Schweiz
Gesellschaft & Politik

Bundesanwalt Michael Lauber erinnert sich nicht an Fifa-Treffen.

Bundesanwalt Michael Lauber aeussert sich zum Fall FIFA und zu seiner Wiederwahl, am Mittwoch, 17. Juni 2015, in Bern. (KEYSTONE/Marcel Bieri)

Switzerland’s attorney general Michael Lauber during a ...
Michael Lauber, Bundesanwalt.Bild: KEYSTONE

Mysteriöse Gedächtnislücken in der Fifa-Affäre: Was weiss Michael Laubers Schatten?

Der Sprecher von Bundesanwalt Michael Lauber, André Marty, ist sein engster Vertrauter. Marty könnte das Rätsel um das ominöse dritte Treffen des Bundesanwalts mit Fifa-Chef Gianni Infantino klären. Doch der sonst redselige Walliser schweigt.
30.04.2019, 05:44
Henry Habegger / ch media
Mehr «Schweiz»

Bundesanwalt Michael Lauber, 53, kann sich nicht mehr an das ominöse dritte Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino im Juni 2017 im Berner Hotel Schweizerhof erinnern. Laubers informelle Gespräche mit Infantino sind brisant, weil der Fifa-Chef in ein Verfahren involviert ist, das die Bundesanwaltschaft 2016 eröffnet hat.

«Nein, ich erinnere mich nicht an das Treffen. Nein, ich erinnere mich wirklich nicht, auch heute noch nicht», sagte Lauber am Samstag auf Radio SRF. Es folgte eine Formulierung in der Wir-Form: «Wir gehen davon aus, aufgrund der Papiere, die wir gesichtet haben, also bei uns intern, Agendaeinträge, auch SMS. Wir müssen davon ausgehen, es gab dieses Treffen.»

Drei erinnern sich nicht

Da waren es schon drei. Zwei weitere Personen, die nach heutigem Wissensstand an dem Treffen dabei waren, können sich an nichts erinnern: Gianni Infantino selbst und Rinaldo Arnold, Oberwalliser Staatsanwalt, der sich von Schulfreund Infantino einen Fifa-Posten erhoffte.

Beide sagten in Befragungen durch den vom Kanton Wallis eingesetzten Extrastaatsanwalt Damian K. Graf, dass sie sich nicht an das Treffen im «Schweizerhof» erinnern. Graf ermittelte wegen Vorteilsannahme, eventuell passiver Bestechung gegen Arnold, stellte das Verfahren aber ein.

Keiner weiss etwas. «Omertà, wie bei der Mafia», höhnt ein Ermittler.

Es gibt eine vierte Person mit Wissen über das mysteriöse Treffen: Laubers Informationschef André Marty, 53, Walliser Nummer drei in der Runde. Marty mag auch die Erklärung sein, warum Lauber in Wir-Form sprach.

Vor zehn Jahren war er noch beim Schweizer Fernsehen, jetzt gilt er als Schatten des Bundesanwalts Informationschef André Marty (hier auf einem Foto von 2009 in Bethlehem).
Vor zehn Jahren war er noch beim Schweizer Fernsehen, jetzt gilt er als Schatten des Bundesanwalts Informationschef André Marty (hier auf einem Foto von 2009 in Bethlehem).bild; Christian Eggenberger/SRF

Marty ist ein alter Bekannter. Er arbeitete bei der «Sonntags-Zeitung» und wurde ab 1996 öffentlich bekannt als Italien- und später Nahost-Korrespondent beim Schweizer Fernsehen. Später machte er einen kurzen Abstecher ins Aussendepartement, bevor ihn Lauber 2012 zu seinem Chefsprecher machte. Spätestens seit da gelten die beiden als quasi unzertrennlich.

Was Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörde schon lange auffällt: Marty ist immer in der Nähe von Lauber, er begleitet ihn auch auf allen seinen Auslandreisen. Ob in Brasilien oder Kasachstan – Marty folgt seinem gleichaltrigen Chef wie ein Schatten.

Dass das dritte Treffen überhaupt publik wurde, ist Sonderstaatsanwalt Graf zu verdanken. Bei seiner Untersuchung des Verhältnisses Infantino - Arnold stiess er auf einen SMS-Wechsel zwischen Arnold und Marty. Am Freitag, 16. Juni 2017, schrieb der eine Walliser an den anderen: «Hallo André, Giannis Zug hat Verspätung. Wir werden ein paar Minuten später da sein. Bis gleich. Gruss.»

Marty muss also von dem vergessenen Treffen wissen, er war direkt involviert. Er muss wissen: Warum wird das Treffen verschwiegen oder vergessen? Was lief zwischen dem Fifa-Boss und dem Bundesanwalt, was wurde da allenfalls gekungelt?

Marty sorgt für gute Presse

Oder hat auch Marty, wie sein Chef Lauber, wie die zwei anderen, wundersamerweise keine Erinnerung mehr?

Diese Zeitung wollte von Marty per SMS-Anfrage wissen: «Sehr geehrter Herr Marty, erinnern Sie sich eigentlich auch nicht an das dritte Treffen?»

Die Antwort kam von einer Mitarbeiterin von Martys Medienstelle: «Besten Dank für Ihre SMS an Herrn Marty. Die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft im Sie interessierenden Zusammenhang haben Sie bereits erhalten. Auf diese verweisen wir Sie gerne.» In dieser Stellungnahme, die von Mitte Monat stammt, stand bloss, dass die Bundesanwaltschaft auf Hinweise gestossen sei, die auf «ein weiteres Treffen» zwischen Lauber und Infantino deuteten. Von Martys Erinnerungsvermögen war nicht die Rede.

Fest steht: Marty weiss, ob Lauber lügt. Und was es mit dem verschwiegenen Treffen auf sich hatte.

Der ehemalige TV-Mann ist nicht irgendwer innerhalb der Bundesanwaltschaft. Er ist über alles im Bild. Und er war in den letzten Jahren durch Medienkontakte dafür besorgt, dass Lauber lange eine sehr gute Presse hatte.

Marty gehört, obwohl in keinem Reglement so vorgesehen, zum illustren Führungszirkel um den Bundesanwalt. Auf den Fotos in den Geschäftsberichten posiert er als Mitglied der fünfköpfigen Geschäftsleitung, der eine zentrale Funktion zukommt: «Sie trifft sich regelmässig zur Besprechung fachlicher, personeller und organisatorischer Fragen, zur Beratung bedeutender Geschäfte und zur Vorbereitung strategischer Entscheide», steht auf Website von Laubers Behörde.

Marty bespricht mit Bundesanwalt Lauber, dessen beiden Stellvertretern und dem Generalsekretär, einem Unternehmensberater, also «fachliche Fragen» und «bedeutende Geschäfte». Leitende Staatsanwälte dagegen sind bisher im Führungsklub nicht vertreten. Ebenso wenig wie Frauen.

Was weiss Marty? Das will auch die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft unter dem Zuger Alt Regierungsrat Hanspeter Uster wissen. Sie untersucht, was mit dem dritten Treffen war. Uster will wissen, ob Lauber seine Aufsichtsbehörde angelogen hat, als er das Treffen verschwieg. Er prüft auch, ob gegen Lauber ein Disziplinarverfahren eröffnet wird. Falls ja, wird es sehr eng für den Bundesanwalt, der sich im Sommer vom Parlament für eine dritte Amtszeit wiederwählen lassen will.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
11 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
DocShi
30.04.2019 06:43registriert Mai 2018
Wenn Herr Lauber sich daran nicht erinnern kann hat er Alzheimer und ist eh nicht mehr fähig.
Oder er verschweigt absichtlich.
In beiden Fällen ist er nicht mehr tragbar. Simple, isn't it?
30
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alter-Sack
30.04.2019 07:17registriert August 2018
Ein Staatsanwalt, der solche Gedächtnislücken aufweist sollte vom Dienst befreit und in eine Klink eingewiesen werden.
30
Melden
Zum Kommentar
11
«Ich schäme mich für diesen Fehler» – Ameti äussert sich erstmals nach Jesus-Schüssen
Sanija Ameti schoss im September auf ein Bild von Jesus und Maria, was einen medialen Shitstorm auslöste. Nun äussert sich Ameti erstmals in einem Interview, wie es ihr seither ergangen ist.

«Ich schäme und entschuldige mich dafür. Es war keine Provokation, es war ein Fehler», sagt Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero und Grünliberale-Politikerin, im Interview mit der «Schweiz am Wochenende».

Zur Story