Rechtskonservative Politiker lancieren einen neuen Angriff auf die Entwicklungshilfe: Wie die «Schweiz am Sonntag» berichtet, wollen sie den Bund mit einer Volksinitiative zwingen, künftig nur noch Staaten zu unterstützen, die mit der Schweiz «adäquat» kooperieren – etwa, indem sie abgewiesene Asylbewerber oder Straftäter zurücknehmen. Der Zürcher Jungpolitiker Artur Terekhov (EDU) geht davon aus, dass die Hilfe bei einer konsequenten Umsetzung etwa halbiert würde.
Die Gelder müssten auch gestoppt werden, wenn Staaten religiöse Minderheiten verfolgen – zum Beispiel Christen. Insgesamt darf die Entwicklungshilfe 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens der Schweiz nicht übersteigen. Zum Vergleich: Heute bezahlt der Bund 2,96 Milliarden Franken oder 0,47 Prozent an Hilfsgeldern. Die Initiative soll im September lanciert werden.
Das Anliegen kommt ursprünglich aus der Küche der erzkonservativen EDU. Dem Komitee gehören aber auch SVP-Politiker wie etwa Nationalrat Sebastian Frehner (BS) oder der Walliser Regierungsrat und Islam-Kritiker Oskar Freysinger an. Die Initianten bezweifeln die Effizienz des Mitteleinsatzes. Die Hilfe versickere meist in «dubiosen Kanälen», findet etwa Sebastian Frehner. Die EDU stösst sich zudem an der Christenverfolgung, die in zahlreichen afrikanischen und arabischen Ländern ein «inakzeptables Mass» angenommen habe.
Das Anliegen ist nicht neu. Im Ständerat ist im März 2012 eine ähnliche Motion der SVP mit 25 zu 17 Stimmen gescheitert. Im Nationalrat fand der Vorstoss zuvor dank zahlreicher CVP- und FDP-Politiker eine knappe Mehrheit. Dies dürfte SVP-Nationalrat Oskar Freysinger wohl ermuntert haben, erneut eine Motion mit ähnlichen Zielen einzureichen. Sie ist in beiden Räten noch nicht behandelt worden. Mit der für September angekündigten Volksinitiative soll nun der Druck auf Parlament und Bundesrat erhöht werden.
Peter Niggli, der Geschäftsführer der entwicklungspolitischen Dachorganisation Alliance Sud, bezeichnet das Anliegen als unrealisierbar: «Die Initiative hält keinen einzigen Flüchtling davon ab, in der Schweiz einen Asylantrag zu stellen.» Viele Flüchtlinge kämen aus Ländern wie Syrien oder Eritrea, wo die Schweiz keine Entwicklungsprojekte finanziere. Die Drohung ziele daher ins Leere.
Auch die Zürcher EVP-Nationalrätin Maja Ingold lehnt die Initiative ab: «Es ist unmenschlich und unchristlich, die Hilfe für die Ärmsten infrage zu stellen.» Laut Ingold verteile die Schweiz das Geld nicht an Regierungen, sondern meist gezielt an private Akteure vor Ort. «Die Initianten wollen angeblich unkooperative Staaten bestrafen, sie treffen aber vor allem die Bevölkerung», sagt Ingold.
Der Bundesrat teilt diese Kritik: «Eine strikte Koppelung der Entwicklungshilfe an den Abschluss von Rückübernahmeabkommen ist nicht wirksam oder gar kontraproduktiv», schreibt die Regierung in der Antwort auf die Motion Freysinger. «Die ärmsten Bevölkerungsgruppen würden am stärksten unter einer solchen Konditionalität leiden.»
Die Landesregierung setzt stattdessen auf Migrationspartnerschaften, wie sie die Schweiz bereits mit Nigeria, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kosovo und Tunesien abgeschlossen hat. Im Rahmen dieser Abkommen soll die bilaterale Zusammenarbeit in sämtlichen Bereichen inklusive Asylwesen verbessert werden. Verhandlungen mit Algerien oder Marokko laufen, sind aber harzig. Der Grund: Die meisten Entwicklungsländer wollen ihren Bürgern einen legalen Aufenthalt in der Schweiz ermöglichen. Bern will dieses Privileg aber nur Spezialisten oder Vermögenden gewähren.