Schweiz
Gesundheit

Coronavirus in der Schweiz: Warum du Social Distancing betreiben sollst

epa08308976 Social distance warning signs by the Indonesia Transportation Agency are placed on seats in a Transkoetaradja public bus, in Banda Aceh, Indonesia in Banda Aceh, Indonesia 20 March 2020. T ...
So funktioniert Social Distancing in Indonesien.Bild: EPA

Willst du heute Freunde treffen? Dieses Tool zeigt dir, warum das keine gute Idee ist

Dass Abstandhalten Leben rettet, sollte inzwischen bei allen angekommen sein. Doch was bringt Social Distancing wirklich? Ein neues Onlinetool bringt erste Antworten – und diese sind eindrücklich.
20.03.2020, 17:0321.03.2020, 18:57
Mehr «Schweiz»

Für viele Menschen ist es schwer abzuschätzen, wie gravierend es wirklich ist, wenn man sich trotz staatlichem Lockdown weiterhin unter die Leute mischt. Muss ich nun wirklich auf den Sonntagsbrunch verzichten? Darf ich meine Freunde wirklich nicht auf ein Feierabendbier treffen?

Ein kanadisches Team von Wissenschaftlern hat sich dieser Frage angenommen und ein interaktives Tool programmiert, das genau diesen Fragen nachgeht. Das Modell berechnet die Anzahl Infizierte und Tote – unter Berücksichtigung der Bettenkapazitäten in den Spitälern. Selbsterklärend handelt es sich dabei um eine Modellrechnung – doch diese gibt einen guten Anhaltspunkt, warum Social Distancing so wichtig ist.

Um ein Modell für das eigene Land zu erhalten, wählt man dieses zuerst aus. Danach kann man beginnen, damit herumzuspielen: Mit einem Slider ändert man die Anzahl Personen, auf die ein mit dem Coronavirus Infizierter (der sich dessen möglicherweise noch gar nicht bewusst ist) trifft.

>>> Hier geht's zum Liveticker mit den neusten Updates

Wir haben für die Schweiz drei Szenarien durchgespielt.

Infizierter trifft täglich auf 15 Personen

Gehen wir davon aus, dass jeder Infizierte in der Schweiz im Schnitt täglich 15 verschiedene Leute trifft, darunter sind Sitznachbarn im ÖV, Büromitarbeiter, Servierpersonal im Restaurant und so weiter.

Das Modell für die Schweiz zeigt folgende Kurve. Nach rund 38 Tagen, also gut fünf Wochen, ist der Peak erreicht: Über 2 Millionen Menschen wären in der Schweiz gleichzeitig mit dem Coronavirus infiziert.

Kurve corona-calculator.herokuapp.com
Uninfected = Nicht infizierte (hellgrau), Recovered = Genesene (dunkelgrau), Infected = Infizierte (gelb)Bild: corona-calculator.herokuapp.com

Und das hätte gravierende Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem. Die Schweiz verfügt laut den Autoren über knapp 40'000 Spitalbetten. Zu Spitzenzeiten wären nach diesem Modell über 60'000 Personen auf ein solches Bett angewiesen – also hätte rund ein Drittel aller kritischen Patienten keinen Platz.

Hospitalisierte und Todesopfer Corona-calculator
Hospitalized = hospitalisierte (hellrot), Dead = Tote (dunkelrot)Bild: https://corona-calculator.herokuapp.com/

Und das wiederum hätte fatale Folgen: Die Autoren kommen mit ihren Berechnungen auf rund 53'000 Tote während dieser Epidemie, alleine in der Schweiz.

Infizierter trifft täglich auf 8 Personen

Schaffen wir es, die Anzahl Personen, auf die ein/e Infizierte/r täglich trifft, gesamtschweizerisch auf einen Schnitt von 8 Personen zu reduzieren, ist schon eine klare Verbesserung sichtbar.

In diesem Modell wäre der Peak erst nach knapp 100 Tagen erreicht, also nach gut dreieinhalb Monaten. Die Anzahl gleichzeitig Infizierter würde die 500'000er-Marke wohl nicht überschreiten.

Kurve corona-calculator.herokuapp.com
Uninfected = Nicht infizierte (hellgrau), Recovered = Genesene (dunkelgrau), Infected = Infizierte (gelb)Bild: corona-calculator.herokuapp.com

Zu Spitzenzeiten wären rund 12'000 Menschen hospitalisiert, sie alle hätten Platz in unseren Spitälern und könnten versorgt werden.

Hospitalisierte und Todesopfer Corona-calculator
Hospitalized = hospitalisierte (hellrot), Dead = Tote (dunkelrot)
Achtung: Skala hat sich verändert, im Vergleich zur obigen Grafik
Bild: https://corona-calculator.herokuapp.com/

Trotzdem gehen die Autoren des Tools in diesem Fall von knapp 30'000 Toten in der Schweiz aus.

Infizierter trifft täglich auf 5 Personen

Schaffen wir es, den Schnitt auf fünf Personen herunterzubringen, hätte Covid-19 in der Schweiz kaum verheerende Folgen. Rund 30'000 Personen würden sich infizieren – man bedenke, heute Freitag zeigen die offiziellen Zahlen bereits gut 4000 Infizierte.

Kurve corona-calculator.herokuapp.com
Uninfected = Nicht infizierte (hellgrau), Recovered = Genesene (dunkelgrau), Infected = Infizierte (gelb)Bild: corona-calculator.herokuapp.com

Während der intensivsten Zeit müssten gut 700 Personen im Spital versorgt werden. Die erwartete Zahl an Todesfällen läge bei rund 1500 Personen.

Hospitalisierte und Todesopfer Corona-calculator
Hospitalized = hospitalisierte (hellrot), Dead = Tote (dunkelrot)
Achtung: Skala hat sich verändert, im Vergleich zur obigen Grafik
Bild: https://corona-calculator.herokuapp.com/

Fazit

Was wir daraus lernen: Natürlich gibt es Menschen in der Schweiz, die täglich aus beruflichen Gründen dutzende andere Menschen treffen – darunter beispielsweise unser Gesundheitspersonal oder Personen im Detailhandel.

Wenn jedoch alle anderen mithelfen, den Schnitt so weit wie möglich herunterzuziehen, lässt sich Schlimmeres verhindern. Und das bedeutet für alle, denen es möglich ist: Bleibt zu Hause, reduziert den Kontakt zu anderen Menschen auf das absolute Minimum.

Hier kannst du das Tool selbst ausprobieren – mit anderen Zahlen, oder für andere Länder.

Zur Berechnung
Das Tool nutzt zur Berechnung der Ausbreitung das sogenannte SIR-Modell. Die Autoren gehen davon aus, dass 19% aller Infizierten hospitalisiert werden müssen. Bei den Sterblichkeitsraten nach Alter stützten sie sich auf eine Studie des Imperial College COVID-19 Response Team. Mehr Details zur Methodik beschrieben die Autoren hier. Es handelt sich bei den Berechnungen um Annäherungen an die Realität.

(lea)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Coronavirus: Was du wissen musst
1 / 15
Coronavirus: Was du wissen musst
Das neue Coronavirus Sars-CoV-2 geht um die Welt. Was du darüber wissen musst.
quelle: ap / zoltan balogh
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wegen Coronakrise sind in Italien die Spitäler am Limit
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
50 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
farbar
20.03.2020 17:24registriert April 2015
Ich bin beeindruckt von den virologischen Voraussagen, aber auch von der Wirkung der Beachtung der Forderung: nicht mehr als 5 Personen täglich treffen. Das Virus arbeitet gegen uns ohne Verstand. Aber wir haben einen. Nutzen wir ihn!
2208
Melden
Zum Kommentar
avatar
KarlWeber
20.03.2020 18:32registriert März 2017
Interessant, ich denke bei Treffen ist gemeint < 2m für ein paar Minuten ?

Dann treffe ich persönlich nur noch drei Personen. 2x Mitbewohner und 1x Freundin.
404
Melden
Zum Kommentar
avatar
DaniSchmid
20.03.2020 21:11registriert Februar 2014
Zu diesen ‚wieviele Spitalbetten...?‘ Gesankenspielen: Diese Betten sind im Fall nicht frei, sondern grösstenteils durch chronisch Kranke, Unfallopfer und andere besetzt. Wiegt euch mal besser nicht in falscher Sicherheit.
361
Melden
Zum Kommentar
50
Bundesgericht kippt Entscheid des Schaffhauser Kantonsrats

Niederlage für die bürgerliche Mehrheit im Schaffhauser Kantonsrat: Das Bundesgericht hat einen Parlamentsbeschluss zur Transparenz in der Politikfinanzierung aufgehoben, weil er die Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verletzt.

Zur Story