Strafanzeige gegen FDP-Nationalrat Simon Michel: Das sagt alt Bundesrat Schneider-Ammann
Wer hat den Solothurner FDP-Nationalrat Simon Michel angezeigt? Gegen den Unternehmer liegt bei der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige wegen Ehrverletzung vor. Sie führte umgehend dazu, dass die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität geprüft wird. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei der von Michel beleidigten Person um keinen Geringeren handelt als alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Beide sind Mitglieder der FDP.
Michel hatte in einem Post auf LinkedIn gemutmasst, Schneider-Ammann sei nicht mehr imstande, einen Zeitungsartikel zu schreiben («er kann aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr so schreiben»). Michel, ein Befürworter der EU-Verträge, hatte sich geärgert, weil Schneider-Ammann in der NZZ einen Gastbeitrag gegen die neuen bilateralen Abkommen publiziert hatte. Er vermutete, jemand anders habe den Text verfasst.
Michel: «Uns beiden liegt viel an der Schweiz»
Als nun die Strafanzeige einging, wurde spekuliert: Hat Schneider-Ammann den Nationalrat angezeigt? Auf mehrfache Versuche, ihn auf dem Handy zu erreichen, hat der frühere Wirtschaftsminister nicht reagiert. Am Freitagnachmittag dann teilte der Anwalt der Ammann-Gruppe mit: «Ich kann Ihnen mitteilen, dass Herr Schneider-Ammann weder eine Strafanzeige gegen Herrn Michel eingereicht hat noch einen Strafantrag gegen ihn stellen würde. Herr Schneider-Ammann weiss auch nicht, wer die Anzeige eingereicht hat.» Weitere Kommentare gebe er nicht ab.
Dazu passt eine kurze Stellungnahme Michels, die er auf Anfrage der «Schweiz am Wochenende» zukommen lässt: Die Klage habe nichts mit alt Bundesrat Schneider-Ammann zu tun. Sie stünden in Kontakt: «Uns ist es ein Anliegen, einen inhaltlichen Austausch zu führen, da uns beiden viel an der Schweiz liegt», schreibt Michel. Um welchen anderen Vorfall einer möglichen Beleidigung es bei der Klage gehen könnte, sagt er nicht.
Schneider-Ammann will keinen Wirbel
Bei Ehrverletzungen handelt es sich um sogenannte Antragsdelikte – die Staatsanwaltschaft kann also nur tätig werden, wenn das mutmassliche Opfer oder ein Direktbetroffener einen Strafantrag stellt. Da Michel als Nationalrat unter parlamentarischem Schutz steht, darf die Staatsanwaltschaft erst ermitteln, wenn die Immunitätskommission des Nationalrats die Aufhebung dieses Schutzes bewilligt.
Die Immunität schützt Parlamentsmitglieder vor strafrechtlicher Verfolgung für Handlungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit stehen. Die Aufhebung ist selten. Meist lehnen die zuständigen Kommissionen solche Gesuche ab, weil sie den Schutz des politischen Mandats höher gewichten. Nur in wenigen Fällen, etwa bei klar persönlichen oder ehrverletzenden Aussagen ausserhalb der parlamentarischen Tätigkeit, wird der Schutz aufgehoben – so im Fall von SVP-Nationalrat Andreas Glarner.
Schneider-Ammann selbst scheint Michel nicht böse zu sein. Noch vor der Anzeige, aber nach der FDP-Delegiertenversammlung, sprach CH Media mit ihm. Die Sache sei für ihn erledigt, sagte er und klang dabei entspannt. Nach seinem kurzen Abstecher in die Öffentlichkeit, via NZZ-Gastbeitrag, möchte der 73-Jährige jetzt wohl vor allem eines: Ruhe haben. (aargauerzeitung.ch)
