Schweiz
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Nein zum Autobahnausbau: Eine Schlappe für Rösti und die Autolobby

Une personne avec un placard representant le conseiller federal Albert Roesti manifeste contre les projets d'extensions d'autoroutes ce samedi 5 octobre 2024 a Geneve. Le 24 novembre prochai ...
Demo in Genf gegen Albert Röstis Autobahnvorlage. Der Kanton lehnte sie ab.Bild: keystone
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Rösti und die Autolobby auf dem Pannenstreifen

Das Schweizer Stimmvolk hat den punktuellen Ausbau des Autobahnnetzes abgelehnt. Es ist ein Entscheid mit Signalwirkung. Der Strassenbau wird es künftig noch schwerer haben.
24.11.2024, 17:2324.11.2024, 17:47
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Es war ein spezieller Abstimmungssonntag. Die Schweiz, ein Volk der Mieterinnen und Mieter, hätte um ein Haar Ja gesagt zu zwei Vorlagen, die die Rechte der Hauseigentümer stärken wollten. Und die Schweiz, ein Volk von Autofahrenden, stimmte Nein zum Ausbau von mehreren Autobahnteilstücken, die das umliegende Strassennetz entlasten sollten.

Acht Jahre nach dem Ja zur zweiten Gotthardröhre landet die Autolobby auf dem Pannenstreifen. Das war im Vorfeld kaum zu erwarten. Überraschend ist das Resultat trotzdem nicht, es bestätigt den Trend der letzten Umfragen. Der Versuch von Bürgerlichen und Autoverbänden, ihre Klientel mit einem Schlusseffort zu mobilisieren, war ein Flop.

Video: watson/Emanuella Kälin

Das Ergebnis bestätigt den Trend der drei vorherigen Abstimmungssonntage: Ein Jahr nach dem Triumph der SVP bei den nationalen Wahlen setzt das Stimmvolk signifikante Akzente in die andere Richtung. Die Linke setzte sich bei der 13. AHV-Rente und der BVG-Reform durch, und das Nein zur Autobahnvorlage ist Balsam für die gebeutelten Grünen.

Städte wollen keine Tunnels

Die Befürworter haben mit dieser Pleite nicht gerechnet. In ersten Reaktionen interpretieren sie das Nein als Protest gegen die starke Zuwanderung. Doch die Vorlage wurde von den Frauen mehrheitlich abgelehnt, während die Männer dafür stimmten. Das deutet darauf hin, dass das Nein in erster Linie Ausdruck einer zunehmenden Wachstumsskepsis ist.

Dafür spricht, dass die Städte Basel, Schaffhausen und St.Gallen die Tunnelprojekte klar ablehnten, mit denen sie entlastet werden sollten. Auch Birsfelden (BL), wo das Südportal des geplanten Rheintunnels vorgesehen war, sagte sehr deutlich Nein. Die Kantone Genf und Waadt wollten den «Köder» des A1-Ausbaus ebenfalls nicht schlucken.

Mobilität ist ein Grundbedürfnis

Die von Verkehrsminister Albert Rösti mantraartig verbreitete Behauptung, der Ausbau nütze den umliegenden Gemeinden und Regionen, stiess auf taube Ohren. Vielmehr scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass mehr Strassen einfach mehr Verkehr bedeuten. Der Kulturlandverlust dürfte ebenfalls zum Nein beigetragen haben.

Das Problem wird damit nicht verschwinden. Mobilität ist ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft, ob beim Pendeln oder während der Freizeit. Strassen und öffentliche Verkehrsmittel sind selbst an Wochenenden oft bis zur Kapazitätsgrenze belastet. Und ein effizientes Mittel zur Verkehrssteuerung wie Mobility Pricing stösst auf Ablehnung.

Die Suche nach Lösungen wird nicht einfacher, auch für Albert Rösti, der vom Stimmvolk die erste Niederlage seit seiner Wahl in den Bundesrat verpasst bekam. Das Nein zum Autobahnausbau reflektiert das Unbehagen gegenüber dem quantitativen (Bevölkerungs-)Wachstum. Die Zahl der Staustunden wird trotzdem weiter zunehmen.

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Spatenstich für die zweite Röhre beim Gotthard
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Spatenstich für die zweite Röhre beim Gotthard
Zwei Arbeiter betrachten das Tunnel-Portal beim offiziellen Spatenstich in Göschenen.
quelle: keystone / urs flueeler
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Der Pendelstau-Selbstversuch auf der Autobahn
Video: watson
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420 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Linus Luchs
24.11.2024 17:36registriert Juli 2014
Bis gerade eben habe ich nicht nachgeschaut, wie abgestimmt wurde. Den Frust über das Ja zum Autobahnausbau sollte mir nicht den ganzen Sonntag versauen. Und jetzt das! 😃 Ich fass es nicht!

Und dann auch noch die Immobilienlobby ausgebremst!

Booh, tut das gut. Wieder einmal erfreuliche Nachrichten nach all der Sch.. in den letzten Monaten.
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giandalf the grey
24.11.2024 17:39registriert August 2015
Das Nein ist auch ein klares Vertrauensvotum in die Verkehrswissenschaft. Der empirisch erwiesene Fakt, dass eine Kapazitätserweiterung immer zu mehr Verkehr führt und daher ineffiziente Verkehrsarten wie der MIV strategisch ungefördert bleiben müssen, während effiziente Verkehrsarten wie der ÖV massiv ausgebaut werden müssen, wenn man mehr Personen effizient transportieren will, hat auch das Volk verstanden. Korrupte, Lobby gekaufte Politiker wie Rösti mag das aufregen, aber es kommt gut, wenn das Volk Wissenschaftliche Fakten versteht und anwendet. Daher auch der Kampf der SVP gegen Bildung.
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Sergeant Pepper
24.11.2024 17:32registriert November 2018
Jetzt haben wir 5Milliarden für das Projekt Carco sous terrain. Welches die Autobahn und Agglos von dem Schwerverkehr entlastet.
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