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Pflegefachkraft, verzweifelt gesucht – eine zweite Chance für Peter S.

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Pflegefachkraft.Bild: Shutterstock

Pflegefachkraft verzweifelt gesucht – oder: Eine zweite Chance für Peter S.

Der Personalmangel in der Pflege ist ein grosses Problem. Doch er bietet für einige auch Chancen, wie zwei Beispiele zeigen. Personalvermittler und Arbeitgebende versuchen, auf individuelle Bedürfnisse von Bewerbern einzugehen.
21.02.2023, 09:0921.02.2023, 12:15
Maja Briner / ch media
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Sie sind begehrt, finden meist rasch einen Job. Gleichzeitig leiden sie darunter, dass zu viel Arbeit auf zu wenige Köpfe verteilt wird. Das sind zwei Seiten des Fachkräftemangels in der Pflege, der sich jüngst weiter verschärft hat. Fast 7000 Stellen als Pflegefachmann oder -frau waren laut dem Jobradar der Firma x28 AG zuletzt schweizweit ausgeschrieben; im Gesundheitswesen insgesamt beinahe 16'000. Viele Spitäler und Kliniken bekundeten Mühe, offene Stellen zeitnah zu besetzen, heisst es beim Spitalverband H+.

«Wir beobachten einen sich verschärfenden Fachkräftemangel im Gesundheitswesen», sagt auch Stella Soklic. Sie ist Senior-Beraterin bei der Personalberatung Careerplus und vermittelt Fachkräfte im Gesundheitsbereich wie diplomierte Pflegepersonen und Experten mit Nachdiplomstudium. Gut qualifizierte Bewerbende kämen zügig zu Stellen und hätten häufig mehrere Angebote, sagt sie. Für jene, die einen Job suchen, kann das eine Chance sein – auch für diejenigen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht dem Idealbild eines Bewerbers oder einer zukünftigen Mitarbeiterin entsprechen.

So wie Peter Schmid, der eigentlich anders heisst. Er hatte Krankenpfleger gelernt und lange in Alters- und Pflegeheimen gearbeitet. «Irgendeinmal merkte ich, dass ich ein Abhängigkeitsproblem hatte und dies angehen muss, auch wegen gesundheitlicher Probleme.» Schmid war abhängig von Medikamenten, entwendete diese auch bei der Arbeit. Er habe seinen Arbeitgeber – der nichts geahnt habe – informiert.

«Wir trennten uns im gegenseitigen Einverständnis. In meinem an sich guten Zeugnis stand allerdings im letzten Satz, dass es zu einem ernsthaften disziplinarischen Verstoss gekommen sei.» Nach einer Entwöhnungstherapie und einem Time-out wollte er wieder arbeiten. Schmid, zu diesem Zeitpunkt über 50 Jahre alt, ging davon aus, dass es schwierig sein könnte, auf eigene Faust eine neue Anstellung zu finden. Er meldete sich daher bei Careerplus.

Offener für individuelle Lösungen

Die Personalvermittler sind derzeit gefragt. Über alle Branchen hinweg boomt vorwiegend der Feststellenmarkt: Der Umsatz stieg im vierten Quartal 2022 laut dem Personaldienstleister-Verband Swissstaffing um 22 Prozent. Für den Gesundheitsbereich liegen keine aktuellen Zahlen vor, doch der Trend sei steigend. Ariane M. Baer von Swissstaffing sagt, Personaldienstleister gingen wegen des Fachkräftemangels eine «Extrameile», um Stellensuchende und Arbeitgebende erfolgreich zusammenzubringen – auch bei gesundheitlichen Handicaps der Stellensuchenden.

Auch Spitäler und andere Institutionen, die nach Personal suchen, haben laut Personalberaterin Soklic auf den Fachkräftemangel reagiert: Sie seien offener dafür, individuelle Lösungen zu finden für Personen, die beispielsweise gesundheitliche Einschränkungen haben. «Nicht in jedem Fall kann eine Lösung gefunden werden. Aber der Wille der Institutionen ist häufig gegeben.»

Wiedereinstieg ohne Risiko

Peter Schmid erzählte beim ersten Kontakt mit Careerplus von seiner Suchttherapie. «Ich sagte mir, dass wir nur eine gute und angemessene Lösung finden können, wenn ich alle Karten auf den Tisch lege. Auch wollte ich nicht wieder ins alte Fahrwasser geraten und Geheimniskrämerei betreiben.» Die Ungewissheit über seine Zukunft habe ihn in dieser Zeit stark belastet.

Als sich eine Lösung abzeichnete, sei dies eine grosse Erleichterung gewesen. «Nur schon, dass einige Betriebe im Pflegebereich Interesse an meinem Dossier zeigten und mich für einen Schnuppertag einluden, war für mich positiv.» Das Careerplus-Team konnte ihm schliesslich eine Festanstellung in der telemedizinischen Beratung vermitteln. Nun muss er nicht mehr Tag für Tag mit Medikamenten hantieren und kann sein Fachwissen dennoch nutzen. Die Stelle entspreche ihm: «Ich habe telefonisch Kontakt mit verschiedensten Menschen und habe den Eindruck, dass ich helfen kann.»

Dass die Arbeitgebenden bereit sind, Bewerbern entgegenzukommen, zeigt auch ein Fall, den die Senior Personalberaterin Soklic erzählt: Eine junge Fachfrau Gesundheit konnte eine Temporärstelle aus psychischen Gründen kurzfristig nicht antreten. Sie begab sich in psychiatrische Behandlung - und konnte später erneut im gleichen Betrieb schnuppern gehen. Sie erhielt danach zuerst eine temporäre Anstellung, später eine Festanstellung.

Soklic sagt, der (Wieder-)Einstieg über Temporärstellen könne eine gute Chance für Stellensuchende und Institutionen sein, sich im Arbeitsalltag besser kennenzulernen, ohne das volle Risiko zu tragen. «Es ist enorm schön, wenn Menschen mit speziellen Geschichten uns das Vertrauen schenken und wir dann zusammen eine Lösung finden», sagt sie. «Wenn ich im späteren Kontakt höre, dass es ihnen gut geht in der neuen Stelle, freut mich das sehr.»

Wegen des Personalmangels sei die Dankbarkeit im Team in der Regel gross, wenn jemand dazustosse: «Die neuen Kolleginnen und Kollegen sind froh, wenn sich die Arbeit auf mehr Schultern verteilt und sie dadurch wieder mehr Zeit fürs Wesentliche haben: den persönlichen Kontakt mit den Menschen.»

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