Das sehen Schweizerinnen und Schweizer als Zustimmung zum Sex
Darf man Menschen zum Sex überreden? Ist es unromantisch, wenn man nach der Zustimmung fragt? Und ist Schweigen ein Ja für mehr?
Diese und weitere Fragen hat das Meinungsforschungsinstitut gfs.bern im Auftrag von Amnesty International Schweiz rund 1000 Personen in der Schweiz gefragt. Im Folgenden die fünf spannendsten Auswertungen.
Was als Einwilligung zum Sex interpretiert wird
In der Amnesty-Umfrage wurden die Befragten unter anderem gefragt, was sie als Zustimmung zum Sex interpretieren. Spannend dabei sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
So sehen Männer bei verschiedenen Verhaltensweisen eher Spielraum für Zustimmung. Die Hälfte aller befragten Männer interpretiert es als Einwilligung zum Sex, wenn das Gegenüber bereits zuvor einer anderen sexuellen Handlung zugestimmt hat. Bei den weiblichen Befragten waren es nur 27 Prozent, die das so sehen.
Rund ein Drittel der befragten Männer und rund ein Fünftel der Frauen interpretierten es als Einwilligung, wenn das Gegenüber nicht Nein gesagt hatte. 34 Prozent der Männer und 12 Prozent der Frauen gaben zudem an, dass es eine Einwilligung zum Sex sei, wenn das Gegenüber nachgegeben hat, nachdem es überredet worden war.
15 Prozent der männlichen Befragten sind zudem der Meinung, dass es als Zustimmung zählt, wenn die Person zuvor immer zu Sex eingewilligt hat, aktuell aber gerade schläft. Bei den Frauen sind nur vier Prozent dieser Meinung.
Sex und Verhaltensweisen
Die Umfrageteilnehmenden wurden auch gefragt, welche Verhaltensweise sie in Ordnung finden und welche nicht. Einig ist man sich in einem Punkt: Eine Person zum Sex zu zwingen, geht absolut nicht in Ordnung. Auch mit jemanden Geschlechtsverkehr zu haben, der oder die nicht zurechnungsfähig ist, halten über 90 Prozent der Befragten für ein absolutes No-Go.
Beiläufige ungefragte Berührungen in der Öffentlichkeit oder anzügliche Sprüche unter Kolleginnen oder Kollegen finden hingegen 24 Prozent unter bestimmten Umständen in Ordnung. Auch eine Person zum Sex zu überreden finden 19 Prozent der Befragten eher oder unter bestimmten Umständen in Ordnung.
Weibliche und männliche Sexualität
Während man sich einig ist, dass die Zustimmung zum Sex wichtig ist, fällt es vielen schwer über ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse zu reden.
Besonders Männer scheinen damit Mühe zu haben: So gaben 46 Prozent aller Befragten an, dass Männer mit sexueller Kommunikation oftmals überfordert sind und darum unabsichtlich Grenzen überschreiten. Die Frauen hingegen scheinen komplexere sexuelle Bedürfnisse zu haben. Denn dieser Aussage stimmten rund 59 Prozent der Befragten zu.
Sex in Beziehungen
Die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer gab an, sich bei Beziehungen und Sexualität rücksichtsvoll zu verhalten. 81 Prozent gaben an, sich jeweils beim Gegenüber zu erkundigen, ob es mit jeder sexuellen Handlung einverstanden ist. 15 Prozent gaben an, dass sie beim Sex schon einmal eine Grenze überschritten haben.
42 Prozent der Befragten finden es zudem (eher) schwierig, die eigenen sexuellen Bedürfnisse und Vorlieben zu kommunizieren. 74 Prozent wiederum hat keine Mühe beim Sex anzuzeigen, wenn eine eigene Grenze überschritten wird.
Auch das Thema Zustimmung und Sex in Beziehungen wurde thematisiert: Dabei gaben 34 Prozent an, dass sie es (eher) unromantisch finden, eine Zustimmung für Sex einzuholen.
Besonders Frauen, die von sexualisierter Gewalt nach wie vor am meisten betroffen sind, empfinden das Einholen der Zustimmung nicht als unromantisch.
Zustimmungslösung im Sexualstrafrecht
Neben ihren persönlichen Ansichten und Erlebnissen wurden die Befragten auch zur Revision des Sexualstrafrechts befragt. Denn aktuell steht zur Debatte, dass das Nötigungsprinzip mit einer Zustimmungs- oder Ablehnungslösung ersetzt wird (Details dazu in der Infobox).
Gemäss der Amnesty-Umfrage ist die Mehrheit (45%) der Befragten für die Zustimmungslösung.
Für das «Ja-heisst-Ja»-Prinzip sprachen sich insbesondere jüngere Menschen aus. So waren 50 Prozent der befragten 18- bis 39-Jährigen der Meinung, dass diese am besten gegen sexualisierte Gewalt schützt.
Auch 40- bis 64-Jährige (45 Prozent) und über 65-jährige Personen (40 Prozent) sagten, dass eine klare Zustimmung am ehesten zu einvernehmlichem Sex führt.
Nur dann greift der Artikel 190 im Strafgesetzbuch und es handelt sich rechtlich gesehen um eine Vergewaltigung. Das heisst im Umkehrschluss auch, dass Männer per rechtliche Definition nicht vergewaltigt werden können. Sie können wohl aber sexuell genötigt werden, dies deckt Art. 189 im Sexualstrafrecht ab.
Die Politik diskutiert gerade über eine Anpassung des Sexualstrafrechts. Zur Debatte steht, dass das Nötigungsprinzip entweder mit einer Zustimmungslösung («Ja-heisst-Ja»-Prinzip) oder einer Ablehnungslösung («Nein-heisst-Nein»-Prinzip) ersetzt werden könnte.
Zustimmungslösung: Beim «Ja-heisst-Ja»-Prinzip braucht es die explizite Zustimmung der Partnerin oder des Partners zum Sex.
Ablehnungslösung: Beim «Nein-heisst-Nein»-Prinzip liegt eine Vergewaltigung vor, wenn eine Person Nein gesagt hat und es dennoch zum Sex kommt.
27 Prozent aller Befragten sprachen sich für die Ablehnungslösung aus. Dieser Meinung war Mitte Februar auch die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats. Ihr zufolge sollen bei der Revision des Sexualstrafrechts die Tatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung basierend auf der «Nein-heisst-Nein»-Lösung ausgestaltet werden.
Der Erlassentwurf und ein Bericht seien dem Ständerat und dem Bundesrat zur Stellungnahme unterbreitet worden. Es sei vorgesehen, den Entwurf in der Sommersession im Ständerat als Erstrat zu beraten, hiess es in der Medienmitteilung vom Februar. Die Zustimmungslösung war damit vorerst vom Tisch.
Lea erklärt die Revision des Sexualstrafrechts:
Mit Material der sda