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Wegen Autobahn: In Muttenz könnten 110 Familien ihre Gärten verlieren

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Auf der Autobahn A3 bei Muttenz stehen die Autos zu Stosszeiten so gut wie immer im Stau.Bild: watson/ aylin erol

«Lölitunnel!» Mega-Projekt bei Muttenz sorgt für rote Köpfe

Am 24. November stimmt die Schweiz über den nationalen Autobahnausbau ab. Eines der geplanten Ausbauprojekte ist der Rheintunnel. Für ihn müsste der Familiengarten Scheuerrain vor der Stadt Basel plattgemacht werden. Die Pächterinnen und Pächter trauern schon jetzt um ihre «grüne Insel».
25.09.2024, 05:0025.09.2024, 07:36
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Es ist ein Donnerstag, 17 Uhr, im Spätsommer. Auf der Autobahn A3 bei Muttenz und Birsfelden stehen die Autos, Cars und Lastwagen in Reih und Glied. Kommen nur langsam voran. Feierabendstau vor der Stadt Basel.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Vor allem stadteinwärts stauen sich die Fahrzeuge. Etwa ein Viertel von ihnen durchquert die Stadt Basel, um nach Deutschland oder Frankreich zu gelangen.Bild: watson/ aylin erol

Hitze, Lärm und Abgase steigen in die Luft. Es wirkt unvorstellbar, dass sich nicht einmal 100 Meter Luftlinie entfernt eine kleine, grüne Oase befindet. Ein Ort, an dem Bienen und Hummeln summen, Eidechsen sich sonnen, sich sogar Schlangen durchs Gebüsch winden, wie die Pächterinnen und Pächter der Familiengärten auf dem Areal Scheuerrain erzählen.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Die Fähnchen zeigen es an: Direkt neben der Autobahn befindet sich der Familiengartenverein Scheuerrain.Bild: watson/ aylin erol

Doch dieses bunte Treiben wird bald ein Ende haben. Statt Kinderlachen wird man ab 2029 rund um die Uhr Baulärm hören. Statt Blumen, Gemüsebeeten und Sitzplätzen werden hier Bulldozer und Betonmischer stehen. Und statt Nachbarn, die sich spontan auf einen Kaffee einladen, werden hier ab 2040 Autos über Asphalt brettern. Zumindest, wenn es nach dem Bundesamt für Strassen ASTRA unter Bundesrat Albert Rösti geht.

Schon Sommaruga wollte den Rheintunnel

Das ASTRA plant auf der A2 zwischen den Verzweigungen Wiese und Hagnau einen Tunnel mit zwei zweispurigen Röhren: den Rheintunnel. 18 Meter unter der Flusssohle des Rheins soll dieser verlaufen und so die Stadt Basel vom Durchfahrtverkehr entlasten. Eine der Röhren soll in Fahrtrichtung Frankreich und Deutschland bei Birsfelden beginnen. Für diese Röhre muss der Familiengarten Scheuerrain weichen.

In Rot der Plan des ASTRA, wie der Rheintunnel verlaufen soll. Die schwarze Markierung zeigt, wo sich der Familiengarten Scheuerrain befindet.
In Rot der Plan des ASTRA, wie der Rheintunnel verlaufen soll. Die schwarze Markierung zeigt, wo sich der Familiengarten Scheuerrain befindet.Bild: ASTRA

Der Autobahnabschnitt zwischen Wiese und Hagnau gehört zu den meistbefahrenen der Schweiz und ist «insbesondere an Werktagen stark überlastet», heisst es vom ASTRA. Zahlen vom Bund zeigen, dass Autofahrende dort im Jahr 2022 im Schnitt zwei bis drei Stunden im Stau standen. Und zwar jeden Tag. «Aufgrund der Verkehrszunahme dürfte sich die Situation künftig zuspitzen», schreibt das ASTRA.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Im Scheuerrain nehmen sich die Pächterinnen und Pächter gerne Zeit für einen Schwatz miteinander.Bild: watson/ aylin erol

Dass auf dem Autobahnabschnitt etwas getan werden muss, war deshalb bereits für die beiden Vorgängerinnen von Albert Rösti klar: CVP-Bundesrätin Doris Leuthard, die das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) von 2010 bis 2018 innehatte, und SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die bis 2022 UVEK-Chefin war.

Das ASTRA tüftelte über Jahre an zahlreichen Lösungen, gegen die sich die Kantonsregierungen und die lokale Bevölkerung wiederholt wehrten. 2016 stand schliesslich die Idee vom Rheintunnel im Raum, dem endlich auch die beiden Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt zustimmten. 2020 gaben der Bundesrat, 2023 das Parlament grünes Licht.

2029 sollen nun die Bauarbeiten beginnen, 2040 der Rheintunnel fertiggestellt sein. Das ASTRA verspricht:

«Der Rheintunnel wird den Verkehr auf dem Gebiet von Basel-Stadt verflüssigen und die Osttangente A2 um rund 30 Prozent entlasten.»
Bundesamt für Strassen ASTRA

Auch die Gemeinde Birsfelden werde vom Verkehr entlastet, weil der heutige Ausweichverkehr wieder auf die Autobahn zurückkehren würde, so das ASTRA. Es geht von 30 bis teilweise sogar 40 Prozent weniger Verkehr in der Gemeinde aus.

Zu den Prognosen des ASTRA
Das ASTRA gibt auf Anfrage von watson an, dass für die Berechnung der prognostizierten Verkehrsentlastung, die der Rheintunnel bringen soll, das aktualisierte Gesamtverkehrsmodell Region Basel «GVM (2016/2040)» genutzt worden ist. Das heisst: Die berechnete Verkehrsentlastung gilt einzig und allein für das Jahr 2040.
Neuere Berechnungen des ASTRA zeigen, dass die Verkehrsentlastung bei Basel, aber auch allen anderen Autobahnausbauprojekten, bereits 2050 tiefer liegen wird. Der Verkehr wird also wieder zunehmen, Staus werden wieder vermehrt vorkommen. Gegnerinnen und Gegner des Autobahnausbaus kritisieren genau diese Kurzsichtigkeit des ASTRA. Sie vertreten die Parole: «Wer Strassen säht, wird Verkehr ernten.»

Pächterin sorgt sich um Biodiversität

Die Pächterinnen und Pächter im Scheuerrain glauben den Versprechen des ASTRA nicht. So etwa das pensionierte Ehepaar Erika und Cölestin Frei. An diesem heissen Spätsommerabend sind sie fleissig in ihrem Garten bei der Arbeit. Jede freie Minute verbringen sie hier im Scheuerrain. Seit 40 Jahren.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Cölestin und Erika Frei versuchen den Gedanken, dass der Rheintunnel Wirklichkeit werden könnte, zu verdrängen, wenn sie in ihrem Garten sind.Bild: watson/ aylin erol

Ihre Kinder haben sie praktisch zwischen dem organisierten, bunten Wirrwarr aus Blumen, Fruchtbäumen und Gemüsebeeten grossgezogen. Erika Frei sagt: «Ich pflanze gerne das, was den Insekten gefällt.» Sie zeigt auf einen Strauch mit hellen, violetten Blumen. «Das ist Muskatellersalbei. Die schwarzen Bienen lieben ihn.»

In ihrem Fenchel habe sie dieses Jahr kleine, orange Kügelchen gefunden. «So klein wie Stecknadelköpfe», sagt Erika Frei mit einem verzückten Lächeln auf den Lippen. Es seien Eier von Schwalbenschwänzen gewesen.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Erika Frei zeigt ihre verpuppten Schwalbenschwänze.Bild: watson/ aylin erol

Sie habe die Eier umgehend «gerettet», sich den ganzen Sommer um die Raupen gekümmert, ihnen beim Wachsen und Gedeihen zugesehen, bis sie sich verpuppten. Als aus den Kokons die ersten weissen Schmetterlinge schlüpften, habe sie diese in die Freiheit entlassen. Erika Frei strahlt über das ganze Gesicht, als sie das erzählt. Doch das Lächeln erlischt jäh, als Cölestin Frei sagt:

«Das können wir bald nie mehr machen. Wegen dem Lölitunnel!»
Pächter Cölestin Frei

Erika Frei nickt und sagt: «Alle reden immer davon, dass die Städte mehr für die Biodiversität tun müssen. Wir in den Familiengärten tun das seit Jahrzehnten und mit viel Liebe. Gratis.» «Und dann kommt man und will ausgerechnet dieses letzte Stückchen Grün plattmachen», ergänzt ihr Mann.

Für die Freis ist klar: Der Rheintunnel wird nichts als Zerstörung bringen. «Und wofür? Damit nach wenigen Jahren die Autobahn wieder genau gleich verstopft ist wie heute!», sagt Cölestin Frei.

ASTRA fühlt sich sicher, die Abstimmung zu gewinnen

Das ASTRA hat den Pächterinnen und Pächtern im Scheuerrain bereits unmissverständlich mitgeteilt: Bis 2028 müssen sie ihre Gärten geräumt haben. Es ist eine selbstbewusste Ansage. Denn ob das ASTRA den Rheintunnel bauen darf, darüber wird das Stimmvolk entscheiden.

Umweltverbände, Vereine und linke Parteien unter der Federführung des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) haben erfolgreich das Referendum gegen das nationale Programm zum Ausbau von fünf Autobahnteilstücken im Umfang von 5,3 Milliarden Franken eingelegt.

Eines der sechs Ausbauprojekte ist der Rheintunnel. Er allein soll 2,59 Milliarden Franken kosten. Am 24. November stimmt die Schweiz über den Autobahnausbau und somit über alle sechs Projekte ab.

Am Eingang des Familiengartenvereins Scheuerrain hängt darum ein Plakat der Gegnerinnen und Gegner. «Nein zum Rheintunnel», steht darauf.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Eine Fahne der Gegnerinnen und Gegner des Autobahnausbaus am Eingangstor des Familiengartens.Bild: watson/ aylin erol

Hoffnung, dass das Stimmvolk dem Autobahnausbau eine Abfuhr erteilen wird, hat im Scheuerrain trotzdem niemand. Auch das Ehepaar Frei nicht. Cölestin Frei sagt:

«Die Schweizer wollen Autobahn fahren.»
Pächter Cölestin Frei

Damit könnte er recht haben. Wie eine repräsentative watson-Umfrage 2023 zeigte, ist die Mehrheit (55 %) der Schweizer Bevölkerung für oder eher für den Autobahnausbau.

Betroffene Pächter können nicht abstimmen

Angesichts dieser Prognosen fühlen sich insbesondere jene Pächterinnen und Pächter machtlos, die selbst kein Stimmrecht haben. Von diesen gibt es einige. Viele Familiengärten wollen auf ihren Arealen eine kulturelle Durchmischung in der Gesellschaft fördern. Darum wehen im Scheuerrain nicht nur Schweizer Fahnen, sondern auch italienische, kroatische, spanische, ungarische, serbische.

Dalibor Djordjevic ist einer der Pächter, die kein Stimmrecht besitzen. Zwei Jahre hat er nach einem Platz in einem Familiengarten gesucht. Djordjevic sagt: «Ich wollte, dass meine beiden Kinder im Grünen aufwachsen und mein eigenes Gemüse anpflanzen können. Als Ausgleich.» Seine vierköpfige Familie lebt in einer Wohnung ohne Garten in Birsfelden. Vor einem halben Jahr wurde sie im Scheuerrain fündig.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Die Mutter von Dalibor Djordjevic bei der Arbeit.Bild: watson/ aylin erol

An diesem Abend bringt Djordjevic zusammen mit seiner Mutter den Garten auf Vordermann, jätet, mäht den Rasen, plant, was er wo pflanzen, wie umbauen möchte. Viele seiner Ideen werden wohl Träume bleiben. «Es braucht viele Jahre, bis der Garten so ist, wie man ihn sich vorstellt. Da muss ich mich schon fragen, welche Investitionen sich lohnen», sagt Djordjevic.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Die einzelnen Parzellen zeigen, wie unterschiedlich die Pächterinnen und Pächter sind: Manche mögen es ordentlich, mit viel Gemüse …Bild: watson/ aylin erol
Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
... Andere bevorzugen eine Vielzahl an bunten Sträuchern und Blumen.Bild: watson/ aylin erol

Djordjevic hat sich schon damit abgefunden, dass ihm der Rheintunnel seinen Garten nehmen wird. Dass er nichts dagegen tun, nicht einmal seine Stimme dagegen in die Urne werfen kann. Und dass er danach wieder hoffen muss, einen Platz in einem anderen Familiengarten zu ergattern.

Das könnte schwierig werden. Obwohl sich die Verwaltung im Scheuerrain darum bemüht, dass die Pächterinnen und Pächter in einem anderen Familiengarten in der Umgebung wieder einen Platz finden. Das Problem: Vier weitere Familiengartenareale – in Muttenz, Birsfelden und der Stadt Basel – werden vom Rheintunnel betroffen sein.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Hier, auf dem Gelände des Familiengartens, soll ein Teil des Rheintunnels durchführen.Bild: watson/ aylin erol

Das ASTRA schreibt: «Die Betroffenheit ist unterschiedlich. Manche Gartenparzellen dürften endgültig aufgehoben werden müssen, andere allein während der Bauphase.»

Basel-Stadt ist gesetzlich verpflichtet, Alternativen für aufgehobene Gärten zu finden. Wo diese sein werden, ist aber noch nicht klar. Sonderlich viele freie Flächen gibt es auf Stadtgebiet nicht mehr.

Der Kanton Basel-Landschaft kennt keine solche gesetzliche Verpflichtung. Eine Arbeitsgruppe versucht, bis zu Beginn der Bauarbeiten des Rheintunnels Ersatzflächen für die Familiengärten zu eruieren. Ob das gelingen wird, ist offen.

Kampf um den Boden der Familiengärten

Gemäss Otmar Halfmann, dem Präsidenten der Schweizer Familiengartenvereine, verschwinden immer mehr Familiengärten in der Schweiz. Obwohl ihre Beliebtheit – insbesondere seit der Corona-Pandemie – stetig wächst. «Der Boden, auf dem Familiengärten stehen, ist äusserst umkämpft», sagt Halfmann. Das habe historische Gründe.

Die meisten Familiengärten in der Schweiz entstanden im 19. Jahrhundert in städtischen Industriegebieten und Agglomerationen. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg förderte der Staat Familiengärten, um die Fabrikarbeiter vom Alkohol fernzuhalten und Hunger in der Bevölkerung vorzubeugen.

Gemeinden und Städte stellten Flächen zur Verfügung, die Genossenschaften und Vereine pachteten und in Parzellen aufteilten. Diese Parzellen verpachteten sie wiederum an Anwohnende.

Otmar Halfmann, Präsident des Schweizer Familiengärtnerverbands
Otmar Halfmann, Präsident des Schweizer Familiengärtnerverbands.Bild: zvg

Die 110 Parzellen im Scheuerrain sind eine kleine Besonderheit. Sie gehören der Christoph Merian Stiftung (CMS). Diese verpachtet den Boden an den Familiengartenverein Birsfelden, der wiederum Parzellen für nur etwa 300 Franken im Jahr an seine Mitglieder unterverpachtet.

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Die unterschiedlichsten Flaggen wehen stolz im Wind.Bild: watson/ aylin erol

Eine Immobilienfirma, ein Pharmariese, die SBB oder eben das ASTRA mit seinem Rheintunnel könnten aus dieser Fläche deutlich mehr für die Wirtschaft herausholen. In etwa so argumentierte auch Albert Rösti in einem Brief an den ältesten Pächter im Scheuerrain:

«Gut funktionierende Verkehrsinfrastrukturen sind wichtig für den Wohlstand und die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz.»
Bundesrat Albert Rösti in einem Brief an einen Pächter

Brief von Bundesrat Rösti

Der Pächter, der Röstis Brief erhielt, ist Erwin Grieder. Er ist 81 Jahre alt und war einer der ersten, die im Scheuerrain einen Schrebergarten bezogen. Das war 1969. In demselben Jahr stellte der Bund exakt jenen Autobahnteilabschnitt fertig, auf dem die Autos heute neben dem Familiengarten im Stau stehen.

Fotos von damals hängen an den Wänden von Grieders Gartenhäuschen. Zu sehen ist darauf etwa Grieder in kurzen Hosen inmitten einer leeren, erdigen Fläche, auf der noch kein Grashalm wächst. Seit jener Aufnahme haben die Pächterinnen und Pächter im Scheuerrain eine «grüne Insel» geschaffen, wie Grieder es nennt. «Es macht mich sehr traurig, wird das alles für immer verloren gehen.»

Reportage aus dem Familiengarten Scheuerrain in Muttenz, der wegen des geplanten Rheintunnels mit dem nationalen Autobahnausbau platt gemacht werden soll.
Erwin Grieder anno 1969 auf seiner Parzelle im Scheuerrain. Bild: watson/ aylin erol

Im November 2023 schrieb Grieder Albert Rösti darum einen Brief. In diesem fordert er den Bundesrat dazu auf, vom Rheintunnel abzukommen. «Dieses Projekt ist eine Nötigung für Mensch und Tier!», schrieb Grieder etwa. Und:

«Es wird das Symptom bekämpft und nicht die Ursache.»
Pächter Erwin Grieder in seinem Brief an Albert Rösti

Grieder nahm nicht an, dass Rösti den Brief tatsächlich lesen und antworten würde. Er habe sich den Frust von der Seele schreiben, einfach irgendetwas tun müssen. Doch nach nur drei Wochen lag Röstis Antwort in Grieders Briefkasten.

«Er schrieb natürlich nur irgendwelche Allgemeinplätze», sagt Grieder enttäuscht. Rösti bedankte sich für Grieders «Interesse an der Verkehrs- und Umweltpolitik» und wies darauf hin, dass es sich beim Rheintunnel um ein Projekt handle, «das der Bevölkerung zugutekommen wird».

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So sieht Erwin Grieders Gartenparzelle heute aus.Bild: watson/ aylin erol

Grieder hält von dieser Argumentation nichts:

«Was der Bundesrat macht, ist gegen das Klimagesetz, das wir angenommen haben. Und es ist Enteignung!»
Pächter Erwin Grieder

Und zwar nicht nur bei ihnen im Scheuerrain. Auch im Mittelland würde der Bund wegen des Autobahnausbaus Landwirte enteignen.

Für den Abstimmungskampf diesen November hofft Grieder deshalb auf eine aussergewöhnliche Allianz: Zwischen Städtern wie ihm, die sich um Klimaschutz und ihre Freizeitgärten sorgen, und Landwirtschaftsbetrieben, die die Basis ihrer Existenz verlieren könnten.

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449 Kommentare
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Knut Knallmann
25.09.2024 05:40registriert Oktober 2015
Nur noch eine zusätzliche Spur, dann sind alle Verkehrsprobleme gelöst - Nur noch eine Spur…
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Nyahui
25.09.2024 06:10registriert November 2019
Naja, was wäre sonst die Lösung? Mehr Einwohner, aber die Infrastruktur sein lassen? Ich habe keine Autprüfung, werde aber vermutlich ja stimmen, so wie ich auch bei allen Bahnprojekte ja stimme. Leider streicht ja aber der Bund bei der Bahn. Nachtzüge werden darunter leiden. Die Infrastruktur muss für 10Mio und mehr ausgelegt sein, dass ist sie im Moment nicht. Weder Strassen noch Bahn sind dafür ausgelegt - siehe Pendlerstrecken bei der Bahn und Strassen am Morgen.
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Gina3
25.09.2024 06:32registriert September 2023
Eine zusätzliche Spur auf der Autobahn entlastet den Verkehr – allerdings nur kurzfristig. Der Ausbau des Verkehrssystems führt langfristig dazu, dass es mehr Verkehr gibt. Das lässt sich seit Jahrzenten beobachten. „Was im Volksmund gilt, ist mittlerweile auch unter Verkehrsforschern unbestritten“, Tobias Kuhnimhof- Verkehrspezialist sagt: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Die Fachwelt spricht in diesem Zusammenhang von induziertem Verkehr.
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