Sie haben sich einen Sommer lang mit einer Kandidatur als FDP-Präsident beschäftigt. Hatten Sie schlaflose Nächte?
Damian Müller: Nein. Ich schlafe immer gut.
Wann fiel der Entscheid?
(Nimmt ein schwarzes Notizbuch hervor) In diesem Büchlein habe ich mir immer Notizen zu meinen Überlegungen über eine Kandidatur gemacht. Ende Sommersession war für mich eigentlich klar: Ich kandidiere nicht.
Was geschah dann?
Es gab ein wichtiges Gespräch. Danach überlegte ich mir das Ganze nochmals vertieft.
Mit welchem Entscheid?
Am letzten Wochenende war es für mich definitiv klar, dass ich nicht kandidiere. Eines ist mir aber wichtig dabei.
Was?
Zwar will ich nicht Präsident sein des «Team FDP». Auf dem Feld will ich aber weiterhin eine aktive Funktion übernehmen, mit dem Engagement, das mir möglich ist. Denn ich brenne für unser Land, meinen Kanton Luzern und meine Partei.
Ihr Nein ist eine Überraschung. Die meisten waren überzeugt, dass Sie zusagen. Sie sind sehr ehrgeizig – und das wäre ein Karriereschritt gewesen.
Mit dem Ehrgeiz habe ich tatsächlich gekämpft. Menschen aus meinem Umfeld haben mir aber den Spiegel vorgehalten. Sie sagten mir: Überlege ernsthaft, was dein Ehrgeiz bedeutet in Kombination mit dem hohen Qualitätsanspruch, den du an dich selbst stellst, wenn du Präsident bist.
Ihr Umfeld hat Sie also gewarnt, Sie könnten sich übernehmen? Weil Sie ein Mandat als Ständerat haben, elf weitere – darunter viele unbezahlte und ehrenamtliche – Mandate und eine eigene Beratungsfirma.
Mir wurde klar: Wenn ich FDP-Präsident werden will, muss ich aus Respekt vor dieser grossen Aufgabe meine anderen Mandate abgeben, wobei zeitlich vor allem zwei Mandate ins Gewicht fallen. Die anderen Engagements sind kleiner. Entscheidend ist: Ich will kein Vollzeitpolitiker sein, sondern immer auch ein Bein in der Arbeitswelt behalten.
Wer FDP-Präsident wird, steht vor einer Herkules-Aufgabe. Hat Sie das abgeschreckt?
Nein. Ich bin Skorpion im Sternzeichen – womit es keine Überraschung ist, dass mich anspruchsvolle Aufgaben reizen. Umso mehr, als ich für den Freisinn ein gutes Momentum sehe. Mit einem klaren wirtschaftspolitischen Profil im Interesse der Sicherung des Wohlstands und der Arbeitsplätze, aber gepaart mit spürbarer sozialer Wärme für die Menschen in unserem Lande, denen es nicht so gut geht. Der Freisinn war immer von Bedeutung in schwierigen Zeiten, wenn es um Lösungsfindung im Interesse des Landes ging.
Sie haben jung Karriere gemacht, sind heute 40 und standen vor dem wegweisenden Entscheid, Ihr Leben in den nächsten Jahrzehnten zu planen?
Ich arbeite noch 40 Jahre (lacht).
Echt?
Bis 70 Jahre bestimmt, wenn es die Gesundheit zulässt. Ich wollte nun klären, wohin ich mich in der Phase zwischen 40 und 50 Jahren entwickeln möchte. Ich arbeite gerne, gehöre zu denen, die nicht lange Ferien machen, ich erhole mich sehr gut zu Hause. Meine Arbeit als Ständerat erfüllt mich mit grosser Befriedigung. Meine beiden mittelgrossen Mandate als Präsident bei Swiss Medtech und beim Schweizer Fleisch-Fachverband fordern mich stark. Der Pferdesport ist mein grosses Hobby seit meiner Jugend, entsprechend gerne engagiere ich mich als Präsident von Swiss Equestrian.
Nur: Als Präsident hätten Sie das aufgeben müssen?
Ja. Damit hätte ich viel persönliche Freude verloren. Ich habe jeden Tag mit anderen Menschen zu tun, mit anderen Materien. Das gefällt mir, die unterschiedlichen Engagements befruchten sich gegenseitig. Ich glaube, in diesem Mix meinen besten Beitrag leisten zu können. Meine Zeit gehört meinem Ständeratsmandat, meinen Aufgaben – mir und den Menschen in meinem Umfeld.
Arbeitsmarkttauglichkeit war für Sie der zentrale Punkt?
Ja. Ich sehe das bei meinen zwei grossen Mandaten. Der Medizintechnikverband vertritt 75’000 Mitarbeitende und stellt jeden 100. Arbeitsplatz in der Schweiz. Der Fleisch-Fachverband vertritt 25’000 Mitarbeitende und 1100 Metzgereien. Dort muss ich Verantwortung übernehmen, die Bedürfnisse und Sorgen der Mitgliedsfirmen verstehen, tragende Mehrheitsentscheide herbeiführen. Das ist sehr spannend und wichtig zugleich. Gerade in diesen Tagen geht es bekanntlich um die Sicherung der Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft wie schon lange nicht mehr.
Sind Sie bereit, in einem Team des neuen FDP-Präsidiums mitzuarbeiten?
Ja, wenn ich einen sinnvollen Beitrag leisten kann. Das überlasse ich aber der Parteispitze.
Kommt für Sie das Amt als Vizepräsident infrage?
Ich bin offen, Verantwortung zu übernehmen. Es ist am neuen Parteipräsidium, das passende Team zusammenzustellen.
Nach den Wahlen 2027 könnte Ignazio Cassis zurücktreten. Ist der Bundesrat ein Thema für Sie?
Dazu mache ich mir keine Gedanken, das ist heute sowieso Kaffeesatzlesen. Wichtig ist nur, dass der Freisinn seine Stärke mindestens behält und weiterhin in der bisherigen Stärke im Bundesrat vertreten ist.
In einem Porträt des «Tages-Anzeigers» sprachen Sie von einer Pocketcard …
… ja, von einer Karte, die man in den Hosensack oder ins Portemonnaie stecken kann …
… mit Dos und Don’ts für die FDP.
Genau.
Was Freisinnige für Sie nicht tun dürfen: einen Streit öffentlich austragen, bei Abstimmungen auf Podien gegeneinander kämpfen, schlecht übereinander sprechen. Was sind die Dinge, die Freisinnige unbedingt tun sollten?
«Tun» ist das entscheidende Wort. Wartet nicht, bis irgendjemand etwas tut, sondern macht! Setzt euch ein, seid in den Kantonen und Ortssektionen präsent. Geht auf die Strasse. Ich erfahre unheimlich viel über die Sorgen meiner Wählerinnen und Wähler, wenn ich im Kanton Luzern mit meinem Dreirad unterwegs bin und am Samstagmorgen vor dem Dorfladen Halt mache. Die Jungfreisinnigen sind dafür übrigens ein gutes Beispiel, sie sind die «geilen Siechen».
Wie meinen Sie das?
Sie haben eine Initiative – «Für eine sichere Altersvorsorge» –zustande gebracht. Gingen auf die Strasse, haben Unterschriften gesammelt für ein Anliegen – ein höheres Rentenalter –, das nicht per se sexy ist. Auch die FDP-Frauen sammelten erfolgreich für die Initiative zur Individualbesteuerung. Wir haben bewiesen: Wir von der FDP können, wenn wir handeln.
Das war nicht die FDP.
Doch, doch, einfach taktisch gut gemacht. Dank des Jungfreisinns unterstützten sich die Jungparteien. Und dank der FDP-Frauen unterstützen die Frauenorganisationen die Individualbesteuerung.
Wo soll sich die FDP im Links-rechts-Schema positionieren?
Die FDP ist schon sehr positioniert, weil wir Gemeinsinn und Fortschritt an vorderster Stelle haben. Für mich ist weder Links-Rechts noch Progressiv-Konservativ entscheidend, sondern «liberal».
Was bedeutet das?
Der Staat schafft gute Rahmenbedingungen, damit sich Menschen und Unternehmen gut entwickeln können. Und er unterstützt diejenigen, die es trotz Einsatz gemäss ihren Möglichkeiten nicht aus eigener Kraft schaffen. Der Staat ist damit auch ein verlässlicher und sozialer Staat. Dass wir in den letzten Jahren diese Tugenden jedoch vernachlässigen, zeigt sich an der steigenden Staatsquote und der stetig steigenden Fiskalquote. Also am Verhältnis von Staatsausgaben und von Steuern und Abgaben gemessen am Bruttoinlandprodukt. Diese müssen wieder sinken.
Auf wie viel Prozent?
Die Staatsquote liegt heute bei über 30 Prozent, die Fiskalquote mit allen Zwangsabgaben sogar bei 40 Prozent, beinahe gleich hoch wie etwa in Deutschland. Man muss sich immer ehrgeizige Ziele setzen: Sagen wir vorerst einmal um je fünf Prozent.
Sollte die FDP mit der GLP fusionieren?
Will man eine starke liberale Kraft in diesem Land, ist die GLP gut beraten, nicht bis zur Bedeutungslosigkeit dahin zu dümpeln und den Weg mit der FDP zu finden.
Hätten Sie als Präsident das Gespräch mit der GLP gesucht?
Wir sollten miteinander sprechen. Es müsste sich nicht die ganze GLP der FDP annähern. Ein Drittel würde reichen. Denn ein Drittel der GLP ist klar wirtschaftsnah. Ein Drittel hat eine grüne Vergangenheit, und ein Drittel ist aus der Partei selbst herausgewachsen.
Die FDP selbst steckt in einer schwierigen Situation. Offenbar hat sie aufgrund der unklaren Führungssituation kaum Vorbereitungen für die Wahlen geleistet.
Wir sind im Zeitplan. Sie haben aber recht: Wir müssen jetzt voll in die Vorbereitung der Wahlen 2027 einsteigen – mit den Kantonalparteien. Die Kantonalparteien müssen dafür sorgen, dass sie die National- und Ständeratslisten mit kompetitiven Leuten füllen.
Wie beurteilen Sie die Arbeit des Generalsekretariats?
Jonas Projer leistet als Generalsekretär hervorragende Arbeit, er hat ein Team gebildet, das sich bestens ergänzt.
Mit der MüPa Beratung GmbH haben Sie eine eigene Firma. Was planen Sie mit ihr?
Dort kann ich meine Stärken in strategischer Beratung, Kommunikation und PR immer mehr in die Tat umsetzen. Das möchte ich gezielt weiter ausbauen, mittelfristig vielleicht auch zulasten von anderen Mandaten. In diesem Kontext habe ich auch Anfragen aus dem Kollegenkreis, um neue Ideen zu verwirklichen; da gibt es auch Raum für Träume.
Was ist Ihr Traum?
Mein persönlicher Traum: den Pferdesport so zu verankern, dass er nicht nur eine Sportart ist, sondern gelebte Kultur mit Spitzenleistungen, aber auch starkem Breitensport, guter Nachwuchsförderung und echtem Pferdewohl. Und ja, die Weltreiterspiele in der Schweiz durchzuführen, wäre was. Mit dem Team von Swiss Equestrian arbeite ich an der Verwirklichung dieses Traums.
Sie sprachen von Träumen. Gibt es einen weiteren?
Ich habe einen Bubentraum, in Luzern ein grosses Open-Air-Konzert aufzubauen, wie man es in Amerika mit den Garden Concerts kennt. Unser 21st Century Orchestra macht seit 25 Jahren grossartige Filmmusik und könnte ein Fussballstadion füllen. Es wäre schön, den Menschen in diesen geopolitisch schwierigen Zeiten Freude zu bereiten.
Die Welt steckt tatsächlich in der Krise – inklusive der Schweiz.
Das ist so. Wir haben Krieg in Europa. Und die Schweiz hat Turbulenzen mit einem US-Präsidenten, der sich nicht darum schert, was seine Mitarbeiter mit einem Partnerstaat erarbeitet haben.
War der Freisinn zu nett zu Donald Trump?
Nein. Wenn der Präsident eines für die Welt zentralen Staates und nicht mehr dessen Justiz den Rechtsstaat auslegt, dann haben Demokratie und damit auch die Weltordnung ein Problem.
Braucht es nicht doch klare Worte?
Doch. Trump spielt ja mit dem Bundesrat, weil wir ein kleines, aber starkes Land sind. Wir müssen lernen, klarer für unsere Positionen einzustehen, unsere sprichwörtliche Bescheidenheit hie und da zu überwinden. (aargauerzeitung.ch)
Ein RuZZenfreund weniger wäre schon einmal ein Anfang.
Ich glaube wir sprechen nicht von der gleichen Partei...🤣🤷
Zuviele Politiker sind im Verdacht nur Corporate Captures zu sein und für ihre Verwaltungsratdsmandate zu lobbyieren. Wenn's ans Eingemachte geht, dann kneifen sie. Der Zollhammer lässt tief blicken.