Das Jugendstrafrecht erlaubt heute nur, den Mörder der 17-jährigen Boi Ngoc Nguyen maximal vier Jahre und maximal bis zum Alter von 22 Jahren zu inhaftieren. Der Aargauer Justizdirektor Urs Hofmann hat sich schon vor Jahren für eine Erhöhung auf das früher geltende Maximalalter eingesetzt, nämlich dass ein jugendlicher Straftäter maximal bis zum Alter 25 inhaftiert bleiben kann.
Vor einigen Jahren hat das Parlament in Bern eine entsprechende Motion gutgeheissen, die genau das forderte. Reicht das? Urs Hofmann sagt dazu gegenüber der AZ: «Der Bundesgesetzgeber hat die Altersgrenze von 22 auf 25 Jahre erhöht. Die Erhöhung tritt auf den 1. Juli 2016 in Kraft. Damit ist das Problem jedoch nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben.» Doch warum nur aufgeschoben?
Laut Hofmann braucht es weitere Verbesserungen für Fälle von jugendlichen Straftätern, «bei denen nach der altersbedingten Beendigung der jugendstrafrechtlichen Massnahme weiterhin eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorliegt». Welche weiteren Verbesserungen sind damit gemeint? Hofmann: «Die können so aussehen, dass trotz Erreichen der Altersgrenze die jugendstrafrechtlichen Massnahmen weitergeführt oder dass andere Massnahmen wie z. B. eine periodisch zu prüfende Verwahrung angeordnet werden können.»
Sollen denn auch Jugendliche in Ausnahmefällen verwahrt werden können? Urs Hofmann hat schon vor mehreren Jahren gefordert, «dass eine Verwahrung für Jugendliche, die eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, geprüft werden muss». Leider, so Hofmann, «wurde diese Forderung mit der letzten Revision des Strafgesetzbuches nicht umgesetzt». Ständerat Andrea Caroni (FDP) hat die Forderung mit einer Motion vom 17. März 2016 wieder aufgenommen. Der Bundesrat beantragt bei den eidgenössischen Räten die Annahme der Motion. Hofmann: «Ich setze mich dafür ein, dass das dringende und wichtige Anliegen der Motion nun endlich umgesetzt wird.»
Caroni argumentiert in seiner Motion, im heutigen Recht der jugendstrafrechtlichen Schutzmassnahmen klaffe bei Tätern, welche die Sicherheit Dritter schwerwiegend bedrohen, eine gefährliche Lücke. Namentlich kann die Behörde heute einen Täter zwar in einer geschlossenen Einrichtung unterbringen lassen, wenn dies laut Gesetz entweder «für den persönlichen Schutz oder für die Behandlung der psychischen Störung» oder «für den Schutz Dritter vor schwerwiegender Gefährdung durch den Jugendlichen» notwendig ist. Sobald aber der Jugendliche das 22. (bzw. nach neuem Recht das 25.) Altersjahr vollendet, enden alle Massnahmen, so Caroni in seinem Vorstoss.
Um diese Lücke zu schliessen und um Dritte rechtsstaatlich korrekt auch in Fällen, wo weder eine psychische Krankheit noch eine Selbstgefährdung vorliegt, vor schwerwiegender Gefährdung zu schützen, verlangt Caroni daher die Möglichkeit, «dass auch nach altersbedingter Beendigung der jugendstrafrechtlichen Massnahmen die notwendigen Massnahmen angeordnet bzw. weitergeführt werden können».
Für Beat Flach (GLP), Mitglied der Rechtskommission des Nationalrates, ist die Erhöhung auf das Maximalalter 25 richtig. Flach: «Es darf keinen Automatismus mehr geben, einen solchen Täter mit 22 Jahren einfach rauszulassen.» Einen Ruf nach lebenslanger Verwahrung selbst für jugendliche, schwer delinquierende Täter würde Flach aber keinesfalls mittragen. Der Bruder der getöteten jungen Frau hatte im «Blick» gefordert, der Täter dürfe nie mehr rauskommen. Flach: «Es ist sicher nicht das Richtige, einen 16-Jährigen ein Leben lang wegzusperren, womöglich bis 80 Jahre lang. Man überlege sich doch, was dies für ihn bedeuten würde. Zudem hätte der Staat enorme Vollzugskosten. Es muss gelingen, jugendliche Täter wieder in die Gesellschaft zu integrieren.»
Etwas anderes sind für Flach Menschen, die für sich selbst oder andere eine grosse Gefahr darstellen – Menschen mit schweren psychischen Störungen. Die seien in der Psychiatrie zu therapieren. Damit sie wirklich sicher untergebracht werden können, fordert er die Kantone auf, eine Konkordatslösung für eine zentrale, professionelle Infrastruktur zu finden. Denn es wäre zu teuer, so Flach, «dass jeder Kanton in der Psychiatrie einen eigenen Hochsicherheitstrakt baut».