicht verschwinden. Mobilität ist ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft, ob beim Pendeln oder während der Freizeit. Strassen und öffentliche Verkehrsmittel sind selbst an Wochenenden oft bis zur Kapazitätsgrenze belastet. Und ein effizientes Mittel zur Verkehrssteuerung wie Mobility Pricing stösst auf Ablehnung.
Die Suche nach Lösungen wird nicht einfacher, auch für Albert Rösti, der vom Stimmvolk die erste Niederlage seit seiner Wahl in den Bundesrat verpasst bekam. Das Nein zum Autobahnausbau reflektiert das Unbehagen gegenüber dem quantitativen (Bevölkerungs-)Wachstum. Die Zahl der Staustunden wird trotzdem weiter zunehmen.
Und dann auch noch die Immobilienlobby ausgebremst!
Booh, tut das gut. Wieder einmal erfreuliche Nachrichten nach all der Sch.. in den letzten Monaten.