Corona ist aktiv, die Grippewelle rollt an – wer sich ab jetzt impfen lassen sollte
Gegen Grippe, das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und Covid-19 empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit und die Impfkommission Ekif ab Mitte Oktober für bestimmte Personengruppen eine Impfung.
Stimmt es, dass im Moment viele grippale Infekte die Schweizer Bevölkerung plagen?
Die diesjährige Grippewelle hat noch nicht begonnen. Zur Zeit wird bei respiratorischen Infekten und grippeähnlichen Erkrankungen vor allen Sars-CoV-2 nachgewiesen, im September waren neben Covid hauptsächlich Rhinoviren der Auslöser. Gemeldet werden aktuell 79 Fälle pro 100'000 Einwohner bei respiratorischen Infekten und 25 Fälle bei grippeähnlichen Erkrankungen – mit steigender Tendenz.
Was ist der Unterschied zwischen Grippe und grippalen Infekten?
Eine grippeähnliche Erkrankung ist nicht immer gleichzusetzen mit der Grippe. Grippaler Infekt und Erkältung sind medizinisch nicht scharf definierte Alltagsbezeichnungen. Der Begriff Erkältung ist irreführend, weil sie keine Unterkühlung des Körpers ist. Grippale Infekte und Erkältungen werden meist von Viren, vor allem Rhinoviren ausgelöst und sind wie ein Schnupfen eine Bagatellerkrankung. Während des Höhepunkts der Grippewelle von Januar bis Februar werden je nach Saison rund die Hälfte der grippeähnlichen Erkrankungen und akuten respiratorischen Infekte tatsächlich durch das Influenzavirus ausgelöst.
Können auch Bakterien Atemwegserkrankungen auslösen?
Ja. Bei bakteriellen Infektionskrankheiten dringen Bakterien zum Beispiel über die Haut, Atemwege, Harnröhre oder durch den Konsum verunreinigter Lebensmittel und Getränke in den Organismus ein. Nur ungefähr ein Prozent der Bakterien machen krank. In den oberen Atemwegen wie Nasen und Rachen oder in den unteren Atemwegen wie der Lunge können sie die Schleimhäute schädigen. Das kann zu Lungenentzündungen führen. Gegen bakterielle Infektionskrankheiten werden Antibiotika eingesetzt.
Wogegen sollte sich Risikopersonen impfen lassen?
Erkrankungen wie Grippe, RSV und Covid-19 beginnen oft mit milden, erkältungsähnlichen Symptomen. Daraus können sich jedoch schwere Krankheitsverläufe entwickeln. Sie führen in der Schweiz jeden Winter zu Tausenden von Spitaleinweisungen. Empfohlen werden Risikopersonen deshalb Impfungen gegen Grippe, Covid-19 und RSV.
Werden diese Impfungen gleichzeitig empfohlen?
Ja. Die Impfung gegen Grippe kann gleichzeitig mit, vor oder nach einer Covid-19 und einer RSV-Impfung verabreicht werden. Bei gleichzeitigen Impfungen wird an verschiedenen Stellen am linken und rechten Oberarm gestochen. So erübrigt sich ein weiterer Impftermin. «Allerdings können dann allfällige unerwünschte Impferscheinungen nach mehreren Impfungen gemeinsam auftreten, inklusive Schmerzen an beiden Oberarmen», sagt Simon Ming vom BAG.
Wer soll sich gegen Grippe impfen lassen?
«Die Grippeimpfung ist empfohlen für alle Personen, die ein höheres Risiko für eine schwer verlaufende Influenza-Infektion haben», sagt Anita Niederer-Loher, Leitende Ärztin Infektiologie am Ostschweizer Kinderspital und Mitglied der Impfkommission Ekif. Das sind Menschen ab 65 Jahren, Schwangere und Frauen, die in den letzten vier Wochen entbunden haben, Frühgeborene und Patienten mit einer chronischen Erkrankung. Sie ist auch empfohlen für alle Personen, die in nahem Kontakt zu den Risikopersonen stehen, um diese indirekt vor einer Ansteckung zu schützen. Eine dritte Empfehlung geht an Menschen, die regelmässig beruflich Kontakt zu Hausgeflügel und Wildvögeln haben.
Wann?
Die beste Zeit, sich gegen Grippe zu impfen, ist ab Mitte Oktober bis zum Beginn der Grippewelle. Die Grippewelle ist in der Schweiz in der Regel zwischen Mitte Dezember und Mitte März zu erwarten.
Wie hoch ist der Schutz der Grippeimpfung?
Die Impfung reduziert das Infektionsrisiko um 25 bis 80 Prozent, im Einzelfall kann das aber nicht beziffert werden. Die Schutzwirkung ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie der Passgenauigkeit des Impfstoffes auf die Influenzaviren, die dann in der aktuellen Saison zirkulieren. Eine Rolle spielt auch der Zustand des Immunsystems der geimpften Person. Neben dem Präventionsmittel Impfung bleiben eine gute Händehygiene, Hustenetikette und Distanzhalten bei Symptomen wichtig.
Gibt es Gründe, sich nicht impfen zu lassen?
«Es gibt eigentlich keine Gründe, sich nicht gegen Grippe impfen zu lassen», sagt Anita Niederer-Loher. Einzig eine schwere allergische Reaktion auf eine frühere Grippeimpfung oder auf einen der Inhaltsstoffe sei ein Grund. Dies gelte aber grundsätzlich für jede Impfung und für jedes Medikament. «Und Säuglinge, jünger als sechs Monate, können auch noch nicht gegen Grippe geimpft werden. Diese sind besonders auf den indirekten Schutz durch die Impfung der Betreuungspersonen angewiesen.»
Was ist neu bei der Grippe-Impfempfehlung?
Menschen über 75 sowie solche über 65 mit einem zusätzlichen Risikofaktor erhalten neu einen Hochdosis-Grippeimpfstoff. Dieser Impfstoff Efluelda ist ein Grippeimpfstoff mit höherer Wirkstoffmenge, der genannten Risikopersonen vergütet wird.
Wer soll sich gegen Covid-19 impfen lassen?
Ein erhöhtes Risiko für Komplikationen bei einer erneuten Covid-19 Erkrankung haben Menschen ab 65 Jahren, Schwangere, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen oder Trisomie 21.
Wem wird die RSV-Impfung empfohlen?
Das RS-Virus kann bei älteren Personen Atemwegserkrankungen hervorrufen, die zu schweren Verläufen mit Lungenentzündung führen. Die Impfung wird deshalb allen Personen ab 75 Jahren empfohlen – und ab 60 Jahren bei chronischen Krankheiten oder geschwächtem Immunsystem. Am meisten gefährdet sind aber Babys. Bei diesen ist RSV im Winter die häufigste Ursache für Hospitalisationen. Eltern können ihr Baby im ersten Winter vor RSV schützen – entweder durch eine Impfung in der Schwangerschaft oder durch eine passive Immunisierung mit einem monoklonalen Antikörper nach der Geburt.
Wie viel kostet eine Grippeimpfung?
Eine Grippeimpfung kostet zwischen 35 und 45 Franken. Für Menschen, für welche die Impfung empfohlen ist, übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Andere müssen die Impfung selbst bezahlen, die Kosten bei beruflicher Gefährdung werden oft aber vom Arbeitgeber übernommen.
Hilft eine Grippeimpfung auch gegen grippale Infekte?
Nein, die Grippeimpfung schützt vor Infektionen mit den Influenza-Viren, die im Impfstoff enthalten sind. Es sind aber auch diese Influenza-Viren, die im Vergleich mit anderen Erkältungsviren die besonders schweren Erkrankungen verursachen. Gegen diese wird ein Schutz angestrebt.
Wie hoch war die Grippe-Impfquote im vergangenen Jahr und reicht das?
In der Schweiz, wie auch in anderen europäischen Ländern, waren in den letzten Jahren nur rund ein Drittel der Personen, für die die Impfung empfohlen ist, gegen Grippe geimpft. «Dieser Anteil ist zu tief und es könnten mit einer höheren Impfrate sicherlich viele Hospitalisationen und Grippefälle zusätzlich verhindert werden», sagt die Infektiologin.
Gibt es wieder einen nationalen Grippe-Impftag?
Nein. Der Nationale Grippe-Impftag wird ersetzt durch eine vom 10. bis 15. November stattfindende «Nationale Impfwoche» in Arztpraxen und Apotheken. (bzbasel.ch)