19.10.2022, 10:5510.11.2022, 15:12
Nachdem zahlreiche mögliche Kandidierende absagten, hat die Zürcher SVP am Mittwoch doch noch einen Kandidaten für die Nachfolge von Bundesrat Ueli Maurer präsentiert: Der 52-jährige Jurist Hans-Ueli Vogt soll am 7. Dezember den Sprung in die Landesregierung schaffen.
Hans-Ueli Vogt mit Domenik Ledergerber und Rita Fuhrer an der Medienkonferenz.Bild: keystone
Vogt ist ehemaliger Nationalrat. Seinen Rücktritt per Ende 2021 begründete er damit, dass er sich auf seine Tätigkeit als Jurist und Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht konzentrieren wolle. Damals sagte er, dass er sich in der Politik manchmal wie ein Tennisspieler auf einem Fussballplatz fühle. Auf eine entsprechende Nachfrage an den Medienkonferenz am Mittwoch in Zürich sagte er: «Ich meinte damit die Arbeit im Parlament. Ein mögliches Exekutivamt habe ich mir immer offengehalten.»
«Wenn ich hier nicht nur am Strahlen bin, liegt das daran, dass ich grossen Respekt vor dem Amt habe»
Hans-Ueli Vogt
Rita Fuhrer, die Präsidentin der Findungskommission, bezeichnete Vogt als perfekten Kandidaten. Vogt verbinde das Urbane mit dem Ländlichen. Zudem habe er mehrere Jahre im Ausland gelebt, im Gegensatz zu den jetzigen Mitgliedern des Bundesrats.
Wäre erster homosexueller Bundesrat
Der Stadtzürcher wäre der erste Bundesrat, der offen homosexuell lebt. Auf die Frage, ob die Schweiz bereit ist für den ersten schwulen Bundesrat, reagierte die Präsidentin der Findungskommission leicht genervt. «Würden Sie diese Frage auch einem Linken stellen?» fragte Fuhrer zurück.
Vogt selber meinte, er habe nicht mit dieser Frage gerechnet. Seine sexuelle Orientierung spiele in der Politik keine Rolle. In der Schweiz sei schon viel erreicht worden für die Minderheit, der er angehöre.
Eher zurückhaltend
Der ehemalige Nationalrat gilt als eher zurückhaltend. Über sich selber sagte er einmal, er sei «nicht sehr gut im Generieren von Aufmerksamkeit». Er sei vielmehr konstruktiv und an Lösungen interessiert.
Auch dies sei in Verbindung mit der Arbeit im Parlament gemeint, stellte er am Mittwoch klar. Es sei ihm durchaus bewusst, dass ein Bundesrat in der Öffentlichkeit stehe. Aber nur für den Zweck Aufmerksamkeit zu suchen, liege ihm nicht. Ihm gehe es darum, einen Dienst am Land zu leisten. «Wenn ich hier nicht nur am Strahlen bin, liegt das daran, dass ich grossen Respekt vor dem Amt habe», sagte Vogt.
Der Zürcher war von 2015 bis 2021 Nationalrat. Mit einer Kandidatur für den Ständerat scheiterte er 2015. Zuvor war er vier Jahre Kantonsrat. Seinen grössten Auftritt auf der politischen Ebene hatte der 52-Jährige mit der Selbstbestimmungsinitiative 2018. Diese richtete sich gegen «fremde Richter» und forderte, dass die Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht Vorrang hat. Vogt hatte massgeblichen Anteil an der Ausarbeitung. Die Initiative scheiterte an der Urne deutlich.
Liste von Absagen
Die Liste der Absagen von Zürcher SVP-Vertretern war zuletzt immer länger geworden. Erst am Dienstag hatte auch noch Nationalrat Thomas Matter abgewinkt. Zuvor sagten auch Regierungsrätin Natalie Rickli und Nationalrat Gregor Rutz ab.
Kantonalpräsident Domenik Ledergerber sagte an der Medienkonferenz am Mittwoch, dass Vogt Spitzen- und Wunschkandidat sei. Fuhrer sagte, sie sei überrascht gewesen, dass Vogts Name nie gefallen sei. Seine Fähigkeiten eigneten sich ideal für das Amt. «Meine Kandidatur ist sehr ernst gemeint», sagte Vogt.
Er ist der Spitzenkandidat der Zürcher SVP: Hans-Ueli Vogt.Bild: keystone
Fünfte Kandidatur
Ihre Kandidatur angekündigt haben bisher der Berner Nationalrat Albert Rösti, der Berner Ständerat Werner Salzmann, der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler und zuletzt die Nidwaldner Regierungsrätin Michèle Blöchliger.
Blöchliger sorgte bereits für Schlagzeilen, weil sie am Montag ihre britische Staatsbürgerschaft abstritt und diese am Dienstag aufgrund von Medienberichten dennoch zugeben musste. Die SVP hatte sich in der Vergangenheit kritisch gegenüber Doppelbürgern geäussert. Am 7. Dezember wählt die Bundesversammlung den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Finanzminister Ueli Maurer. (sda)
Hier geht's zur Aufzeichnung der Konferenz:
Und hier unser Liveticker dazu:
Zum Schluss bringt ein Journalist noch die Frage, ob Vogt einen zweiten Pass besitze. Gelächter bricht aus. Wohlwissend über die Diskussion zu Pass und Staatsbürgerschaft sagt Vogt nur: Ich kann ihnen versichern: Ich habe erstens einen Schweizer Pass und besitze zweitens keine andere Staatsbürgerschaft.» Keine weiteren Fragen, Ende der Konferenz.
Rita Fuhrer verneint den Vorwurf, Vogts Kandidatur komme nur, weil man sonst niemanden hätte. Vogt sei äusserst Qualifiziert. Leberherr fügt hinzu, dass man immer schon gesagt hätte, man bringe eine ernst zu nehmende Kandidatur.
Vogt: «Wir leben ingesamt in einer sehr toleranten Gesellschaft. Die grösste Gefahr kommt hier von Kulturen, die diese Toleranz nicht mitbringen. Es ist aber bereits viel erreicht, daher steht dieses Thema nicht an der Spitze meiner Traktanden.»
Eine Brisante Frage aus dem Publikum: Ist die Schweiz bereit für den ersten schwulen Bundesrat? Vogt hat (laut eigener Aussage) mit dieser Frage nicht gerechnet. Er beantwortet sie trotzdem. Bei der Ausübung seines Amtes spiele seine sexuelle Orientierung keine Rolle. Und er stellt fest: die Zugehörigkeit zu einer Minderheit verleihe ihm die Fähigkeit, mit anderen Minderheiten mitzufühlen.
Auf die Frage, ob Vogt nicht zu «verkopft», zu intellektuell für einen Bundesrat sei, antwortet dieser, dass seine Eigenschaften nun halt seine Eigenschaften sind und er diese gern zu seinem Vorteil nutzen wolle. Und es sei ja auch nicht verkehrt, wenn man in Bern etwas im Kopf hätte.
Vogt korrigiert «der guten Ordnung halber», dass er insgesamt doch nur 2-3 Jahre im Ausland verbracht hat. Fuhrer entschuldigt sich und erklärt dass sie sich im Fall nicht nur auf Wikipedia diesbezüglich informiert hatte.
Rita Fuhrer, ehemalige Regierungsrätin ZH und Präsidentin der Findungskommission, liest den CV Vogts herunter. Ein Studium in London und New York, Gastaufenthalte in Peking und Harvard, eine Anwaltszulassung im Bundesstat New York – ein Eindrücklicher Werdegang. Das Ganze erinnert unweigerlich an die Pressekonferenz der Kandidatur Albert Röstis.
Vogt verweist auf seine Langjährige Erfahrung als Professor. Er habe nie nur auf die Karte Politik gesetzt. Durch seine Arbeit kenne er auch die immer jüngere Gesellschaft.
Domenik Ledergerber (Parteipräsident SVP ZH): Die Findungskommission und sowie die Parteileitung stehen einstimmig hinter Vogts Kandidatur. Der Wirtschaftsprofessor habe erfolgreich gegen Überregulierung der Wirtschaft gekämpft und kenne die Verhältnisse in Stadt und Land in der Schweiz.
Die SVP des Kantons Zürich schickt Hans-Ueli Vogt ins Rennen um den freiwerdenden Bundesratssitz von Bundesrat Ueli Maurer. Sie verkündete diesen Entscheid heute an einer Medienkonferenz.
Die Findungskommission unter der Leitung von alt Regierungsrätin Rita Fuhrer hat sich in den letzten Tagen intensiv mit der Nachfolge befasst und einen ordentlichen Prozess durchgeführt. Aus den daraus folgenden Anhörungen ist Hans-Ueli Vogt als klarer Favorit hervorgegangen.
Maurer-Nachfolge: Wer im Rennen ist und wer abgesagt hat
1 / 8
Maurer-Nachfolge: Diese 5 Kandidaten wollen in den Bundesrat
Das Kandidatenkarussell für die Nachfolge von SVP-Bundesrat Ueli Maurer dreht sich seit dessen Rücktrittsankündigung Ende September. Die wichtigsten Namen im Überblick:
quelle: keystone / peter klaunzer
Das könnte dich auch noch interessieren:
Das Bezirksgericht Frauenfeld hat einen 39-jährigen Mann wegen sexueller Handlungen mit Kindern und mehrfacher Vergewaltigung zu 15 Jahren Haft verurteilt. Anschliessend gilt ein Landesverweis für 15 Jahre. Der Mann missbrauchte über ein Dutzend Mädchen und Frauen und filmte seine Taten.
Uff... da ist eine Kantonspartei aber mal richtig verzweiflt.